Zentralbanken: Das Undenkbare denken
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Die Folgen der Coronakrise sind so schwerwiegend, dass sie die Zentralbanken zu bisher undenkbaren Maßnahmen verleiten könnten, von denen alle unerwünschte Nebenwirkungen haben. Wenn sich die Krise verschärft, sollten Anleger bereit sein, „das Undenkbare zu denken": eine vollständige Schuldenmonetarisierung, Helikoptergeld oder sehr negative Nominalzinsen, wie Didier Borowski, Head of Global Views bei Amundi, im fünften Research Paper in der Serie „The day after“ schreibt.
Die Eckpunkte des Papers in Stichworten:
- Fundamentaler und tendenziell unumkehrbarer Wandel durch die Coronakrise: stärkere Verflechtung von Geld- und Fiskalpolitik
- Zentralbanken haben Neuland betreten; die makrofinanzielle Stabilität steht auf dem Spiel
- Zentralbanken haben noch Munition für weitere Maßnahmen, darunter die weitere Monetarisierung von Staats- und Unternehmensschulden, Helikoptergeld, die Steuerung der Renditekurve und deutlich negative Leitzinsen
- Die Ausgabe von Helikoptergeld ist quasi unlimitiert, außer, wenn es zu einem breiten Vertrauensverlust und einer erheblichen Flucht in Sachwertanlagen kommt
- Operative Unabhängigkeit der FED ist stärker gefährdet als die der EZB. Sollte die FED ihre Unabhängigkeit verlieren, hätte dies katastrophale Folgen für den US-Dollar
- Folgen für Investoren: Reduktion von Staatsanleihe-Exposure, Fokus auf (volatilere) Währungen und auf Schwellenländer
Executive Summary:
Zentralbanken können unabhängig von Parlamenten grundsätzlich flexibler als Regierungen agieren. Daher sind sie in Krisen die aktiven Akteure, indem sie umfangreiche durch Geldschöpfung finanzierte Programme zum Ankauf von Assets durchführten.
Mit der Coronapandemie hat sich jedoch innerhalb weniger Monate ein fundamentaler Wandel vollzogen: Fiskal- und Geldpolitik sind zunehmend miteinander verflochten, was wahrscheinlich nicht mehr umkehrbar ist. Regierungen sind dabei zu Käufern der letzten Instanz geworden, während die Zentralbanken Kreditgeber der letzten Instanz sind. Die beidseits des Atlantiks umgesetzte Wirtschaftspolitik umfasst Stabilisierungspläne in Höhe von 10-20 % des BIP (einschließlich Darlehen und Garantien) und Zentralbanken, die sich mehr oder weniger explizit zum Erwerb von Wertpapieren verpflichten.
Doch wie weit kann dies gehen? Zentralbanken sind noch weit davon entfernt, keine „Munition“ mehr zu haben. Finanzrepression und fiskalische Dominanz werden uns weiterhin erhalten bleiben. So werden Zentralbanken die Anleiherenditen über einen längeren Zeitraum niedrig halten, um die Belastungen der am stärksten verschuldeten Akteure abzufedern.
Niedrige Nominal- und Realzinsen dürfte Investoren dazu veranlassen, weiterhin „auf Renditejagd" zu gehen. Das Umfeld sollte vor allem Haushalte dazu bringen, ihre Ersparnisse weg von Staatsanleihen zu diversifizieren. Dabei sind neue Blasen nicht auszuschließen, die, wenn sie platzen, die makrofinanzielle Stabilität gefährden könnte. Um vor allem auf dem Immobilienmarkt die Vermögenspreisinflation einzudämmen, müssten dann regulatorische und steuerliche Maßnahmen ergriffen werden. Eine unkonventionelle Geldpolitik erfordert nicht weniger, sondern mehr Regulierung.
Die Zentralbanken werden weiterhin so viel Liquidität wie nötig zur Verfügung stellen. Allerdings kann von ihnen allein nicht das Unmögliche erwartet werden; sie können weder die wachsende wirtschaftliche Fragmentierung allein auffangen noch verhindern, dass Unternehmen in bestimmten Sektoren zahlungsunfähig werden.
Wir erwarten, dass eine globale Reflation mit dem richtigen Politikmix in greifbare Nähe gerückt ist. Sollten sich die Krise und sich der Deflationsdruck verstärken, würden die Zentralbanken wahrscheinlich nicht zögern, neue Wege zu beschreiten, die alle unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Wir müssen uns darauf vorbereiten und daher das „Undenkbare denken": eine vollständige Monetarisierung der Schulden, Hubschraubergeld, Schuldenerlass oder sogar sehr negative Nominalzinssätze.“
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