Kommentar
10:37 Uhr, 09.03.2021

Zinsschock: Ende in Sicht

Die Volatilität der vergangenen Woche zeigt: Anleger hadern noch mit sich, ob der Zinsschock vorüber ist. Es gibt klare Hinweise.

In der vergangenen Woche waren Anleger hin- und hergerissen. An einem Tag kam es zum Selloff, am nächsten zur Rally. Unterm Strich hat sich wenig getan. Außer eine hohe Schwankungsbreite hat die Woche wenig neue Erkenntnisse gebracht – zumindest auf den ersten Blick. Hinter den Kulissen hat sich einiges getan. Die Zinserwartungen erreichten ein neues Hoch. Die US-Notenbank prognostiziert für 2023 den ersten Zinsschritt. Bereits im Februar sah das der Markt anders. Die Eurodollar Futures, die den Zins auf Dollaranlagen im US-Ausland abbilden, zeigten für 2023 bereits zwei Zinsschritte an. Anfang März stieg dieser Wert auf drei Zinsschritte. Damit entwickelten Anleger eine enorme Zinsfantasie. Inzwischen muss man anzweifeln, dass dieses Einpreisen noch mit Vernunft zu tun hat. Bevor die Zinsen angehoben werden, dürfte die Fed ihre Anleihenkäufe beenden. Das ist in diesem Jahr unwahrscheinlich. Für Zinserhöhungen braucht es zudem Zeit. Ob QE oder Zinserhöhung, die Notenbank will Verwerfungen vermeiden und wird im Gegensatz zu 2013 sehr behutsam vorgehen.


Damit alles weit im Vorfeld angekündigt ist, müsste die Notenbank bereits jetzt einen Ausstiegsfahrplan vorlegen, damit die Zeitschiene, die sich Anleger gerade vorstellen, noch einzuhalten ist. Davon ist weit und breit nichts zu sehen. Anleger sind für die Zinsentwicklung ihrer Zeit um mindestens ein Jahr voraus.

Anleger erwarten inzwischen einen sehr aggressiven Zinsanstieg. Man kann sich kaum vorstellen, dass da noch Platz für viel mehr Fantasie ist. Hinzu kommt, dass der Selloff bei Anleihen, der am Ende zum Zinsanstieg geführt hat, weit fortgeschritten ist. Die Drawdowns seit 1972 sprechen eine klare Sprache. Die meisten Selloffs waren bei 10 % beendet (Grafik 2). Diesen Bereich haben wir inzwischen erreicht.


Es gab größere Selloffs, so etwa zur Zeit der Finanzkrise oder als die Notenbank Ende der 70er Jahre die Zinsen auf fast 20 % erhöhte. Das kann man heute nun wirklich nicht erwarten. Für eine Korrektur, die von Inflations- und Zinsängsten ausgelöst wird, ist ein Großteil des Korrekturbedarfs abgearbeitet.

Anleger haben bereits einen enormen Zinsanstieg eingepreist und auch technisch erscheint die Korrektur ausgereizt. Ein Argument spricht aber gegen ein rasches Ende der Zinspanik. Der Realzins folgt der Wirtschaft und der Industrie. Die Entwicklung des Realzins und des Einkaufsmanagerindex der Industrie ist daher stark korreliert (Grafik 3). Hier klafft noch eine große Lücke zwischen der Industrie und dem Realzins. Theoretisch gibt es also noch viel aufzuholen.


Persönlich gehe ich dennoch davon aus, dass der Zinsanstieg größtenteils vorüber ist. Der Einkaufsmanagerindex steht teils aus den falschen Gründen hoch. Lieferzeiten sind derzeit lang, etwa weil Halbleiterproduzenten zu wenig für die Autoindustrie produzieren. Rechnet man diese Effekte heraus, steht der Einkaufsmanagerindex nicht bei 60, sondern bei 55. Das rechtfertigt immer noch einen gewissen Anstieg des Realzinses Richtung 0 %, aber keine langfristige Fortsetzung des aktuellen Trends. Wenn der Zinsschock nicht schon zu Wochenbeginn ein Ende gefunden hat, dann wird es sehr bald soweit sein.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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