Kommentar
07:00 Uhr, 20.05.2025

Kurze Verfallstags-Nachlese

Die Verfallstags-Nachlese bzw. das Chartbild, das sich durch den Kursverlauf der vergangenen Woche ergab, ist diesmal auch aus übergeordneter Sicht aufschlussreich.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 23.934,98 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Dow Jones
    ISIN: US2605661048Kopiert
    Kursstand: 42.792,07 $ (NYSE) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 23.934,98 Pkt (XETRA)
  • Dow Jones - WKN: 969420 - ISIN: US2605661048 - Kurs: 42.792,07 $ (NYSE)

Zunächst ging es bis Donnerstag tendenziell abwärts, wobei auch die Marke von 23.500 Punkten unterschritten wurde:

Die positiv aufgenommenen US-Inflationsdaten ließen jedoch auch den DAX wieder haussieren. Immerhin konnten die Stillhalter den DAX bis Donnerstagmittag – dem für sie so wichtigen Termin des Verfalls von Optionsscheinen u.Ä. für Privatanleger – im Bereich der 23.500er-Marke halten, die ich als ein mögliches Kursziel genannt hatte.

Vermutlich ist auch das ein Grund, warum der DAX zum "richtigen" Verfallstermin bei 23.857,06 Punkten abgerechnet wurde, also deutlich über 23.700 Punkten, wo "eigentlich" ein Kursziel der Stillhalter lag: Diese Positionen waren dann nicht mehr so relevant.

Aus übergeordneter Perspektive ergeben die jüngsten Kursbewegungen jedoch sehr viel Sinn – zumindest für die Bullen! Und damit zum Ausblick für DAX und Co.

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Die Perspektiven der laufenden Rally

Bleiben wir zunächst beim DAX und veranschaulichen wir uns, wie dramatisch sich die Chartsituation in jüngster Zeit geändert hat.

Ein wichtiger Punkt

Ein wichtiger Punkt war das Anlaufen der Unterkante des gelben Rechtecks Ende April (siehe roter Pfeil im Chart oben). Damit erreichten die Bullen den Bereich, in dem der DAX eine Zeitlang unterhalb seiner Hochs des 1. Quartals konsolidiert hat.

Sehr häufig geht den Bullen an dieser Stelle die Puste aus, z.B. in der Rally 2003-2007/08:

Damals scheiterte der DAX an diesem Niveau (siehe roter Pfeil) und die Rally, die nach der Umkehr an der grünen Unterstützung formal noch intakt war und hätte weitergehen können, war am Ende.

Zwei starke Widerstände wurden überrannt

Aber diesmal sah es bestenfalls kurz nach einem Scheitern aus: Zwar waren die folgenden Kerzen keineswegs klar bullisch, aber der DAX stieg weiter und kurze Zeit später kam es sogar zu einem punktgenauen Rücksetzer an die Unterkante des gelben Rechtecks (siehe grüner Pfeil im ersten Chart), der dessen Rückeroberung bestätigt. Danach stieg der Kurs dynamisch weiter.

Ähnlich war es an der Oberkante des aktuellen gelben Rechtecks: Der Ausbruch vom Montag war keineswegs überzeugend und zumindest intraday sah es in der vergangenen Woche immer mal wieder danach aus, als ob der DAX erneut unter sein altes Hoch zurückfallen sollte.

Aber die starke Aufwärtsreaktion vom Donnerstag (siehe schwarzer Pfeil im ersten Chart) kann man als Bestätigung des Ausbruchs auf neue Hochs ansehen (was durch die gestrige Stärke, inklusive knappem neuem Hoch, bestätigt wurde). Zwei starke Widerstände wurden also geradezu überrannt. Das sind sehr bullische charttechnische Signale, die man keinesfalls abtun sollte, weil der DAX inzwischen wieder relativ hoch bewertet ist, wie Sven Weisenhaus richtig anmerkte (siehe Börse-Intern vom 16.05.2025).

Was nun keinesfalls passieren darf

Warum ist das so wichtig? Weil die Bullen damit eine enorme Stärke zeigten – Sven Weisenhaus hat das in den vergangenen Wochen an diversen (Übertreibungs-)Kriterien immer wieder belegt. Und falls diese Stärke nicht doch nur ein Strohfeuer der Zocker gewesen ist (siehe Börse-Intern vom 28.04.2025), sollte die Rally weitergehen.

Zumindest sollte es keinen Rückfall mehr unter die alten Hochs geben, sondern mindestens bei einer Konsolidierung oberhalb davon bleiben.

"Treppen-Anstieg" im Dow Jones

Zumal auch an den US-Märkten die Bullen nun wieder klar im Vorteil sind! Das hat der Kursverlauf in der Vorwoche ebenfalls deutlich gemacht. Zuvor gab es schon andere bullische Signale, insbesondere einen fast idealtypischen "Treppen-Anstieg" im Dow Jones, bei dem der Kurs nacheinander mehrere Widerstände bricht, dorthin zurücksetzt und dieses Spiel von Neuem beginnt:

So brach der Kurs dynamisch und regelgerecht aus dem aufsteigenden grünen Dreieck aus, das sich damit als Bodenformation entpuppte. An der Mittellinie des roten Kanals setzte er zurück (unterer kleiner rote Pfeil) und drehte danach genau an der roten Zone, der Oberkante des "Boden-Dreiecks", wieder nach oben.

