Kommentar
15:22 Uhr, 08.12.2022

Zeit für Gewinnmitnahmen

Nach der fulminanten Rally seit Ende September konsolidieren die Kurse nun. Das könnte der Beginn einer erneuten Korrektur sein. Der Grund: ein neues Glaubensbekenntnis der Anleger.

Erwähnte Instrumente

  • Dow Jones
    ISIN: US2605661048Kopiert
    Kursstand: 33.597,92 $ (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Turbo Short auf Dow Jones Industrial Average
    Kursstand: 31,590 € (Morgan Stanley) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

Pünktlich vor Beginn des jüngsten Kursanstiegs habe ich auf die Chancen einer Gegenbewegung hingewiesen. Auch Anfang November, als die Rally schon im fortgeschrittenen Stadium war, sah ich noch Potenzial. Doch inzwischen scheint die Zeit reif für Gewinnmitnahmen.

Never fight the Fed!

Das liegt nicht nur an der charttechnisch überkauften Lage. Viel wichtiger ist, dass die Anleger mit verblüffender Hartnäckigkeit die Warnungen der Fed ignorieren. Und das kann nur schiefgehen. Schließlich gilt nach wie vor die Regel „Never fight the Fed!

Aber hat die Fed zuletzt nicht immer wieder durchblicken lassen, dass die Zeit der Jumbo-Zinsschritte vorbei ist? Ja, und das feierten die Märkte auch ausgiebig. Doch diese Freude der Börsianer ist übertrieben.

Zum einen ist ein kleinerer Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten bereits seit Anfang November eingepreist, also seit dem letzten Fed-Meeting. Zum anderen gibt die Fed seit Langem immer deutlichere Hinweise, dass sich zwar die Höhe der Zinsschritte verringern wird, aber der Zinszyklus insgesamt länger dauern wird. Also: Higher for longer!

Die Botschaft der Fed verhallt ungehört

Doch die Zinserwartungen bleiben seit einiger Zeit nahezu unverändert, sowohl was das Zinsniveau als auch den Zeitpunkt des Hochs betrifft:

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Quellen: CME Fed Watch Tool, eigenen Berechnungen

Dabei haben sich etliche Zentralbanker bemüht, die Euphorie der Märkte zu dämpfen. Aber selbst Powells Aussagen scheinen ungehört zu verhallen.

So bezeichnete der Fed-Chef den US-Arbeitsmarkt als „sehr, sehr stark. Sehr stark.“ Der Arbeitsmarkt ist der Schlüssel für den Erfolg der Fed. Die Angebotsseite kann eine Zentralbank nicht beeinflussen, die Nachfrage schon. Und da die Nachfrage in den USA zu 68 % vom privaten Konsum bestimmt wird, können nur niedrigere Löhne diese Nachfrage dämpfen. Aber die Löhne sinken nur nachhaltig, wenn die Arbeitslosigkeit steigt.

Daher erwartet die Fed für 2023 eine Arbeitslosigkeit von 4,4 % – oder besser: strebt sie an. Im September, als die Fed diese Erwartung veröffentlichte, lag die Arbeitslosigkeit aber nur bei 3,5 %. Das bedeutet einen Anstieg von 0,9 Prozentpunkten innerhalb von bis zu 15 Monaten (bis Ende 2023).

Was die Fed-Projektion bedeutet

Das klingt nicht viel, aber bisher ging ein solcher Anstieg der Arbeitslosenquote stets mit einer Rezession einher:

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Quellen: US. Bureau of Labor Statistics, National Bureau of Economic Research, eigene Berechnungen

Bisher ist von dieser Rezession aber noch nichts zu sehen. Daher wird die Fed ihr Ziel, den Arbeitsmarkt nachhaltig zu schwächen, kaum bis Juni oder gar Mai erreichen. Die Hoffnung der Börsen auf wieder fallende Leitzinsen im 2. Halbjahr 2023 dürfte also enttäuscht werden.

Auch bei der Höhe der Zinsen könnten sich die Investoren irren. So sagte Powell auf seiner Pressekonferenz im November ganz klar: „Wir wollen den Leitzins auf ein Niveau bringen, bei dem der Realzins positiv ist. Das werden wir anstreben. [...] Ich denke, dass Sie dem ein gewisses Gewicht beimessen [sollten].“

Auch diese Botschaft ist eindeutig: Die Fed will mit dem Leitzins über der Inflationsrate landen. Und die lag im Oktober noch bei 7,8 %! Gut, sie ging schon etwas zurück. Aber die Fed achtet vor allem auf die Inflation bei den persönlichen Konsumausgaben (PCE) und dabei insbesondere auf deren Kernrate, also ohne Berücksichtigung von Nahrungsmitteln und Energie.

Wo der Leitzins bei positiven Realzinsen liegen könnte

Deren Werte liegen zwar niedriger, aber der bisherige Rückgang fiel deutlich geringer aus. Die PCE-Kernrate stagniert sogar bei hohen 5 %:

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Quellen: US. Bureau of Economic Analysis, US. Federal Bank

Das dürfte die Fed beim bevorstehenden Fed-Meeting nochmals unmissverständlich klar machen. Die Märkte könnten dadurch zu einem neuen Glaubensbekenntnis gezwungen werden, indem sie endlich die Pläne der Fed akzeptieren. Das dürfte die Kurse stärker drücken.

Es wird daher Zeit für Gewinnmitnahmen. Alternativ kann man sein Depot absichern. Dafür kommt insbesondere der Dow Jones infrage. Er ist in der Erholung am stärksten gestiegen und hat daher das größte Rückschlagpotenzial. Je nachdem, welche Abwärtsdynamik Sie erwarten, können Sie ein moderates Knock-Out-Zertifikat mit Hebel 10 (z.B. WKN MD6T65) oder einen klassischen Optionsschein nehmen, der knapp am Geld liegt (z.B. WKN SN72UM).

Erwähnte Wertpapiere:

  • Dow Jones Industrial Average (WKN 969420)
  • OPEN END TURBO SHORT AUF DOW JONES INDUSTRIAL AVERAGE (WKN MD6T65)
  • PUT/DOW JONES INDUSTRIAL AVERAGE/33100/0.001/17.03.23 (WKN SN72UM)

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Über den Experten

Torsten Ewert
Torsten Ewert

Torsten Ewert hat nach dem legendären Crash von 1987 die Welt der Börse für sich entdeckt – und nach und nach alle Möglichkeiten ausprobiert, die sich engagierten Privatanlegern im Lauf der Jahre anboten: Zunächst neben Aktien also vor allem Hebelprodukte, wie Optionsscheine und Zertifikate, später dann auch Futures, Optionen und CFDs. Seit inzwischen mehr als 15 Jahren arbeitet er erfolgreich als hauptberuflicher Trader, hauptsächlich mit Aktien und Aktienoptionen.

Torsten Ewert macht seinen reichen Erfahrungsschatz auch anderen Anlegern zugänglich. So betreut er seit mehr als 10 Jahren erfolgreich zwei Börsenbriefe für langfristige, strategische Geldanlagen, die sich nach wie vor hoher Wertschätzung durch seine Leserinnen und Leser erfreuen. Darüber hinaus gibt Torsten Ewert auch Seminare und hält Vorträge zu verschiedenen Börsenthemen.

Bei stock3 wird Torsten Ewert hauptsächlich über fundamentale und geopolitische Aspekte des Börsengeschehens schreiben sowie auf Spezialthemen eingehen, wie Insidergeschäfte oder Short-Aktivitäten bei Aktien.

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