Kommentar
20:10 Uhr, 24.05.2018

Zinskurve und Rezessionen: Prognosetool oder Zufall?

Weltweit flachen die Zinskurven ab. Während die einen schon morgen eine Rezession sehen, sind die anderen davon überzeugt, dass die Zinskurve Rezessionen nicht vorhersagt. Was stimmt denn nun?

In den USA scheint der Zusammenhang aus Zinskurve (Spread zwischen 10- und 2-jährigen Anleihen) und Wirtschaftswachstum ziemlich eindeutig zu sein. Ein negativer Spread sagte Rezessionen ziemlich zuverlässig voraus (Grafik 1). Das bedeutet allerdings nicht, dass jeder an diesen Zusammenhang glaubt.

Notenbanker können sich immer noch nicht so recht mit diesem Zusammenhang anfreunden. Sie halten die Vorhersagekraft zwar nicht unbedingt für Unsinn, würden ihre Geldpolitik aber auch nicht danach ausrichten. Der Zusammenhang könnte ja zufällig sein und nicht kausal.

Kausalität lässt sich zumindest auf der logischen Ebene leicht herleiten. Banken finanzieren sich kurzfristig. Sie leihen sich bei der Notenbank oder untereinander zum Leitzins oder leicht darüber Geld. Kredite werden mit längeren Laufzeiten vergeben. Banken verdienen daran, dass die Kredite länger laufen und höhere Zinsen abwerfen als ihr kurzfristiger Finanzierungssatz.

Steigen die kurzfristigen Zinsen nun über die langfristigen, ist es für Banken schwer, aus dem Zinsdifferenzgeschäft Geld zu machen. Sie verdienen nichts mehr oder nur noch sehr wenig. Es macht daher wenig Sinn, die Kreditschleusen offenzuhalten. Stockt die Kreditvergabe, stockt auch die Wirtschaft. Es kommt zur Rezession.

Diese Logik gilt überall auf der Welt. Dumm nur, dass die Zinskurve nicht auch überall die gleiche Wirkung hat wie in den USA. In Australien invertierte die Zinskurve mehrere Male seit 1990. Es gab allerdings nur eine einzige Rezession Anfang der 90er Jahre. Die Trefferquote von 25 % ist nicht wirklich berauschend.

Auch in anderen Ländern kommen Zweifel an der Aussagekraft auf. In Deutschland schrumpfte die Wirtschaft im vierten Quartal 2012 und ersten Quartal 2013. Deutschland befand sich damit offiziell in der Rezession. Die Zinskurve war weder davor noch danach invertiert oder nahe daran (Grafik 2).

Das kann man als Ausreißer abtun. Seit 1970 war die Zinskurve ein guter Maßstab. Die Kurve invertierte nicht jedes Mal, doch wenn man einen Spread um den Nullpunkt herum gelten lässt, gab es lediglich eine Fehlprognose (2012/13) in über 40 Jahren. Die Trefferquote ist gut.

Das Thema wird natürlich auch erforscht. Die Vorhersagekraft der Zinskurve ist demnach in vielen Ländern sehr hoch. Dies gilt insbesondere für die USA, Kanada und europäische Länder. Es gibt jedoch einen Haken. Die Vorhersagekraft nimmt über die Jahre ab. Von 1970 bis Ende der 90er Jahre konnte man auf die Zinskurve als Indikator wetten. Seither nimmt die Vorhersagekraft ab.

Meiner persönlichen Meinung kommt das unter anderem daher, dass die Zinsen in ihrem jahrzehntelangen Abwärtstrend ein Niveau erreicht haben, bei dem die Schwankungen des Zinsniveaus über den Konjunkturzyklus zu klein sind. Man denke nur an Japan, einen Extremfall. Die Zinsen haben sich fast 30 Jahre lang, nahezu unabhängig vom Konjunkturzyklus, kaum von 0 % entfernt. Kein Wunder, dass die Logik der Zinskurve keine Rolle mehr spielt.

