Kommentar
08:45 Uhr, 27.10.2015

Zeit für defensive Aktien?

Jeder weiß wie gut die Börsen seit 2009 gelaufen sind. Kaum ein Index hat sich seit den Tiefs der Finanzkrise nicht mindestens verdoppelt. Diese Performance wurde allerdings nicht von allen Sektoren getragen. Vor allem defensive Werte blieben zurück. Das kann sich nun ändern.

Zu defensiven Sektoren gehören nicht nur Versorger, sondern auch Rohstoffunternehmen. Letztere kann man seit 2014 kaum noch als defensiv bezeichnen. Die stark gefallenen Rohstoffpreise haben die Aktien dieser Unternehmen zu wilden Spekulationsobjekten mutieren lassen. Normalerweise gelten diese Aktien als relativ träge. Dafür bieten sie eine solide Performance, die vor allem durch hohe Dividenden getrieben ist.

Derzeit gibt es weder einen Aufwärtstrend der Kurse, noch hohe Dividenden. Viele Unternehmen haben angekündigt, Dividenden zu kürzen oder gar ganz zu streichen. Das sind nicht gerade die Meldungen, aus denen Anlegerträume gemacht sind. Dennoch lohnt sich ein Blick auf eben diese Unternehmen.

Defensive Sektoren sollten Anlegern langfristig solide Renditen bringen. Die Sektoren beinhalten alles, was für Menschen und die Wirtschaft überlebenswichtig ist. Dazu gehören Lebensmittel ebenso wie die Energieversorgung und Medikamente. Bis 2014 ging die Rechnung auf. Über zwei Jahrzehnte konnten sich Anleger über Kurssteigerungen und Dividenden freuen. Seit 2011 geht es bergab. Versorger waren eine Ausnahme, wenn man die deutschen Versorger RWE und E.ON außen vor lässt. In den USA erlebten Versorgeraktien von 2013 bis Anfang 2015 eine kleine Renaissance. Die Sektorperformance lag mit 30% beim Doppelten des Gesamtmarktes.

Für Anleger gilt eine sehr einfache Regel, wenn es um die Allokation von Geld geht. Im wirtschaftlichen Aufschwung sind zyklische Werte (Konsumgüter) zu bevorzugen. In unsicheren Zeiten oder im Abschwung sind defensive Werte gefragt. Wer über ein Investment in defensive Werte nachdenkt muss also eine Meinung darüber haben wie es der Wirtschaft geht. Stehen wir vor einer Fortsetzung des Aufschwungs oder kühlt die Wirtschaft ab?

Die Signale aus den Wirtschaftsräumen USA, China, Europa, Südamerika und Japan könnten unterschiedlicher nicht sein. In China wird ein Abschwung vermutet. Südamerika befindet sich in einer handfesten Krise. Japan siecht vor sich hin, die USA befinden sich nach wie vor im Aufschwung und Europa zeigt moderates, aber stabiles Wachstum. Was soll man als Anleger aus dieser Mischung bloß machen?

Die Antwort ist überraschend einfach. Als Anleger ignoriert man die Wirtschaftsdaten und betrachtet einfach den US-Dollar. Der Dollar ist ein sehr guter Indikator für die einzelnen Sektoren. Die Grafik zeigt den US-Dollar Index sowie Aktienindizes des zyklischen und defensiven Sektors. Der Dollar Index ist invertiert dargestellt und läuft parallel zu den defensiven Sektoren. Der Zusammenhang lässt sich wie folgt zusammenfassen: steigt der Dollar (in der Grafik als fallender Index dargestellt), dann fallen Aktien defensiver Sektoren.

Während Aktien nichtzyklischer Sektoren fallen oder zumindest kaum steigen befinden sich Aktien von zyklischen Sektoren im Ausnahmezustand. Sie steigen überproportional stark an. Das war in den vergangenen Jahren der Fall. Direkt nach Ende der Finanzkrise stiegen eigentlich alle Aktien, unabhängig davon, ob sie zyklisch oder nicht-zyklisch waren. Seit 2011 wird die Schere zwischen den Sektoren immer größer.

