Kommentar
08:20 Uhr, 09.09.2015

Zentralbanken: Wann kommt das Umdenken?

Zentralbanken haben es sich in den letzten Jahren zu Eigen gemacht Versprechen zu geben, die sie nicht halten können. Es wird Zeit umzudenken.

Zentralbanken haben Mandate zu erfüllen. Je nach Land variieren diese Mandate. Die meisten Zentralbanken haben jedoch mindestens ein Ziel gemeinsam: Inflation. Vor wenigen Jahren ging es noch darum, Inflation zu bekämpfen. Heute versuchen Zentralbanken, Inflation zu erzeugen. So schnell können sich die Zeiten ändern.

Um die Inflation anzuheben, haben Zentralbanken nicht nur die Zinsen gesenkt, sondern auch Inflationsziele ausgegeben. Die Zielinflation soll die Erwartungen der Marktteilnehmer festigen. Gerade im derzeitigen Umfeld ist es wichtig, dass Unternehmen und Konsumenten nicht an Deflation zu glauben beginnen. Der Gedanke der Notenbanken ist dabei sehr einfach. Sie geben ein Inflationsziel aus und bedienen sich des Vertrauens der Menschen. Diese, so wird es angenommen, vertrauen darauf, dass die Notenbank das Inflationsziel erreichen kann.

Durch Inflationsziele verankern Notenbanken die langfristige Erwartung von allen Beteiligten. Wie lange diese aber noch daran glauben, dass die Notenbanken die ausgegebenen Ziele überhaupt erreichen können, ist fraglich. Grafik 1 zeigt, wo sich die derzeitigen Inflationsraten befinden und wo die Zielraten liegen.

Die meisten Notenbanken verfehlen ihr Ziel. Dabei liegen die Inflationsraten systematisch zu niedrig. Ausnahmen gibt es. Diese Ausnahmen finden sich in Brasilien, Ghana, Indonesien und Russland. Hier sind vor allem Sonderfaktoren für ein Überschießen der Zielraten verantwortlich. In Russland ist es eine Mischung aus Währungskollaps, Rohstoffpreisen und Sanktionen, in Brasilien und Ghana ebenso wie in Indonesien sind es die abwertenden Währungen.

Ein Großteil der westlichen Welt befindet sich am Rande der Deflation. Überraschend sind auch die sehr niedrigen Teuerungsraten in einigen Entwicklungsländern wie z.B. im Vietnam, in Indien oder in Pakistan. Trotz schwacher Währungen wird das Inflationsziel nicht erreicht. In Thailand sinken die Preise sogar.

Grafik 1 zeigt letztlich nur eine Momentaufnahme. Grafik 2 zeigt die Zielinflation und die tatsächlichen Teuerungsraten der USA, der Eurozone und Japans. Die EZB ist bisher am erfolgreichsten das Inflationsziel noch einigermaßen glaubwürdig zu vertreten. Seit Einführung des Euros befand sich die Inflation näher am Ziel als die Raten der anderen Länder. In Japan ist das 2% Ziel ohnehin nur Makulatur und in den USA werden 2% auch mehr zufällig als beabsichtigt erreicht.

Im Vergleich zur EZB, Fed und Bank of Japan sind andere Notenbanken nicht schlechter. Brasilien (Grafik 3) hat ein Zielband ausgegeben. Zwischen 2005 und 2014 wurde dieses prinzipiell eingehalten. Jetzt droht eine temporär hohe Inflationsrat wie 2002 und 2003.


Ein Zielband erhöht die Trefferquote per Definition. Notenbanken haben eine größere Range, in der das Ziel als erreicht angesehen werden kann. Solche Zielbänder helfen nicht überall. Grafik 4 zeigt das Zielband und die tatsächliche Entwicklung in Australien. Hier gilt, was in den USA zu beobachten ist: das Inflationsziel wird immer mal wieder getroffen, jedoch mehr zufällig als geordnet.

Südkoreas Notenbanker zweifeln inzwischen offen an der Sinnhaftigkeit von Inflationszielen. Sie sind unter den ersten Zentralbankern, die offen über die Augenwischerei sprechen. Südkorea hat noch keine Alternative ausfindig gemacht, die das Inflationsziel ersetzen würde. Nichtsdestotrotz haben sie einen Anfang gemacht, der Signalwirkung haben kann.

Die vergangenen Jahre zeigen, dass Notenbanken überhaupt keine Steuerungsfähigkeit in Bezug auf Inflation haben. Ob sie nun Zinsen anpassen oder Anleihen kaufen – keine der üblichen und alternativen Methoden wirkt. Das ist nicht erst seit gestern so, sondern seit Jahrzehnten.
Anleger, Unternehmen und Konsumenten glauben noch an die Steuerungsfähigkeit der Notenbanken. Bei dem Track Record, den die Notenbanken ausweisen, ist das absolut rätselhaft. Auch die Notenbanken selbst müssten so langsam begreifen, dass sie die Inflation nicht durch die herkömmlichen Instrumente beeinflussen können. Sie können hohe Inflation mit hohen Zinsen bekämpfen. Das funktioniert. Sie sind jedoch machtlos, wenn es darum geht, eine zu niedrige Inflationsrate effektiv zu verhindern.

