Kommentar
08:16 Uhr, 30.09.2015

Zinspolitik: Wie geht es weiter?

Die aktuelle Marktphase ist sehr schwierig. Anleger wissen nicht so recht, was sie tun sollen und rätseln darüber, ob der Bärenmarkt nun schon begonnen hat oder nicht. Nicht nur Anleger sind mit der derzeitigen Situation etwas überfordert, sondern auch die Notenbanken.

Ob Anleger oder Notenbanker: beide müssen sich aufgrund ihrer Prognosen entscheiden, was sie tun wollen. Anleger kaufen, wenn sie davon überzeugt sind, dass ein Basiswert zukünftig steigen wird. Die Notenbank hebt die Zinsen an, wenn sie vom Aufschwung überzeugt ist.

Die US Notenbank ist überzeugt. Sie hat sich inzwischen auch schon lang genug ein Bild von der Lage gemacht. Die Grafik zeigt wie lange die Notenbank bereits nachdenkt. Die Zinsen sind seit 2008 auf unverändertem Niveau.

Andere Notenbanken sind in ihrer Entscheidungsfindung etwas schneller. Die EZB hob die Zinsen im Jahr 2011 kurzzeitig an, bevor sie sie auf 0,05% senkte. Dort verharren die Zinsen schon eine ganze Weile. Sie könnten jedoch noch weiter sinken. Dass so etwas geht haben die Schweiz (-0,75%) und Schweden (-0,35%) bereits gezeigt.

Viele Beobachter können sich eine Ausweitung des Anleihenkaufprogramms der EZB vorstellen. Einige Banken gehen von einer Ausweitung im ersten Quartal 2016 aus. Eine andere Möglichkeit wäre die Reduktion des Zinssatzes von 0,05% auf -0,05% auf dem Weg zu einer Ausweitung der Anleihenkäufe. Dieser Schritt wäre nur symbolisch, erscheint mir persönlich jedoch nicht so unrealistisch.

Die EZB hat größere Schwierigkeiten ihr Programm umzusetzen als die US Notenbank. Der europäische Markt ist deutlich illiquider als der US Anleihenmarkt. Zudem sind die einzelnen Emissionen der Staaten sehr viel kleiner als in den USA. Dort beträgt die Platzierung einer einzelnen Anleihe häufig 10, 20 oder 50 Mrd. Die meisten Eurostaaten leihen sich bei einer Auktion deutlich kleinere Summen im einstelligen Milliardenbereich.

Die EZB kann ihr Programm noch ausweiten, doch die Möglichkeiten sind begrenzt. Kommt es zu einer Ausweitung Anfang 2016 dann kann man fast mit Sicherheit sagen, dass das Programm nicht wie ursprünglich geplant im September 2016 ausläuft. Es ist auch bei regulärer Beendigung zweifelhaft, ob der Plan in den darauffolgenden Monaten eingehalten werden kann. Die US Notenbank brauchte ein Jahr um ihr Programm zu beenden. Die erste Zinsanhebung lässt noch auf sich warten.

Von den Prognosen der EZB Mitarbeiter lässt sich derzeit ein erster Zinsschritt im Jahr 2017 ableiten. Das wir nur geschehen, wenn das QE Programm 2016 regulär beendet wird. Davon geht der Zinsverlauf in der Grafik aus. Wird QE hingegen ausgeweitet, dann ist vor Mitte bis Ende 2018 nicht mit einer Zinsanhebung zu rechnen.

Andere Länder, die von den Maßnahmen der EZB betroffen sind, werden ihre Zinspolitik nicht entgegen der EZB Linie gestalten. Zu diesen Ländern gehören Schweden, Dänemark, Norwegen, die Schweiz und Großbritannien. Eine Zinswende ist hier ohne die EZB kaum vorstellbar. Es würde die Wirtschaft relativ schnell abwürgen.

Andere Industrieländer haben noch lange nicht das Zinstief erreicht. Zu diesen Ländern gehören Australien, Neuseeland und Kanada. Japan muss man gar nicht extra erwähnen. Diese Länder werden ihre Zinsen weiter senken, sofern die Finanzmarktstabilität nicht akut gefährdet ist. In Australien befindet sich der Häusermarkt auf dem Weg zu einer Blase. Die Bildung der Blase lässt sich kaum noch aufhalten. Die Entwicklung lässt sich etwas verlangsamen, wenn die Zinsen nicht zu rasch gesenkt werden.

Vor 2017 oder sogar 2018 haben viele Länder ihr Zinstief nicht erreicht. Die US Notenbank würde, so sie denn den ersten Zinsschritt Ende 2015 wagt, ziemlich allein dastehen.

Nachdem die Fed jahrelang auf den Zinsschritt hingearbeitet hat muss sie die Zinsen nun auch anheben. Tut sie es nicht, dann gerät der Finanzmarkt in große Turbulenzen. Was danach geschieht ist jedoch noch unklar. Die Notenbanker selbst sehen ab 2018 wieder das langfristig als normal angesehen Zinsniveau erreicht. Dieses wird momentan bei 3,5% gesehen.

Setzt die Fed ihre eigenen Erwartungen um, dann wird die Zinsdifferenz zu anderen Ländern so hoch wie seit 1980 nicht mehr sein. So stark sich die US Wirtschaft derzeit auch zeigt, so stark ist sie nicht. Notenbanker dürften ihre Erwartungen der Zinskurve über die nächsten Sitzungen deutlich nach unten revidieren.

Ein realistisches Szenario ist die Anhebung der Zinsen auf 2% bis Ende des Jahrzehnts. Das setzt voraus, dass die US Wirtschaft weiter mit einer Wachstumsrate von mindestens 2% expandiert. Sinkt das Wachstum auf 1,5%, dann dürfte die Fed die Zinswende schnell umkehren. Das sähe dann in etwa so aus wie bei der EZB im Jahr 2011. Persönlich gebe ich dieser Entwicklung die höchsten Chancen, also eine vorsichtige Zinsanhebung bis 0,5% oder sogar 1% und rasch darauf folgend wieder Zinssenkungen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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