Kommentar
08:13 Uhr, 02.07.2008

Zertifikate-Award Platz 2: Der Fiskus spielt nicht mit

Gestern hatten wir uns an dieser Stelle dem Zertifikat des Jahres gewidmet, das Anleger im Rahmen der letztjährigen Zertifikate-Award-Verleihung auswählten. Natürlich gibt es auch bei diesem Kontest nicht nur erste Plätze. So folgte als „zweiter Sieger“ nur ganz knapp hinter dem Vietnam-Produkt mit immerhin 4.275 gegenüber 4.527 Stimmen ein Papier der HypoVereinsbank auf den Euro STOXX 50 aus der damals gerade neu aus der Taufe gehobenen ExpressBonus Extra Reihe, die unter anderem das Ziel verfolgte, dem Anleger eine besondere Form der Steueroptimierung zu bieten.

Der Grundgedanke des Konzepts war vor dem Hintergrund der für Zertifikate ziemlich abstrusen Abgeltungssteuerrichtlinien ebenso einfach wie genial: Man kombiniere eine ganz normale Express-Chance mit einer anschließenden innovativen Bonus-Struktur und terminiere dabei das Ganze so, dass der Investor im Erfolgsfalle die Übergangsregelung bis zum 30. Juni 2009 für sich noch steuerfrei nutzen kann, einen möglichen Verlust allerdings automatisch mit dem Fiskus in Form einer späteren Verrechnungsmöglichkeit teilt. So sah die Express-Komponente eine vorzeitige Rückzahlung nach 14 Monaten bei einem Indexstand von mindestens 95 Prozent des Ausgangsniveaus (4364,40 Punkte) vor. Sollte diese Tilgungs-Chance zum 28. November 2008 incl. einer Express-Zahlung von 9 Prozent nicht gelingen, so wäre die Zeit für die Bonus-Struktur gekommen, deren 40-prozentiger Sicherheitspuffer hier allerdings nicht wie gewöhnlich für die gesamte bisherige Laufzeit, sondern nur für den Zeitraum zwischen dem ersten und zweiten Bewertungstag aktiv sein sollte. Darin bestand das Extra. Da der zweite Stichtag noch innerhalb der für Zertifikate steuergünstigen Übergangszeit liegt, könnte bei unverletzter Schwelle gerade noch rechtzeitig eine Rückzahlung des Nennwertes incl. eines zusätzlichen Bonus von 15 Prozent erfolgen. Um das ganze Steuersparmodell zu komplettieren, war für den Fall einer zerstörten Bonus-Struktur für den 17. August 2009 noch ein letzter Stichtag vorgesehen, an dem dann der zu erwartende Verlust im Rahmen der neuen Abgeltungssteuerregelung geltend gemacht werden sollte.

Wie die häufige Verwendung des Konjunktivs bereits vermuten lässt, hat die HVB zusammen mit dem Anleger leider die Rechnung ohne die modernen Inquisitoren des Staatssäckels gemacht, bei denen ja seit dem vergangen Jahr bekanntlich Hexenwerk nur den einen Namen zu tragen scheint: „Zertifikat“. Denn kaum hatten sich das beschriebene, sowie einige weitere Steueroptimierungs-Produkte herumgesprochen, da ließ auch schon ein neues in Grundzügen von der FTD veröffentlichtes BMF-Schreiben des Bundesfinanzministeriums nichts Gutes für die kreative Zertifikatebranche erahnen. Im Fachjargon heißt das ganz lapidar Gestaltungsmissbrauch. Die Folge für den gutgläubigen Besitzer eines „ExpressBonus Extra“ besteht nun darin, dass die mit diesen Papieren erzielten Gewinne natürlich steuerfrei bleiben, sofern die alte 12-monatige Spekulationsfrist eingehalten wird. Einer späteren Verlustanrechnung zeigt der hier besonders eifrige Gesetzgeber dagegen die rote Karte, so dass die Miesen dann wohl nicht anerkannt werden dürften.

Der BörseGo Tipp:

Betrachtet man die Märkte, dürfte es die Express-Komponente mit einem Call-Level bei 4.146,18 Punkten Ende des Jahres schwer haben. Allerdings besteht dann zumindest noch die Hoffnung, dass die bei 2.618,64 liegende Barriere zwischen Ende November 2008 und Mitte Juni 2009 halten könnte und die 15-prozentige Bonus-Chance aufgeht.

DJ Euro STOXX 50 ExpressBonus Extra Zertifikat

Emittent/WKN:

HypoVereinsbank / HV5S76

Laufzeit:

24.08.2009 (letzte Fälligkeit)

Preis: (01.07.2008)

Geld / Brief: 91,50 € / 92,40 €

Autor: Armin Geier, http://www.godmode-trader.de/investmentcertificates/overview

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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