Albert Einstein definierte Wahnsinn einmal so: Wahnsinn ist, wenn man immer wieder das gleiche tut und andere Ergebnisse erwartet. Treffender kann man es nicht ausdrücken. Notenbanken weltweit wiederholen die Experimente der US Notenbank. Sie senken die Zinsen auf null und starten Anleihenkaufprogramme oder setzen ähnliche Maßnahmen um. Sie alle erwarten, dass es die Inflation anhebt. In den USA hat es nicht funktioniert und bisher scheitern auch Japan und die Eurozone. Trotzdem erwarten die Notenbanken beharrlich bei jedem neuen Versuch ein anderes Ergebnis.

Sinnvoller als sich auf eine bestimmte Teuerungsrate zu fokussieren und darüber eine Besessenheit zu entwickeln wäre ein Umdenken. Um Inflationsziele zu erreichen, gefährden Notenbanken die Stabilität des Finanzsystems, indem sie Preisblasen begünstigen. Ganz nebenbei scheinen QE Programme auch wirtschaftlich äußert fraglich zu sein. Einige Studien gehen soweit den US QE Programmen den Niedergang der Mittelschicht zuzuschreiben.

Die Folgen massiver Preisblasen sind sehr viel gravierender als die einer Inflationsrate von 0%. Es wäre wünschenswert, wenn Notenbanken nicht mehr einem Phantom hinterherjagen, sondern sich auf die Stabilität des Systems konzentrieren würden.

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9 Kommentare

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  • Fredd
    Fredd

    Zweiter Versuch,

    bin nicht sehr zufrieden mit meinem ersten posting daher eine zweiter Versuch zu erklären warum Ihre Argumentation so gefährlich ist: Die Zahl 0 hat keinerlei Bedeutung für das Entstehen einer konkreten Inflationsrate, -1 entsteht genauso leicht wie 0 oder positive Inflationsraten. Das Argument dass die Notenbnken scheitern ist also per se pure Demagogie: falls ohne QE die Inflationsraten im negativen Bereich lägen wäe QE sehr wohl erfolgreich im Sinne einer absolut notwendigen Schadensbegrenzung.

    Das Umschlagen von Inflation in Deflation verläuft zwar bruchlos, die Auswirkungen sind aber keineswegs linear. In diesem Sinn bedeuten Inflationsraten um 0 selbstverständlich Scheitern: deutlich positive Inflationsraten sind zentrale Voraussetzungen für das Funktionieren moderner Volkswirtschaften. Wirklich dramatisch wird´s dann aber bei verfestigten negativen Inflationsraten aka Deflation: dann bricht ein auf Wachstum orientiertes und letztlich angewiesenes Wirtschaftsmodell schlicht zusammen.

    Deflation löscht nicht den erarbeiteten Wohlstand einer Gesellschaft aus und erzeugt auch keine sofortige Krise, es gibt in diesem Szenario schlicht keine Entwicklungsmöglichkeiten und der Lähmungsprozess (keine Investitionen, keine neuen Jobs, keine Budgetspielräume) zersetzt die wirtschaftliche und in Folge soziale Basis einer Gesellschaft ohne dass sich Gegenkräfte entwickeln können. Im Gegenteil: Das Gefährliche an Deflation ist dass sie in eine Abwärtsspirale ohne erkennbare Auswege führt, daher auch die Bereitschaft den Prozess mit allen Mitteln, auch QE, zu stoppen.

    Tja, und dann gibt´s dieses anerkannterweise uvollkommenen aber nicht automatisch nutzlose ökonomische Wissen. In nicht deutscher Fassung gibt´s einen breiten Konsens darüber dass man Deflation mit allen Mittel aufhalten muss. Und dass eine ernsthafte Finanzkrise nach sieben Jahren noch lange nicht verdaut ist, QE aus beiden Blickwinkeln noch Zeit bekommen muss.

    Was Albert Einstein betrifft: schon mal die Lehren aus der Wirtschaftskrise der 30iger hinsichtlich Zeitraum und Wirkungsmechanismen von Finanzkrisen nachgeschlagen? Das Wissen um diese Mechanismen ist zumindest seit Bernanke Standardparadigma der Notenbanken und fairerweise auch Maßstab ihres Scheiterns.

    10:00 Uhr, 10.09. 2015
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    traurig aber wahr, was Sie schreiben ...

