Zertifikatemarkt zwischen Boom und Crash
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Bei den beiden vom Deutschen Derivate Verband (DDV) zuletzt veröffentlichten Marktstatistiken zeigt sich diesmal ein sehr differenziertes Bild, da sich die von der European Derivatives Group (EDG) im Auftrag des DDV monatlich bei 16 Banken erhobene Volumenstatistik noch auf den relativ harmlosen Juli bezieht, als vieles an den Märkten zumindest oberflächlich gesehen noch weitgehend in Ordnung schien, während die erfassten Börsenumsätze in Stuttgart und Frankfurt schon den August-Crash dokumentieren.
Die Ruhe vor dem Sturm
So bewegte sich das Volumen im Juli mit einem nur sehr geringen Minus von einem Prozent hochgerechnet auf den Gesamtmarkt noch auf einem Niveau von 109,1 Mrd. Euro und hielt sich preisbereinigt sogar stabil. Dies galt auch für das unveränderte Verhältnis zwischen Anlage- und Hebel-Produkten von 98,6 zu 1,4 Prozent, wobei der Rückgang auf Monatsbasis bei den „Zocker“-Papieren mit drei Prozent und hier speziell bei den Knock-Outs mit fast fünf Prozent deutlicher ausfiel als im Anlagesegment.
Discounter überholen Express-Produkte
Auf Produktkategorie-Ebene verloren Kapitalschutz-Produkte (-0,8 Prozent) bei den Garantie-Zertifikaten wieder leicht auf die kupontragenden strukturierten Anleihen (+0,3 Prozent), was den dominanten Marktanteil von zusammen über 62 Prozent aber kaum belastete. Besonders auffällig auf den ersten Blick der Anstieg von 16 Prozent bei Outperformern und Sprintern, die allerdings im Monat zuvor noch mit 23 Prozent unter die Räder geraten waren. Damit scheint es bei diesen zahmen Hebel-Varianten, die jedoch nur einen verschwindend geringen Marktanteil von 0,2 Prozent besitzen, einen eindeutigen Nachholbedarf gegeben zu haben. Ebenfalls gut dabei Discounter mit einem Plus von 2,5 Prozent, die von dem Auf und Ab an den Märkten im Juli besonders profitieren konnten. Da Express-Papiere nach ihrem Rückgang im Vormonat um 6,5 Prozent abermals mit 7,5 Prozent auf der Verliererstraße waren, mussten sie nun ganz eindeutig die zuletzt immer stärker aufkommenden Rabatt-Papiere an sich vorbei ziehen lassen, deren Anteil sich nun auf 8,2 Prozent beläuft, während die „schnellen Seitwärtskünstler“ nur noch auf 7,4 Prozent kommen. Damit sind Discounter nach den beiden Formen von Garantie-Produkten wieder die stärkste Klasse am Zertifikatemarkt. Dahinter folgen mit Verlusten von jeweils mehr als vier Prozent Bonus- und Delta-1-Zertifikate (Index-/Partizipations-Produkte) mit einem Marktanteil von sechs bzw. 5,8 Prozent. Ihre Talfahrt immer noch nicht ganz stoppen konnten Aktienanleihen mit einem Minus von diesmal nur noch 2,7 Prozent auf ein Gewicht von beachtlichen 4,9 Prozent. Vor der Steuerreform 2009 hatten sie noch unter einem Prozent gelegen.
Basiswert-Feintuning wie bei Börsenumsätzen
Eine formale Änderung gab es bei der Klassifizierung der Basiswerte, die nun auch beim Marktvolumen an die Börsenumsatzstatistik angelehnt wird mit einer Einteilung nach Indizes, Aktien, Rohstoffe, Währungen, Zinsen und Fonds. Für den Betrachter bedeutet dies de facto, dass sich im Anlagebereich das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Aktien und Renten nun in einen Dreikampf zwischen Indizes (27,1 Prozent Marktanteil), Aktien (22,6 Prozent) und Zinsen (47 Prozent) verwandelt hat. Für Hebel-Produkte gilt ähnliches, wobei die im Vormonat noch mit über 76 Prozent klar dominierende Klasse Aktien ebenfalls in Indizes (30,3 Prozent) und Aktien (41 Prozent) zerschlagen wurde. Beide Kategorien verloren hier deutlich, während die beim spekulativen Investor besonders beliebten Rohstoffe, die jetzt nicht mehr zusammen mit den Währungen geführt werden mit einem stolzen Plus von über 31 Prozent aufgrund des Preisanstiegs im Juli förmlich explodierten. Währungen, die bei Anlage-Papieren überhaupt kein Standing besitzen, verloren dagegen durch die Neuordnung mit einem Anteil von lediglich 4,3 Prozent bei Hebel-Produkten ebenfalls stark an Bedeutung.
Anlagemarkt im August rotiert
Von Ruhe konnte bei der Börsenumsatzstatistik für den Schreckensmonat August, der als einer der schlechtesten in die Finanzmarkt-Geschichte eingehen wird, keine Rede sein, schossen die Umsätze in Stuttgart und Frankfurt doch gleich um 69 Prozent auf 7,69 Mrd. Euro nach oben. Auch die Transaktionszahl nahm fast gleichstark zu. Dafür war diesmal aber weniger das wilde Hin- und Her-Gezocke mit diversen Heben-Papieren ausschlaggebend, die ihrerseits dennoch für einen Anstieg von gut 52 Prozent sorgten, sondern vielmehr die Transaktionen mit Anlage-Produkten, die umsatzmäßig sogar über 85 Prozent zunahmen. Besonders rege gehandelt dabei neben den Volatilitätsgewinnern den Discountern mit einem Umsatzzuwachs von fast 87 Prozent, Bonus-Produkte mit einem Plus von knapp 96 Prozent, deren Barrieren im August reihenweise gerissen wurden. Noch einen höheren Umsatz verzeichneten nur Index- und Partizipations-Zertifikate, die um über 125 Prozent gegenüber dem Vormonat zulegen konnten. Meist gehandelt bei den Basiswerten wie üblich Indizes mit einem Umsatzsprung von rund 132 Prozent. Auch in der Emittentenrangliste zeigte sich das vertraute blau-gelb-grüne Bild, d.h. Deutsche Bank vor Commerzbank und weit abgeschlagen der BNP Paribas.
Produktzahl explodiert
Ein außergewöhnlicher Markt verlangt auch ebensolche Anstrengungen, wie sich an den über 222.000 Neuemissionen im August zeigte. Diese neuerliche Produktflut katapultierte die Zahl der angebotenen Papiere auf Monatsbasis um über 70.000 auf eine noch nie dagewesene Menge von 837.929 Listings. Die Millionenmarke dürfte bei einem solchen Produktboom wohl nur noch eine Frage der Zeit sein.
Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/zertifikate
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