Kommentar
08:22 Uhr, 23.12.2017

Zinsen erstmals seit 2008 wieder höher als Dividenden

Die hohe Bewertung des Aktienmarktes wird immer wieder durch niedrige Zinsen gerechtfertigt. Nun sind die Zinsen wieder höher als die Dividendenrendite. Ein böses Omen?

Auf den letzten Metern des Jahres 2017 gibt es noch eine kleine Sensation. Erstmals seit 2008 sind die kurzfristigen Zinsen höher als die Dividendenrendite des S&P 500 (siehe Grafik). Kurzfristzinsen sind definiert als die Rendite von 2-jährigen US-Staatsanleihen.

Die Dividendenrendite war in diesem Zyklus generell nicht sonderlich hoch. Sie erreichte kurzfristig 3 % als die Kurse 2008 in sich zusammenfielen. Seither schwankt die Rendite um den Wert von 2 % herum. Dank der Rallye der letzten Monate liegt die Rendite nun mit ca. 1.8 % deutlich darunter.

Die kurzfristigen Zinsen sind seit 2014 im Aufwärtstrend. Sie orientieren sich stark am Leitzins. Dieser liegt zwar aktuell nur in der Range von 1,25-1,5 %, doch es ist absehbar, dass die Notenbank den Leitzins noch ein paar Mal anheben wird.

Anlegern, denen es auf einen stabilen Ertrag ankommt, sind inzwischen mit Anleihen deutlich besser dran als mit Aktien, bei denen sie hohe Schwankungsbreiten in Kauf nehmen müssen. Das Kursrisiko ist bei Anleihen mit kurzer Laufzeit recht begrenzt.

Anleihen bieten inzwischen wieder eine Alternative zu Aktien, wenn es um eine moderate Renditeerwartung geht. Das Argument vom Anlagenotstand zieht kaum noch, zumindest in den USA nicht. In Europa und Japan sind Dividendenrenditen noch immer ungeschlagen.

Für den Aktienmarkt muss das kein Todesstoß sein. Von 1964 bis 2008 lagen die Zinsen fast durchgängig über der Dividendenrendite. Aktien konnten trotzdem steigen und erlebten sogar von 1980 bis 2000 einen außerordentlichen Bullenmarkt.

Bis 1964 war man als Anleger gut beraten, wenn man Aktien bei einer Inversion des Spreads (Zinsen höher als Dividendenrendite) verkaufte. Wer sich ab 1964 daran hielt, hätte sehr viel Rendite liegen lassen. Panikverkäufe von Aktien sind also nicht unbedingt angebracht.

Ein bisschen merkwürdig ist die Phase von 1964 bis 2008 allerdings schon. Eigentlich sind Aktien riskanter als Anleihen. Wer als Anleger vor allem eine sichere Rendite sucht, ist mit Anleihen besser beraten. Es gibt also handfeste Gründe, weshalb Anleger nun auf Anleihen umschwenken sollten.

Dass sie es fast 50 Jahre lang nicht taten, ist etwas bizarr. Anscheinend hat sich das Anlegerverhalten grundlegend verändert und die Dividendenrendite ist absolut nebensächlich. Ginge es vor allem um diese Rendite, gibt es kein Argument für Aktien und gegen Anleihen. Anleger scheinen sich jedoch vielmehr auf Kurssteigerungen zu fokussieren und nicht auf Dividenden. Anders lässt sich das Verhalten kaum erklären.

Aus diesem Grund müssen höhere Zinsen den Aktienmarkt nicht sofort belasten. Ein wesentlicher Unterschied zu der Zeit vor 2008 (ausgenommen die Übertreibung zur Jahrhundertwende) ist allerdings, dass Aktien anhand des KGV deutlich geringer bewertet waren als heute. Kurssteigerungen konnten also auch erwartet werden. Heute ist das nicht mehr der Fall.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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