Der nächste Rücksetzer folgte wie beim DAX an der Unterkante des gelben Rechtecks, das auch im Dow Jones die Seitwärtsbewegung an den (bisherigen) Allzeithochs beschreibt (schwarzer Pfeil). Der Rücksetzer endete abermals an der vorherigen Ausbruchslinie (dünn rot gestrichelt) und überwand danach das jüngste Verlaufshoch und damit den Widerstand.

Ein besonders starker Widerstand

Dieser Widerstand war nicht ohne, denn er lag nicht nur an der Unterkante des gelben Rechtecks, sondern auch am 61,8%-Niveau des Einbruchs vom Februar bis April und mitten in der riesigen Kurslücke, die nach der Verkündung der neuen Zölle Anfang April entstand.

Der folgende Kurssprung aus der Vorwoche, der diese Kurslücke fast komplett überwand, war zwar dem Zoll-"Deal" zwischen den USA und China zu verdanken, aber charttechnisch setzte sich die Reihe bullischer Signale fort: Erneut lief der Kurs nur bis zum jüngsten Ausbruchsniveau zurück (oberster grüner Pfeil) und erreichte dann am Freitag ein neues Verlaufshoch.

Mit diesem Anstieg haben sich die Bullen im Dow Jones eine starke Perspektive eröffnet: Nach klassischer Charttechnik liegt das Kursziel nach einem Ausbruch aus einem Dreieck bei der Summe aus Ausbruchsniveau und Basishöhe des Dreiecks (siehe violette Kästen) – in diesem Fall bei knapp 45.000 Punkten und damit knapp unterhalb des alten Allzeithochs!

Auch für den Dow Jones gilt: Das sind rein charttechnische Perspektiven – die fundamentalen Aussichten erscheinen deutlich schlechter. Aber wir wissen ja, dass fundamentale Erwägungen an den Aktienmärkten mitunter zeitweilig keine Rolle spielen.

Warum trotzdem Risiken bleiben

Natürlich ist auch der Dow Jones weiterhin klar überkauft. Und da er nun kurz vor dem Kreuzwiderstand aus der Oberkante des roten Kanals und dem Zwischenhoch von Ende März steht (großer roter Pfeil), könnte es in nächster Zeit auch in diesem Index zu einer Konsolidierung kommen. Deren Kursziel könnte das gelbe Target sein. Dieses Szenario wäre aber immer noch klar bullisch, weil dabei die dicke grüne Linie (Unterkante des grünen Dreiecks) und damit die aktuelle (starke!) Aufwärtstendenz bestätigt würde – sofern der Kurs von dort aus wieder (dynamisch) nach oben durchstartet.

Trotz dieser bullischen Perspektiven sollten wir die Risiken nicht außer Acht lassen: So steht der Dow Jones aktuell oberhalb seines Kurses von Anfang April, also vor der Verkündung der neuen Zölle. Und wenn man annimmt, dass die damaligen Kurse – insbesondere der Wert des Hochs von Ende April – der neuen US-Zollpolitik angemessen waren, dann sind alle Kurs darüber zu hoch.

Der Grund: Die Zölle sind bisher nur ausgesetzt und die ersten Handelsabkommen mit Großbritannien und China deuten an, dass die im April verkündeten Zölle zwar reduziert, aber nicht völlig abgeschafft werden. Eine Rückkehr zum Stand vor April erscheint also nahezu ausgeschlossen! Wenn also höhere Zölle die US-Wirtschaft belasten, dürften die Kurse nicht dauerhaft über jene Niveaus steigen.

Achtung, Bärenmarkt-Rally möglich!

Was bedeutet das für die laufende Rally? Dass wir derzeit womöglich doch eine Bärenmarkt-Rally erleben! Diese verlaufen oft sehr dynamisch und gehen mitunter weit über die "theoretischen" Kursziele – z.B. nach den Fibonacci-Linien – hinaus.

So gilt zwar das erwähnte 61,8%-Niveau als typische Grenze, ab der eine Gegenbewegung als beendet angesehen werden kann. Doch die Fibonacci- bzw. Elliott-Wellen-Theorie kennt noch weitere Niveaus, die bis rund 90 % reichen (siehe graue Linien im Dow-Jones-Chart). Und solche starken Rückläufe in Richtung Hoch gibt es vor allem nach dem ersten größeren Kursrückgang von einem Hoch aus. Und genau das war der Einbruch im April!

Der Dow Jones kann also problemlos bis gut 44.000 Punkte (dem 88,6%-Niveau) steigen, ohne dass sich die Bullen in Sicherheit wiegen können. Zumal auf dem dortigen Niveau auch weitere Widerstände verlaufen – z.B. die Kurslücke von Ende Februar (blau), die als Ausbruchskurslücke den Beginn der Abwärtsbewegung markiert haben könnte.

Entwarnung kann also frühestens gegeben werden, wenn auch der Dow Jones neue Hochs erreicht hat. Aber mehr dazu, wenn es so weit ist.

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