Zeit der Mäuse
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„Ist die Katze außer Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch“ (Sprichwort)
Barack Obama befindet sich inmitten seiner zweiten und letzten Amtszeit. Die zweite Amtszeit ist – historisch verbürgt – die Periode, in der ein Präsident bemüht ist, sein „Erbe“ zu bewahren. Sie ist daher von vorsichtigem Verhalten geprägt. Der erste afro-amerikanische Präsident der USA möchte nicht als Kriegstreiber in die Geschichte eingehen.
Der Rückzieher Obamas vor gut einem Jahr gegenüber Syriens Präsident Assad wurde von seinen Gegenspielern als entsprechendes Signal verstanden. Die nächste US-Präsidentschaftswahl findet im November 2016 statt. Zeit genug also für die „Mäuse“, ihre Strategien und Wünsche umzusetzen. Es brodelt und dampft in vielen Regionen. Ukraine, Russland, Palästina, Israel, Irak, Syrien, Afghanistan.
Ist Russland eine Maus? Aus wirtschaftlicher Sicht ja, militärisch nein. Das flächenmäßig größte Land der Welt mit einem BIP von der Größenordnung Italiens verfügt über ein hohes atomares Bedrohungspotential.
Rückblickend erscheint die Situation der Jahre 1998 bis 2000 als Höhepunkt absoluter US-Macht nach dem zweiten Weltkrieg. 1998 versank Russland im Staatsbankrott. Chinas bisher stärkste Aufstiegsphase begann gerade erst. In den USA trieb die „New Economy“ ihre Blüten.
Die Weltgeschichte bewegt sich in Zyklen. Es scheint, als ob der kurzfristige Zyklus („Lame-Duck-Situation Obamas“) den langfristigen Zyklus (allmählicher Abschied der USA von der Position als „einzige“ Weltmacht) hebelt. Kein Wunder, dass die „Mäuse“ die Situation als Aufforderung zum Tanz verstehen.
Der Dow Jones Index hat sich bisher per Saldo nicht bewegt. Dem Jahresschlussstand 2013 von 16.576 Punkten steht die aktuelle Marke von 16.554 Punkten gegenüber.
Viele wichtige Märkte sind vorerst an runden Marken gescheitert. Zu nennen sind der Performance-DAX (10.000 Punkte), der S&P 500 (2.000 Punkte) und der Nasdaq 100 (4.000 Punkte). Runde Marken stellen psychologisch wichtige Widerstände dar.
Inflationsbereinigt befindet sich der Dow knapp oberhalb seiner Hochpunkte aus den Jahren 2000 und 2007 (folgender Chart).
Im Rahmen eines längerfristigen Trends kann die geringe Überwindung der Hochpunkte von 2000 und 2007 nicht als sicheres Trendfortsetzungssignal verstanden werden. Der Widerstandsbereich ist nach wie vor intakt.
Aus marktpsychologischer Sicht haben wir nicht den Eindruck, dass eine Kapitulation der Bullen erfolgt ist. Wir schrieben in der letzten Wochenkolumne: „Wenn die Bären von den Medien nur noch als Clowns und Kontraindikatoren wahrgenommen werden, wurde ein wichtiger Schritt in Richtung Markthoch getan.“ Derzeit werden Durchhalteparolen ausgegeben. Anders als im Januar ist eine breitangelegte Angst nicht spürbar. Die Folge: Das Sentiment lässt den Weg nach unten offen.
„Es erscheint keine Frage von Monaten, sondern eher von Wochen oder Tagen, bis auch der zentrale Bereich in Mitleidenschaft gezogen wird.“ So formulierten wir in unserer Kolumne vom 17. Juli.
In Zwischenwahljahren wie 2014 ist ein Tief nach dem ersten August-Drittel (siehe Pfeil folgender Chart) nicht unüblich.
Die kommende Woche ist eine Verfallswoche. In dieser könnte sich die Trendumkehr vom Freitag festigen. Gerade in Zwischenwahljahren sollte man aber die potentiell negative September-Performance nicht unterschätzen.
Geopolitisch dürfte sich US-Präsident Obama kaum aus der Reserve locken lassen (es sei denn, jemand überzieht mächtig). Der Tanz der Mäuse dürfte sich daher verstärken. Deren Zeitfenster bleibt bis zum November 2016 geöffnet. Niemand sollte überrascht sein, wenn die Geopolitik die Finanzmärkte in den kommenden beiden Jahren weiterhin überdurchschnittlich tangiert.
Robert Rethfeld
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