Kommentar
17:28 Uhr, 09.04.2021

Wovor sich Anleger wirklich fürchten müssen

Coronavirus, steigende Zinsen, das Ende von QE, Geopolitik – keines dieser Risiken ist auch nur annähernd so groß wie das, wovor sich Anleger wirklich fürchten müssen.

Das größte aller Schreckgespenste heißt Inflation. Das mag für einige Anleger überraschend sein. Gewiss, Inflation spielt eine Rolle, aber ist es deswegen gleich das größte Risiko? Die kurze Antwort lautet: Ja. Kurzfristig können Schocks wie der Beginn der Pandemie für große Korrekturen sorgen. Sowohl die Pandemie als auch die globale Finanzkrise wurden vom Aktienmarkt überraschend schnell abgehakt. Innerhalb relativ kurzer Zeit wurden neue Hochs erreicht. Es gab in den letzten 100 Jahren Aktienmarktgeschichte nur zwei Vorkommnisse, bei denen neue Hochs ein Jahrzehnt oder länger auf sich warten ließen. Das erste Mal begann die Durststrecke 1929, das zweite Mal 1968. In beiden Fällen war die Teuerung ausschlaggebend. Einmal war es Deflation, das andere Mal Inflation. Unterstellt man, dass Inflation wahrscheinlicher ist als Deflation, kann man sich auf dieses Szenario konzentrieren. Was geschieht mit dem Aktienmarkt, wenn die Inflation steigt?

Die Bewertung des Aktienmarktes hängt von der Inflationsrate ab. Die Korrelation aus Bewertung (KGV) und Kerninflation ist hoch (Grafik 1). Aktuell liegt die Kerninflation in den USA bei 1,5 %. Das ist für den Aktienmarkt optimal. Das Langfrist-KGV kann bei diesen Werten im Bereich von 20 bis 45 liegen. Aktuell liegt es bei 35.


Sobald die Inflationsrate über 2 % steigt, wird es kritisch. Die Bewertung des Marktes nimmt ab. Würde die Inflation plötzlich auf 3 % steigen und dort verharren, lässt sich ein KGV von 35 nicht mehr rechtfertigen. Das höchste bei dieser Inflation gemessene KGV lag bei 22,5. Vom aktuellen Niveau aus müsste der Markt also 35 % korrigieren. Das schlägt die meisten Bärenmärkte.

Ein Inflationsanstieg, wie ihn manche befürchten, ist Gift für die Bewertung. Inflation führt am Ende zu höheren Zinsen, geringeren Staatsausgaben, dem Ende von QE usw. Sie alle spielen eine Rolle, sind aber nicht die Ursache. Das ist die Inflation, die eine ganze Reihe an Folgewirkungen entfaltet.

Aktuell hat der Markt ein Problem. Er ist hoch bewertet. Das allein ist kritisch. Bei dem derzeitigen KGV ist die zu erwartende zukünftige Rendite mit jährlich 2 % äußerst mager (Grafik 2). Auch ohne Inflationsanstieg müssen sich Anleger auf magere Zeiten einstellen. Steigt dann noch die Inflation ist die Rendite wahrscheinlich über die nächsten 10 Jahre negativ.


Gelingt es dem Markt die hohe Bewertung zu halten, können Anleger weiterhin mit den üblichen 6-7 % Rendite pro Jahr rechnen. Das das gelingt, ist jedoch unwahrscheinlich. Die Inflation mag nicht wie in den 70er Jahren ansteigen, dürfte aber die Zielmarke der Notenbank (2 %) erreichen und überschießen. Das rechtfertigt die Bewertung nicht. Sie muss korrigieren. Da die zu erwartende Rendite bereits gering ist, würde Inflation zu einem verlorenen Jahrzehnt am Aktienmarkt führen.

Clemens Schmale


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6 Kommentare

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  • DPMUC
    DPMUC

    Machen Sie die Analyse doch mal mit dem Realzins

    16:35 Uhr, 12.04.2021
    1 Antwort anzeigen
  • Market Impact
    Market Impact

    Aber diesmal werden die Zinsen nicht erhöht, wo soll das Geld hin Herr Schmale?

    10:23 Uhr, 12.04.2021
  • Schimanski
    Schimanski

    Dieser Zusammenhang ist aus der Vergangenheit abgeleitet, mit folgender Abfolge: Hohe Inflation -> Zentralbanken steuern laut ihrem ursprünglichen Auftrag der Preisstabilität dagegen und erhöhen die Zinsen -> führt sinngemäß zu fallenden Aktienmärkten (wie auf der Chart zu sehen ist). Dieser Auftrag gehört aber leider der Vergangenheit. Primäres Ziel der Zentralbanken ist seit 20 Jahren die Staatfinanzierung geworden 😉

    21:00 Uhr, 09.04.2021
  • Karl55
    Karl55

    Grüezi Herr Schmale

    Super Analyse!

    18:06 Uhr, 09.04.2021
  • Bernard Baruch
    Bernard Baruch

    Herr Schmale, Ihre Kommentare sind immer wirklich lesenswert. Vielen Dank.

    17:33 Uhr, 09.04.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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