    20:51 Uhr, 09.09. 2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    So langsam mal anschnallen und die Kippen ausdruecken. Ab ca. 10510 drueft es rasend schnell Berg abgehen. Mal sehen ob ich wieder recht habe;-)))

    11:46 Uhr, 09.09. 2015
  • Fredd
    Fredd

    Mein Gott Herr Schmale,

    schmaler Text mit grossem Anspruch. Weltweites Scheitern, grundlegenes Umdenken .... mag schon sein. Dann aber auch:

    Das Spektrum von Inflation endet nicht bei Null, da geht es ohne Widerstand im negativen Bereich weiter. Und Deflation ist nicht nur ein mathematisch anspruchsvolles Phänomen. Sie ist, mal verankert, das Ende genau der wirtschaftpolitischen Logik die Sie als selbstverständlich erreichbares Ziel voraussetzen. Also: Natürlich scheitern die Notenbanken wenn und solange die Inflationsraten bei Null liegen aber das ist noch lange nicht das Schlimmste was aktuell passieren könnte. Denn siehe da:

    "Der Großteil der Welt befindet sich am Rand der Deflation". Und was, wenn nicht die glaubwürdige Verankerung hoher Inflationserwartungen kann diesen offensichtlich mittlerweile weltweit ausgerägten Trend Ihrer Meinung nach stoppen? Gerade den wirtschaftspolitischen Schelm erkennst du meist am Modell, siehe auch: Steuern senken um Bugetdefiziete auszugleichen.

    Wie eigentlich immer: Es gibt nicht nur Statistiken und scheinbar lineare Zusammenhänge, es gibt immer auch eine systemische Komponente. Das Argument der Zentralbanker wäre dann wohl dass bei Zinssätzen die gemäß der Auslastung eigentlich drastisch negativ sein müssten entweder
    a. drastische fiskale Maßnahmen, will heissen Konjunkturpakete und Ausbau der öffentlichen Nachfrage oder eben
    b. drastische geldpolitische Maßnahmen zwingend notwendig sind.

    Die Politik tut seit Jahren wenig bis gar nichts. So lange das so bleibt und sich die Auslastung nicht weltweit von selbst erholt hat wäre die Alternative zu QErein rechnerisch: negative Inflationsraten. mit gravierenden langfristigen Schäden für die betroffenen Volkswirtschaften. Wie gravierend? Kann man diskutieren und würde die Einschätzung des Status quo wesentlich erleichtern. Kennen Sie einen Journalisten der über QE schreibt und auch die Alternativen beschreiben will bzw kann?

    Ja und dann der Mittelstand dessen Niedergang QE angeblich so dratsisch befördert. Sollten die glaubwürdigsten Alternativen, grob gesprochen, der Crash des Finanzsektors oder mittelfristig verfestigte Deflation sein: was bleibt dann für den bzw von dem Mittelstand? Und ie hoch ist das Risiko das derartige Entwicklungen eintreten wenn QE vorzeitig abgebrochen wird?

    QE hat Nebenwirkungen. Die sind umso drastischer je weniger die Fiskalpolitik der einzelnen Staaten mitzieht. Und je länger die Inflationsraten zu niedrig sind. Klar. Aber was sind die angeblichen Alternativen wert wenn sie nicht mal als koheränte Zusammenhänge darstellbar sind?

    10:44 Uhr, 09.09. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • bembes
    bembes

    Vorschlag: An Mister Draghi und die blöden deutschen Politiker weiter leiten.

    10:33 Uhr, 09.09. 2015
  • netzadler
    netzadler

    Halleluja,

    "einige Studien gehen soweit, den QE Programmen den Niedergang der Mittelschicht zuzuschreiben".

    das ist der kern des Problems. QE kommt zuerst ganz oben an, bei den Topvermögen. die profitieren von den steigenden preisen. eh die Mittelschicht durch lohnzuwächse, niedrige zinsen etc. profitiert, sind die preise längst über alle berge.

    Deutschland hat bereits eine dicke Immobilienblase, wenn ich mir die neuen wohnsiedlungen in den deutschen Ballungsräumen anschaue. 500 qm Grundstück komplett eingemauert für 500 TEUR, das ist nur noch wahnsinnig, da will man doch nicht wohnen.

    die Eltern verballern ihre Spareinlagen für die immobilie der kinder oder die kreditbelastung ist entsprechend hoch und lang.

    angesichts unserer sehr schlechten demografieprognosen mit entsprechender Wirkung auf renten- und krankenversicherung sind kreditlaufzeiten von 20 jahren ziemlicher Wahnsinn.

    09:28 Uhr, 09.09. 2015
  • Unentschieden
    Unentschieden

    Wieder mal ein sehr gelungener Artikel,Herr Schmale.

    Bitte direkt an den durchgeknallten Italiener in der EZB weiterleiten! ;)

    09:11 Uhr, 09.09. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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