Kommentar
08:57 Uhr, 23.12.2016

Zinsen steigen: Muss die US-Notenbank Fed nun neues QE auflegen?

Derzeit sieht eigentlich alles rosig aus. Die Lage ist sogar so rosig, dass die Notenbank im kommenden Jahr mehr Zinsschritte vorsieht als noch vor wenigen Monaten. Die Sache hat allerdings einen gewaltigen Haken.

Wer dachte, dass die vergangenen Jahre für die US-Notenbank herausfordernd waren, der hat 2017 noch nicht gesehen. Obwohl die Notenbank eine Mammutaufgabe vor sich hatte (QE beenden und Zinsen anheben), steht die eigentliche Bewährungsprobe möglicherweise erst noch bevor.

Die USA sind finanziell vom Rest der Welt abhängig. Das große Defizit in der Handels- und Leistungsbilanz wird wettgemacht, indem ausländische Investoren fleißig US-Anleihen kaufen. Nun treten diese Investoren allerdings in Käuferstreik.

Lesen Sie dazu auch: In diesem Markt herrscht Verkaufspanik

Grafik 1 zeigt die vom Ausland gehaltenen Staatsschulden. Es sind aktuell 6 Billionen Dollar oder ein ungefähres Drittel der Schulden. Bis Frühjahr 2016 war alles in Ordnung. Investoren kauften zwar weniger Anleihen, aber bauten ihre Bestände weiter auf. Seit einigen Monaten ist das nun nicht mehr der Fall. Der Rückgang wirkt in der Grafik noch bescheiden. Das liegt jedoch vor allem an der Darstellung (logarithmische Darstellung).

Das Dilemma lässt sich besser erkennen, wenn man den Anteil der vom Ausland gehaltenen Schulden an den Gesamtschulden betrachtet. Hier zeigt sich vor allem im letzten Quartal ein starker Rückgang, der wohl so schnell nicht umzukehren sein wird.

Wie dramatisch die Lage inzwischen ist, zeigt Grafik 2. Dargestellt ist die Entwicklung der letzten 5 Jahre. Seit Juni 2014 erhöhen die „Offiziellen“ (vor allem Notenbanken) ihre US-Anleihebestände nicht mehr. Bisher wurde dies durch einen höheren Appetit der Privatanleger ausgeglichen. Nun bröckelt auch hier das Interesse.

Insgesamt haben offizielle Stellen ihren Bestand um knapp 300 Mrd. reduziert. Nun kommen noch Reduktionen bei Privatanlegern hinzu. Die Größenordnung ist hier bisher eine ganz andere. Der Rückgang ist noch frisch und beläuft sich derzeit auf lediglich 18 Mrd. Dollar.

Extrapoliert man den Rückgang der letzten Monate auf ein Kalenderjahr, dann ist von einer Bestandsreduktion von 500 Mrd. auszugehen. Gleichzeitig steigen die Staatsschulden derzeit mit einer Rate von 500 Mrd. pro Jahr. 1 Billionen USD müssen irgendwie finanziert werden. Nachdem das Ausland Anleihen abstößt, müssen heimische Anleger einspringen.

Bis zu einem gewissen Grad ist das möglich. US-Investoren haben im Ausland etliche Billionen geparkt. Ein Teil kann zurückgeholt und in Anleihen investiert werden. Das geschieht nicht von heute auf morgen und viele dürften auf noch höhere Zinsen warten.

Es ergibt sich nun also die Situation, dass ausländische Investoren Anleihen abstoßen. Inländer sind nur bereit zu investieren, wenn die Zinsen höher sind. Das kann auf Sicht mehrerer Monate zu einem weiteren Zinsanstieg führen, der die Notenbank beunruhigen dürfte. Ein schnelles Ende ist zudem nicht in Sicht.

Grafik 3 zeigt die vom Ausland gehaltenen Schulden und den Dollar Index. Die Zeitreihen verlaufen gegensätzlich. Wertet der Dollar auf und steigen die Zinsen, ziehen ausländische Investoren ihr Geld aus Anleihen ab. Das würde auf den ersten Blick eigentlich für einen fallenden Dollar sprechen. Dass der Dollar nicht fällt, liegt an der Repatriierung ausländischer Anlagen von US-Investoren. Dieses Geld fließt jedoch erst einmal nicht in Anleihen, sondern in Aktien.

Der aktuelle Trend ist gut für Aktien. Amerikaner holen ihr Geld heim und stecken es in den Aktienmarkt. Anleihen will derzeit (noch) niemand haben. Das kann dazu führen, dass die Zinsen für 10-jährige Anleihen rasch ansteigen – und zwar deutlich über das Maß hinaus, welches die Wirtschaft vertragen kann.

Bei der letzten Umwälzung in den Jahren 1998 bis 2001 stiegen die Zinsen von 4,4 % auf 6,8 %. In den 80er Jahren kam es zu einem Anstieg von 10,2 % auf 13,9 %. Im aktuellen Zyklus muss man mindestens mit einem Anstieg auf 3,5 % rechnen. Die Lage ist heute jedoch schwieriger als in den letzten Zyklen.

China kämpft derzeit mit allen Mitteln gegen eine unkontrollierte Abwertung der eigenen Währung. Das Finanzsystem steht unter enormen Stress. Notkredite von knapp 100 Mrd. Dollar mussten über Nacht vergeben werden. China und andere Halter von US-Anleihen könnten gezwungen sein ihre Bestände noch schneller abzubauen als zuletzt. Die Folge wäre ein regelrecht unkontrollierter Zinsanstieg in den USA.

Die Notenbank kann dagegen wenig tun. Zinsschritte auszusetzen hilft wenig. Das hält den Trend nicht auf, kann ihn aber immerhin verlangsamen. Das könnte alles viel zu spät und zu gemächlich passieren. Will die Notenbank einen Zinsschock vermeiden, muss sie die fehlende Nachfrage nach Staatsanleihen selbst füllen. Es fehlt an alternativen Investoren. Um das Angebot an Anleihen abzufischen, könnte die Notenbank gezwungen werden QE4 aufzulegen, nicht, um die Zinsen zu senken, sondern um sie nicht unkontrolliert steigen zu lassen.

Clemens Schmale

Sie interessieren sich für Makrothemen und Trading in exotischen Basiswerten? Dann folgen Sie mir unbedingt auf Guidants!

Lernen, traden, gewinnen

– bei Deutschlands größtem edukativen Börsenspiel Trading Masters kannst du dein Börsenwissen spielerisch ausbauen, von professionellen Tradern lernen und ganz nebenbei zahlreiche Preise gewinnen. Stelle deine Trading-Fähigkeiten unter Beweis und sichere dir die Chance auf über 400 exklusive Gewinne!

Jetzt kostenlos teilnehmen!

1 Kommentar

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Kostolany: "Es gibt keine Sauerei, die man einer Notenbank nicht zutrauen sollte". Wenn es nötig wird, tut die Fed es halt. Ich sehe darin für Aktien eher ein positives Szenario. So gibt es wieder mehr Liquidität... ;)

    19:40 Uhr, 23.12.2016

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten