Kommentar
08:41 Uhr, 04.08.2016

Zinssenkung in Großbritannien?

Heute muss die britische Notenbank etwas liefern, da sind sich alle einig. Die Bank of England hat selbst die Erwartungen hoch gesteckt, doch muss sie überhaupt handeln?

Eigentlich sind sich alle einig. Analysten, Experten, Politiker und auch die Notenbanker selbst erwarten einen Schwall an geldpolitischer Lockerung. Heute kann die BoE unter Beweis stellen, ob sie ihre selbst geschürten Erwartungen erfüllen kann.

Bei der letzten Sitzung tat die BoE nach dem Brexit-Votum erst einmal nichts. Sie wollte abwarten und die Lage analysieren, bevor sie unüberlegt Maßnahmen beschließt. Nun hatten die Notenbanker mehrere Wochen Zeit, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Heute werden die neuesten Schätzungen zu Inflation und Wachstum bekanntgegeben. Je nachdem, wie diese Schätzungen ausfallen, wird die BoE handeln. Dass sie handeln muss, stellt kaum jemand in Frage, denn es ist allen klar: das Wirtschaftswachstum wird einbrechen.

Persönlich sehe ich die Sache etwas anders. Einerseits sind das Verbrauchervertrauen und das Vertrauen der Unternehmen stark eingebrochen, andererseits ist das per se noch kein Beinbruch. Das absolute Niveau des Vertrauens ist zwar stark abgerutscht, doch immer noch auf einem soliden Level.

Sinkt das Vertrauen weiter, dann kann es für die Wirtschaft tatsächlich problematisch werden. Die ganz große Aufregung nach dem Referendum flaut jedoch bereits wieder ab. Es wird immer offensichtlicher, dass nun erst einmal wenig geschieht. Die Sachlage bleibt zunächst unverändert und es deutet derzeit nichts auf eine besonders hässliche Scheidung von der EU hin.

Die Unsicherheit bleibt natürlich auf Sicht von zwei bis drei Jahren hoch, doch die Regierung hat bereits angekündigt, dass sie dieser Unsicherheit gerne mit einem Konjunkturprogramm begegnet. Das Ziel, den Haushalt bis 2020 auszugleichen, ist gestrichen. Jetzt wird aus dem Vollen geschöpft und Geld ausgegeben. Das wird den zu erwartenden Dämpfer auffangen.

Ich gehe davon aus, dass sich die Verunsicherung, die sich in den Stimmungsindizes gezeigt hat, relativ bald wieder relativiert. Die Einbrüche waren eine Art Panikreaktion auf das Ergebnis des Referendums. Dieser Schock ist bald überstanden. Auch die erhöhten Staatsausgaben werden dazu einen Beitrag leisten.

Ganz nebenbei ist das britische Pfund abgestürzt. Auch das wird der Wirtschaft helfen. Großbritannien ist kein klassisches Exportland von Gütern. Es gibt allerdings viele hochspezialisierte Unternehmen im Industriebereich und Maschinenbau, Rüstungskonzerne, viele Pharmaunternehmen und nicht zuletzt auch noch die Ölindustrie. Einen gewissen Schwung wird die Pfundabwertung bringen.

Die britische Wirtschaft dürfte auch ohne zusätzliche Maßnahmen (zu den steigenden Staatsausgaben und dem schwachen Pfund) über die Runden kommen. Eine Rezession sehe ich persönlich nicht. Einige ganz wenige Kommentatoren können sich sogar einen Brexit Boom vorstellen. Soweit würde ich auch wieder nicht gehen. Dazu ist die Exportindustrie dann doch nicht imstande.

Betrachtet man die Historie des Wirtschaftswachstums, des Pfunds und der Staatsausgaben, dann zeigt sich, dass die Kombination aus Staatsausgaben und Pfundabwertung die Wirtschaft in der Vergangenheit ausreichend stützen konnten. Die bereits jetzt ultralockere Geldpolitik auszuweiten ist gar nicht notwendig.

Wenn die Notenbank bei Sinnen ist, wird sie dies erkennen und lediglich eine symbolische Zinssenkung vornehmen und auf Anleihenkäufe komplett verzichten. Die Zinssenkung kann sich als temporär bis Anfang 2017 herausstellen und dient lediglich dazu, den Markt nicht in Panik zu versetzen. Die Erwartungen sind zu hoch.

Clemens Schmale

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9 Kommentare

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  • Gone Fishing
    Gone Fishing

    Nimmt man das Volumen der vergebenen Kredite an private Haushalte in Deutschland von 2003 bis 2014 stellt man fest, das es ausser den normalen, jährlichen Schwankungen nahezu konstant ist.

    Bei genauerer Betrachtung stellt man fest, dass die Niedrigzinspolitik die Haushalte zwingt, noch mehr zu sparen und auf Konsum zu verzichten. Das ist das genaue Gegenteil von dem was zur Lockerung der Geldpolitik seit Jahren konsequent behauptet wird.

    Kein Kommentar...

    18:07 Uhr, 04.08. 2016
  • 1 Antwort anzeigen
  • Morningstar
    Morningstar

    Und die nächste ZB die alle ausstehenden Bonds kauft, herrlich...QE ist eine fantastische Sache, Zinsen fallen ins Bodenlose, den Verschuldungsgrad interessiert keinen mehr, da die ZBs jeden verfügbaren Bond aufkaufen und damit Ratings überflüssig sind, unabhängig von der angeblichen Bonität der Länder, Aktien steigen, da es keinerlei Anlagealternativen mehr gibt und die Politiker klopfen sich wegen ausgeglichener Haushalte auf die Schulter...Ist eigentlich schon jemandem aufgefallen, dass keine einzige Volkswirtschaft trotz seit Jahren vorherrschender, lächerlicher Zinssätze wirklich richtig ins Laufen kommt???

    13:34 Uhr, 04.08. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Die Briten haben bisher alles richtig gemacht. Wenn sie geschickt sind, wird man nichts machen. Wofür auch?

    - sie haben den Stümpern in der EU (Juncker, Schulz & Konsorten) gezeigt wo der Hammer hängt

    - sie können Demokratie

    - sie haben unterhaltsame Charakteren

    - die Wirtschaft ist stabil und gesund (zumindest hören wir das von unseren britischen Kunden)

    Schauen wir mal.

    12:46 Uhr, 04.08. 2016
  • Mitdenker
    Mitdenker

    ich glaube aber auch, dass niemand von einer ZInssenkung ausgeht. Wobei betrachtet man die Reaktionen auf Meetings der Notenbanken so wird alles abverkauft sobald nicht aber tausende von Milliarden in den Markt gepumpt werden.. Für mich das Zeichen, dass eine Milliarde heute den Gegenwert von 1 Mio 1999 hat. DAS nenne ich Inflation!!!!!!

    10:15 Uhr, 04.08. 2016
  • mantra
    mantra

    was hat sich in den letzten zwei wochen denn geändert was die BOE zum handeln zwingen sollte!

    10:01 Uhr, 04.08. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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