Zentralbanken wappnen sich gegen die Inflation
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Die Bank of England (BoE) hat als erste die Zinsen angehoben, während die Federal Reserve (Fed) bereit für die Rückführung ihrer Anleihekäufe ist. Das ist eine bedeutende Veränderung in der globalen Geldpolitik, aber kein Taper-Tantrum und kein Zinsschock. Vorerst können sich Anleihen und Aktien weiter gut entwickeln. Das große Risiko besteht jedoch darin, dass die Märkte einen möglicherweise ungewöhnlichen Straffungszyklus kollektiv falsch bewertet haben.
Inflation rückt in den Fokus
Die Zentralbanken wappnen sich für den Kampf gegen die Inflation. Im nächsten Jahr werden die geldpolitischen Bedingungen verschärft. Dies geschieht zwar etwas früher als es bei einer niedrigeren Inflation der Fall gewesen wäre, aber es war ohnehin absehbar. Angesichts der Inflationszahlen, die immer wieder nach oben überraschen, ist eine „Normalisierung“ der Geldpolitik nun dringlicher geworden. Die Anleihemärkte haben sich mit der Vorstellung abgefunden, dass die Normalisierung schrittweise erfolgen und der Inflationsdruck im Jahr 2022 nachlassen wird. Das Risiko besteht darin, dass die Märkte den kommenden Zyklus nicht richtig einpreisen – was verständlich ist, da wir in neuerer Zeit noch nie einen Wachstums- und Inflationsschub nach einer Pandemie erlebt haben. Das bedeutet ein gewisses Aufwärtsrisiko bei den Zinsen.
Unterschiedliche Vorgehensweisen
Nicht alle geldpolitischen Straffungen sind einheitlich. Die BoE scheint sich in ihren gelpolitischen Entscheidungen nicht von anderen Zentralbanken beeinflussen zu lassen. In den USA bedeutet die Sensibilität für Kommunikation, dass alles im Voraus angekündigt wird, damit die Märkte Zeit haben, sich auf die Reduzierung der Anleihekäufe und die voraussichtlichen drei Zinserhöhungen im Jahr 2022 einzustellen. In Europa ist es schwer, vom Status quo wegzukommen, und dabei geht es wie immer um Kompromisse. Die „Falken“ in Europa wollen eine schnellere Normalisierung, die „Tauben“ sind besorgt, dass dies zu einer erneuten Spaltung der Märkte und zu einer Ausweitung der Spreads unter den staatlichen Emittenten im Euroraum führen könnte. Unabhängig davon, was mit dem Pandemie-Notfallankaufprogramm (PEPP) und dem Programm zum Ankauf von Vermögenswerten (APP) geschieht, werden die Märkte die Spreads griechischer und italienischer Anleihen beobachten, um zu sehen, ob die Europäische Zentralbank (EZB) in der Lage ist, die Herausforderungen einer höheren Inflation in der Zone zu bewältigen. Wenn die Zeichen schlecht stehen, werden der Euro und europäische Vermögenswerte enttäuschen.
Jetzt heißt es abwarten
Die Maßnahmen der Zentralbanken stellen noch keinen vollständigen Angriff auf die aktuelle Wachstums- und Inflationsdynamik dar. Die monetären Konditionen werden sich zwar straffen, aber von einer sehr akkommodierenden Basis aus. Für die Märkte ist das derzeitige Endspiel keine große Herausforderung. Die US-Notenbank hält an ihrer langfristigen Zinserwartung für die Federal Funds Rate von 2,5 Prozent fest (was angesichts der voraussichtlichen Inflationsentwicklung real null ist). In Europa werden wir 2022 wahrscheinlich keine Zinswende sehen. Am Futures-Markt liegen die Drei-Monats-Sterling-Sätze in den nächsten drei Jahren über 1,25 Prozent. Kurzfristig dürfte dies der Stand der Dinge sein. Die Fed wird auf ihrer nächsten Sitzung Ende Januar voraussichtlich nichts mehr unternehmen, da die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass die Omikron-Variante im neuen Jahr in den USA weit verbreitet sein wird. Das Gleiche gilt für die EZB und die BoE. Die britische Zinserhöhung ist in der Tat unangenehm, da die täglichen Infektionsraten auf 100.000 oder mehr steigen und Teile der Wirtschaft bereits wieder unter der staatlich verordneten oder freiwilligen sozialen Distanzierung leiden.
Alternative Credit-Anlagen erscheinen aussichtsreich
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass die Märkte zumindest den wahrscheinlichen kurzfristigen Zinspfad eingepreist haben, könnten sich Risikoanlagen in den nächsten Monaten relativ stabil entwickeln. Vieles wird natürlich von den Inflationsdaten abhängen, und das jüngste erneute Hochschießen der Erdgaspreise bestätigt das kurzfristige Aufwärtsrisiko. Eine vierteljährliche Überprüfung der Prognosen für verschiedene Anlageklassen von AXA Investment Managers (AXA IM) hat einen allgemein konstruktiven Ton für Credit, Schwellenländer und Aktien ergeben. Besonders hervorzuheben sind alternative Credit-Anlagen wie Asset-Backed Securities und Collaterised Loan Obligations (CLOs). Die Kreditqualität ist gut, die Spreads dieser Instrumente sind im Vergleich zu festverzinslichen Anleihen attraktiv und sie haben kein Durationsrisiko. In einem Ranking der von AXA IM untersuchten Anlageklassen liegen Leveraged Loans, CLOs, Small-Cap-Aktien und China derzeit unter den ersten zehn. Am Ende des Rankings finden sich vor allem Kernzinsanlagen.
2022 birgt viele Unsicherheiten
In diesem ungewöhnlichen und vom Coronavirus geprägten Jahr haben die Märkte starke Aktienrenditen und flache Anleiherenditen geliefert. Rückblickend hätte auch genau das in einer Welt der Nullzinsen und eines über dem Trend liegenden Wirtschaftswachstums passieren müssen. Kurzfristig werden wir jetzt ein wenig ins Stottern geraten. Das Jahr 2022 birgt eine Menge Unsicherheiten. Erstens mit der Frage, welche Auswirkungen die Omikron-Variante haben wird. Zweitens mit der Inflation und der Frage, ob weitere Störungen den angebotsbedingten Preisdruck verlängern werden. Drittens die Politik und die Tatsache, dass die amtierenden Staatsoberhäupter in einer Reihe westlicher Demokratien Probleme haben. Joe Bidens Popularität ist gesunken, Boris Johnson hat gerade eine demütigende Nachwahlniederlage erlitten, und Emmanuel Macron steht vor einer schwierigen Herausforderung bei den Präsidentschaftswahlen. Die neue deutsche Regierung hat sich noch nicht bewährt, und Mario Draghi könnte das Amt des Premierministers gegen das des Präsidenten tauschen.
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