Kommentar
11:00 Uhr, 20.09.2016

Yen: Mysteriöse Aufwertung trotz Kapitalflucht

Die Aufwertung der japanischen Währung ist mysteriös. Japanische Investoren flüchten nach wie vor in ausländische Anlagen. Das sollte die Währung eigentlich schwächen.

Es ist schon etwas merkwürdig. Der Yen wertet seit vielen Monaten auf. Woher dieser Druck kommt, ist klar, doch in den Daten zeigt er sich nicht. Die Aufwertung des Yen erscheint vollkommen offensichtlich, weil die japanische Notenbank nicht mehr die Mittel hat, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Die Zinsen dürften sich bei ca. 0 % einpendeln. Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass die Inflation in Japan nicht steigen wird. Die Realzinsen sind daher positiv, sogar höher als in Europa und nicht viel niedriger als in den USA.

Die japanische Währung ist aus Sicht der Realzinsen nicht unattraktiv. Das scheint japanischen Investoren bisher entgangen zu sein. Sie flüchten. Die Grafik zeigt, welches Ausmaß diese Flucht inzwischen angenommen hat. Allein in diesem Jahr stieg der Bestand langfristiger Anleihen um 200 Mrd. Dollar. Japanische Investoren haben für mehr als 200 Mrd. Dollar Anleihen in anderen Währungen gekaut. Der Großteil floss in US-Anleihen.

Bei Aktien sind die Anleger etwas zurückhaltender, doch auch hier wurde der Bestand in diesem Jahr um 40 Mrd. ausgeweitet. Diese Flucht in ausländische Assets ist nicht gratis. Investoren sichern sich gegen Währungsschwankungen ab und zahlen dafür inzwischen knapp 1 % pro Jahr. Die hohen Kosten der Absicherung scheinen nicht davon abzuhalten, immer mehr Geld ins Ausland zu schaffen.

Bei dieser großangelegten Kapitalflucht fragt man sich, wieso der Yen überhaupt aufwertet. Dafür gibt es zwei Erklärungen. Einerseits führen die Währungsabsicherungen über Swaps dazu, dass sich effektiv kaum eine Auswirkung auf den Wechselkurs ergibt, andererseits erwirtschaftet Japan seit Anfang 2016 wieder einen hohen Handelsbilanzüberschuss. Durch den Handel strömt also mehr Geld ins Land hinein als hinausströmt. Die Exportüberschüsse sorgen für Aufwertungsdruck. Je mehr die Währung aufwertet, desto geringer wird dieser Überschuss und desto geringer wird mit der Zeit auch der Aufwertungsdruck. Kurz- bis mittelfristig unterstützt der Überschuss den Yen.

Trotz Kapitalflucht lässt sich so erklären, weshalb der Yen nicht abwertet. Das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Lage ziemlich dramatisch ist. Die Kapitalflucht hat sich beschleunigt und war selten, wenn überhaupt jemals, so ausgeprägt wie 2016. Das Zutrauen der Japaner in die Zukunft ihrer Wirtschaft scheint nicht sonderlich stark zu sein.

Investoren sind sogar dazu bereit sehr hohe Kosten für die Absicherung der Fremdwährungsinvestitionen hinzunehmen. Nach Abzug der Kosten bleibt kaum noch eine Überrendite im Vergleich zu heimischen Assets. Anfang September sank die Überrendite sogar auf 0 %. Die Verzweiflung ist aber anscheinend so groß, dass auch das von vielen noch in Kauf genommen wird, wenn auch nicht von allen Investoren. Die Verzweiflung ist allerdings noch nicht so groß, dass auf Währungsabsicherungen verzichtet wird. Erst wenn das geschieht, sind Investoren nicht mehr nur skeptisch, was die Zukunft Japans anbelangt, sondern hoffnungslos.

Clemens Schmale

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1 Kommentar

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    Was soll daran mysterioes sein? Die USA und Abe srlbst werden Jen aufkaufen auf Teufel komm raus. Was bleibt denn noch? Japan ist verschleppter Konkurs seit Jahren. Eigentlich verschleierter Bankrott. Mir tun die alten Leute dort leid, die praktisch alles verlohren haben.

    15:15 Uhr, 20.09. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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