Fundamentale Nachricht
14:09 Uhr, 05.07.2023

Zentralbanken zeigen restriktive Haltung aufgrund anhaltender Inflation

Gilles Moëc, AXA Group Chief Economist and Head of AXA IM Core Investments Research, kommentiert die neusten Entwicklungen im Kampf gegen die weltweite Inflation sowie zur aktuellen wirtschaftlichen Situation in Deutschland, Europa und den USA.

Zentralbanken

„Mit Ausnahme der Bank of Japan haben alle Zentralbanken in der vergangenen Woche in Sintra eine restriktive Haltung eingenommen. Obwohl sie sich dazu entschieden haben, ausweichend auf die Höhe und den Zeitpunkt der nächsten Zinserhöhungen einzugehen, sind sie ausreichend besorgt über die anhaltende Inflation, um den Markt davor zu warnen, Zinssenkungen zu früh nach dem Höhepunkt der Straffung einzupreisen. Eine langanhaltend restriktive Geldpolitik wird der Wirtschaft zwar erheblichen Schaden zufügen, aber sie sind offensichtlich zu dem Schluss gekommen, dass es keine schmerzfreie Landung geben wird.“

„Aus makroökonomischer Sicht ist der Verlust umso größer, je länger sich die Zentralbanken in einem restriktiven Umfeld bewegen. Doch eben weil sie sich inzwischen mit dem Gedanken abgefunden haben, dass ein signifikanter Schaden nötig ist, um die Inflation zu senken, kann ihre Kommunikation unverhohlen hawkish ausfallen.“

Europa und Deutschland

„In einigen südlichen Ländern Europas ist die Inflation bereits deutlich zurückgegangen. In Spanien fiel sie unter zwei Prozent im Jahresvergleich und in Frankreich gab es nie eine so rasant steigende Inflation, wie sie in den meisten Ländern des Euroraums zu beobachten war. In Deutschland allerdings liegt die Inflation weiterhin über dem Durchschnitt des Euroraums, und auch die Löhne dürften in den kommenden Quartalen weiter steigen. In Anbetracht der Größe des Landes wird das Ergebnis der Lohn-Preis-Spirale wahrscheinlich bestimmen, wie weit die EZB gehen muss, um die Inflation zu stoppen.“

„Der aussagekräftigste Punkt, den wir anhand der vorläufigen Schätzung für Juni - und somit unvollständigen Daten - machen können, ist, dass sich die Inflation im Dienstleistungssektor im Jahresvergleich zu stabilisieren scheint, wenn man Deutschland außer Acht lässt. Das mag zwar nicht besonders bedeutsam erscheinen, bringt aber dennoch eine gewisse Erleichterung, da wir gerade im Dienstleistungssektor aufgrund seiner Sensibilität gegenüber den Arbeitskosten nun den stärksten zugrundeliegenden Druck sehen dürften.“

„In Deutschland, dessen Wirtschaft aus unserer Sicht maßgeblich für die künftige Geldpolitik der EZB sein wird, planen die Unternehmen, weniger Mitarbeiter einzustellen, was zu einer Korrektur des Arbeitsmarktes führen wird. Sie wird benötigt, um die Lohnverhandlungen zu bremsen und die Unternehmen davon zu überzeugen, die bereits feststehenden Lohnanhebungen selbst aufzufangen – mit Folgen für ihre Margen. Aber noch ist die Lage nicht eindeutig, und die unerwartet niedrige Kerninflation im Juni dürfte die EZB nicht von ihren Plänen für das Juli-Meeting abbringen. Damit sie von einer Zinserhöhung im September absieht, müssen die Daten noch schlechter werden und es muss noch mehr Anzeichen dafür geben, dass die Kerninflation zurückgeht.“

„Die Ansicht, dass die Rezession von einer "technischen" zu einer "richtigen" Rezession übergehen wird, gewinnt in Deutschland zunehmend an Konsens. Die drei wichtigsten Wirtschaftsinstitute erwarten keinen spürbaren Aufschwung nach dem Rückgang des BIP im vierten Quartal 2022 und im ersten Quartal 2023. Alle Institute prognostizieren einen Rückgang des BIP im Jahresdurchschnitt für 2023, wobei das IFO-Institut am unteren Ende der Skala liegt (-0,4 Prozent), gefolgt vom IFW (-0,3 Prozent) und dem DIW (-0,2 Prozent).“

„Es ist noch nicht zu spät, die zweite Inflationswelle zu stoppen, die derzeit eindeutig die Hauptsorge der EZB ist. Selbst wenn es zu lange dauert, bis die Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt auf die Löhne durchschlägt, könnte zumindest die geringere Nachfrage die Unternehmen dazu bewegen, den Anstieg der Lohnstückkosten in ihren derzeit üppigen Gewinnspannen aufzufangen. Dieses Muster könnte nun auch in den USA wirksam sein.“

USA

„In den USA bestätigte die Kerninflation im Mai ihren Abwärtstrend, aber die Fed dürfte sich auf Signale dafür konzentrieren, dass die übermäßige Nachfrage noch nicht abgebaut ist. So gesehen war die Aufwärtskorrektur des BIP im 1. Quartal ein Rückschlag. Dennoch hat sich der Konsum seit Februar quasi seitwärts entwickelt, vor allem, weil die Sparquoten steigen. Aus unserer Sicht reicht das noch nicht aus, um die Fed zu überzeugen, aus der aktuellen Zinspause ein dauerhaftes „Standby“ zu machen. Genau wie für die EZB steht für sie zurzeit der Arbeitsmarkt im Vordergrund. Deshalb sind die in dieser Woche erscheinenden Beschäftigungszahlen maßgeblich, aber wir gehen davon aus, dass selbst unerwartet schwache Daten den Offenmarktausschuss noch nicht dazu veranlassen würden, die Zinsen über den Sommer hinweg stabil zu halten. Dazu müssten sie schon längere Zeit schwach bleiben.“