Im Jahr 2011 begann der Dollar systematisch aufzuwerten. Gegenüber einem Währungskorb der wichtigsten Währungen (Euro, Pfund, Yen, Franken, kanadischer Dollar, schwedische Kronen) gewann der Dollar zwischen 2011 und 2015 an die 30%. Seitdem hat sich unterm Strich für alle defensiven Werte gemeinsam nichts mehr getan. Die Kurse stehen heute dort, wo sie auch 2011 standen. Im Gegensatz dazu haben sich zyklische Konsumwerte in einer beispiellosen Rallye befunden.

Dienstleistungsunternehmen konnten sich seit 2011 im Durchschnitt verdoppeln. Konsumgüterhersteller brachten es noch auf Zuschläge von 75%. Unter den prominenten, zyklischen Werten hat es kaum Aktien gegeben, die sich seit 2011 nicht vervierfacht haben. Dazu gehören Nike, Walt Disney, Starbucks und Home Depot. Sie alle waren die Outperformer der vergangenen Jahre.

Wenn an der Börse Eines sicher ist, dann bestimmt, dass kein Trend ewig hält. Die Frage ist nun, ob sich die Outperformance der zyklischen Werte in eine Underperformance umkehrt. Der Schlüssel zur Antwort liegt in der weiteren Entwicklung des Dollars. Ein starker Dollar stärkt die Kaufkraft der Konsumenten. Importgüter werden billiger, wenn die Währung aufwertet. Gleichzeitig leiden defensive Werte unter sinkenden Margen. Dazu gehören vor allem Rohstoffunternehmen, deren Produkte in Dollar gehandelt werden. Ein stärker werdender Dollar lastet auf den Margen.

Bis zur Andeutung der EZB vergangene Woche sah es so aus als würde die Dollarrallye beendet werden. Seit April 2015 wurden keine neuen Hochs mehr markiert. Es sah nach einer Topformation aus. Die möglichen weiteren geldpolitischen Lockerungen in der Eurozone und auch in Japan können für eine Fortsetzung der Dollarrallye sorgen. Entschieden ist das noch nicht. Als die US Notenbank expansive Politik betrieb verlor der Dollar ein Viertel an Wert. Inzwischen hat er diese Verluste mehr als wettgemacht. Trotz zusätzlicher Lockerung in Europa muss das nicht zwangsweise eine weitere Aufwertung des Dollar nach sich ziehen.

Bestätigt sich die Topbildung des Dollar Index in den kommenden Wochen, dann steht einer großen Sektorrotation nichts mehr im Wege. Anleger haben in diesem Fall sehr viel mehr Freude an defensiven Werten, inkl. des Rohstoffsektors.

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5 Kommentare

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  • Chronos
    Chronos

    Viel geschrieben, wenig gesagt oder ausgedrückt.

    Erinnert mich stark an den damaligen Google-Artikel wo der Autor selbst investiert war.

    Was will uns Hr. Schmale eigentlich sagen?

    Es bleiben halt nur Fragezeichen, so lange ich nicht US-Investor bin oder aus dem dortigen Handelsraum agiere. Wieder ein Artikel den ich fast 1:1 aus texanischer Quelle kenne.

    Nach dem Artikel wäre ich Konsum Long, ergo CC, McD, Nike, apple Long

    Wie soll eine Inflation ohne steigenden Ölpreis funktionieren?

    Europäer müssen adidas, BASF oder eben besagte Rohstoff-Branchen traden

    oder sich das Pound ansehen mit einem Wert der Substanz bedeutet (auch da hängt Mallon dahinter).

    12:01 Uhr, 27.10. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Buford T Justice
    Buford T Justice

    Interessant, möge die Macht mit Dir sein!

    11:10 Uhr, 27.10. 2015
  • Acheloos
    Acheloos

    Ihre Beiträge sind tiefgehend, umfassend und verständlich formuliert. Ich lerne und genieße beim Lesen.

    09:54 Uhr, 27.10. 2015
  • hotte38
    hotte38

    Hallo, Herr Schmale

    ich lese Ihre Beiträge immer sehr gerne. Sie sind sehr kreativ und verstehen es, komplizierte Sachverhalte verständlich darzulegen.

    09:04 Uhr, 27.10. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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