Die Zinskurve ist als Maßstab nicht unfehlbar und je niedriger die Zinsen über einen Zyklus sind, desto geringer wird die Aussagekraft. Alles in allem ist die Vorhersagekraft aber durchaus gegeben und man sollte die Entwicklung ernst nehmen. Derzeit gilt dies insbesondere für die USA.

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

1 Kommentar

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Stockhorn
    Stockhorn

    Zinsen gehören/müssten sowieso abgeschafft werden. Das effektiv schlimmste was es gibt und schlicht eine Plünderung der ärmeren 90% der Bevölkerung.

    Einerseits wäre Zinsen schon in der Bibel verboten worden und das eigentlich aus gutem Grund.

    Andererseits ist unser ganzes Geldsystem zum Platzen wegen den Zinsen verdammt ohne Chance auf Ausweg. Ebenso wegen den Zinsen gibts Kriegen und Eroberungen mit entsprechendem Leid. Zinsen daher absolutes Teufelszeug. Aber ja, man kriegt es nicht weg, da eben nur die oberen 10% davon profitieren und auch entsprechend die Macht haben.

    Zinsen.. jaja, wird gleich kommen, Risikoentschädigung, usw.. alles Blödsinn. Schauen wir uns mal die Geldschöpfung an. Es wird immer nur der effektive Kreditbetrag geschöpft, aber nicht die Zinsen. Was passiert? Das Zinsgeld fehlt einfach. Ist wie ein Pyramidensystem. Man braucht immer neue Schuldner, damit die Zinsen getilgt werden können. Gibt es keine mehr, fliegt die ganze Pyramide auseinander, zwangsläufig, da das Geld für die Zinszahlungen fehlt. Daher muss man immer neue Schuldner generieren, sei es durch Krieg und Zerstörung, Eroberungen in anderen Ländern usw.. es führt kein Weg daran vorbei.

    Wer ist Zinsgewinner? Ja die oberen 10%, es braucht mehrere Millionen, bis man Zinsgewinner wird. Alle anderen müssen zahlen, sei es versteckt über in Produkten reinkalkulierten Zinsen, Steuern, wo ungefähr ein Fünftel nur Zinszahlungen sind, dazu die direkten Zinsen für Miete, Kredite usw. Heisst eben, automatische Umverteilung von arm zu reich.

    Es gibt genügend Ideen, das Zinssystem zu ersetzen. Sei es durch "Vermittlungsgebühren" bei Krediten, oder laufender Verfall von gehaltenen Geldguthaben usw..

    Man fragt sich einfach, warum sieht das die Bevölkerung nicht? Ja vermutlich Propaganda, wie gut das ist. Und jeder Banker stimmt dem natürlich zu. Sie sind die Hauptnutzniesser. Geld schöpfen aus dem Nichts und dazu noch Zinsen verlangen. Wenn ich das als Privater tun würde, wäre ich im Knast. Wäre wie Banknoten drucken zuhause und nachher dem Freund leihen und Zinsen dafür verlangen. Es wird wieder einen Kollaps brauchen von unserem Geldsystem, aber vermutlich würde nicht mal das reichen. Gäbe dann einfach eine neue Währung, ein Total-Reset und derselbe Mist würde natürlich MIT Zinsen wieder neu beginnen. Verlierer wären natürlich wieder die Armen, welche noch Papiergeld oder noch schlimmer Giralgeld halten und keine Sachwerte besitzen. Sie beim letzten Reset nach dem Krieg. Guthaben werden natürlich viel schlechter getauscht wie Schulden, das versteht sich auch, die verfallen dann natürlich nicht.

    Ja die Welt wird sich diesbezüglich nie bessern, da habe ich meine Hoffnung aufgegeben. Siehe nur die Lügen und Propaganda die zurzeit in der Schweiz läuft wegen der Vollgeld-Initiative, auch wenn die natürlich das ZInsproblem auch nicht löst.

    12:02 Uhr, 25.05. 2018

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten