Kommentar
10:50 Uhr, 28.01.2011

Wohin geht der Ölpreis? Welcher Ölpreis?

Energie: Das größte Rätsel am Ölmarkt bleibt die auffällig hohe Preisdifferenz zwischen den wichtigsten Referenzsorten WTI und Brent, die sich in den letzten Tagen weiter ausweitet hat. Mittlerweile liegt der Spread bei über 12 USD je Barrel. So hoch war er nicht einmal während der Hochphase der Finanzkrise Ende 2008/Anfang 2009, als sich der Markt von den Fundamentaldaten völlig losgelöst hatte. Auffällig ist, dass in der Finanzkrise der Spread zwischen den "nächstfälligen" Kontrakten vor allem wegen der verschiedenen Fälligkeitsdaten von Brent und WTI angestiegen war, während er sich jetzt unabhängig davon ausweitet. Wir glauben, dass die üblichen fundamentalen Begründungen, wie z.B. die schwache Nachfrage in den USA ggü. der starken Nachfrage in Asien, die massive Ausweitung der US-Lagerbestände oder die geringeren Lieferungen aus der Nordsee das Phänomen nicht vollständig erklären können. Vor allem haben sich die fundamentalen Unterschiede zwischen WTI und Brentöl in den letzten Tagen nicht so dramatisch verändert, dass sie die enormen Ausweitungen erklären könnten. Wir suchen deshalb den Grund auch in der verschiedenen Behandlung der beiden Sorten durch die Anleger, wobei man zurzeit einen sehr starken Trend weg von WTI hin zu Brentöl erkennen kann. Dieser verstärkt sich wegen der zurzeit extrem steilen Kurvenstruktur bei WTI sogar noch selbst, ganz nach dem Motto "the trend is your friend!". Wir glauben, dass zurzeit sowohl der WTI-Ölpreis nach unten, als auch der Brentölpreis nach oben verzerrt sind. Auch wenn das Phänomen noch eine Zeitlang bestehen kann, erwarten wir im Laufe des Jahres eine starke Einengung des Spreads.

Edelmetalle: Der Goldpreis verzeichnete gestern bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr einen sehr hohen Tagesverlust. Das gelbe Edelmetall gab zeitweise um 38 USD bzw. 2,5% nach und markiert heute Morgen mit knapp 1.310 USD je Unze den niedrigsten Wert seit Anfang Oktober. Der Goldpreis hat vor allem in Euro zuletzt herbe Verluste erlitten und notiert mit knapp 960 EUR sogar auf einem 12-Wochentief. Wir erklärt sich, dass der Goldpreis fällt, obwohl die Inflationsängste der Anleger offensichtlich zunehmen? "Buy the rumor, sell the fact!" könnte man das wohl nennen, wobei unsere Interpretationen etwas komplizierter sind. Zum einen nimmt zurzeit auch der Optimismus und dementsprechend auch der Risikoappetit der Marktteilnehmer zu - der US-Aktienindex Dow Jones durchbrach erstmals seit Juni 2008 wieder die Marke von 12.000 Punkten. Dabei geht die Nachfrage nach dem sicherem Hafen Gold merklich zurück. Gleichzeitig rechnen immer mehr Anleger damit, dass die EZB bereits in diesem Jahr die Zinsen anheben wird, was die Opportunitätskosten der Goldhaltung erhöhen dürfte. Wir glauben, dass die Preiskorrektur bei Gold noch einige Zeit anhalten wird. Allerdings dürfte insbesondere in Asien die Goldnachfrage weiter zunehmen. So schätzt beispielsweise die China Gold Association, dass die Goldnachfrage in China im ersten Halbjahr 2011 im Jahresvergleich um 15% steigen wird. Als Grund werden die wachsende Nachfrage nach alternativen Investments und die Absicherung gegen Inflation angeführt. Bereits im letzten Jahr ist die Goldnachfrage Chinas laut dem World Gold Council zweistellig gestiegen.

Industriemetalle: China hat laut Angaben des Verbands der chinesischen Edelstahlproduzenten im letzten Jahr 11,3 Mio. Tonnen Edelstahl produziert. Dies ist ein Anstieg von 28% gegenüber Vorjahr. Aufgrund der hohen Nachfrage u.a. von der Bauindustrie, insbesondere im Inland, wurden viele neue Produktionskapazitäten in Betrieb genommen. Die gesamte Edelstahlnachfrage in China ist im letzten Jahr um 14% auf 9,4 Mio. Tonnen gestiegen. Die höhere Produktion hat jedoch auch dazu geführt, dass China deutlich mehr Edelstahl exportiert hat. Während sich die Ausfuhren mehr als verdoppelt haben, sind die Importe deutlich zurückgegangen. Unter dem Strich hat das Reich der Mitte im vergangenen Jahr 470 Tsd. Tonnen Edelstahl netto exportiert und damit maßgeblich zum globalen Angebotsüberschuss beigetragen. Nickel, das zu 70% in der Edelstahlindustrie verwendet wird, hat von den hohen Produktionsraten profitiert und ist im Preis deutlich gestiegen. Sollte die Edelstahlproduktion jedoch wieder zurückgefahren werden, dürfte dies auch die Nickelnachfrage und damit den -preis negativ beeinflussen.
Der Baltic Dry Index, der die Frachtraten für Schüttguttransporte misst, fällt unterdessen weiter. Mit 1.186 Punkten wurde das niedrigste Niveau seit 2 Jahren erreicht. Der aktuelle Rückgang dürfte allerdings überzeichnet sein und im Wesentlichen mit den Überschwemmungen in Australien zusammenhängen. Generell kommen jedoch viele neue Transportkapazitäten an den Markt, die die Frachtraten belasten sollten.

Agrarrohstoffe: In den kommenden Tagen sind ergiebige Regenfälle in den Anbaugebieten für Zuckerrohr und Kaffee im Südosten Brasiliens vorhergesagt. Damit verbessern sich auch die Ertragsaussichten für die im März beginnende Zuckerrohrernte und die Ende April beginnende Kaffeeernte des weltgrößten Kaffee- und Zuckerproduzenten, was die Preise belasten könnte. Die staatliche Agrarbehörde Conab rechnet für dieses Jahr mit einer Kaffeeernte von 41,9 bis 44,7 Mio. Sack, nach einem Erntevolumen von 48,1 Mio. Sack im Vorjahr. Der Rückgang erklärt sich damit, dass in Brasilien ein ertragsschwaches Jahr im zweijährigen Erntezyklus bevorsteht. Für die diesjährige Zuckerrohrernte gibt es derzeit noch keine offiziellen Schätzungen.
Der gewählte Präsident der Elfenbeinküste Ouattara hat die Aufhebung des 1-monatigen Exportstopps für Kakao für den Fall in Aussicht gestellt, sobald er die Kontrolle über die Außenstellen der Zentralbank erlangt hat, die derzeit noch vom abgewählten Amtsinhaber Gbagbo kontrolliert werden. Laut dem Sprecher Ouattaras würden derzeit 80% der Kakaoexporteure den verhängten Exportstop befolgen. Die Lagerhäuser an den Häfen sollen derzeit aber nur noch freie Kapazitäten von 50 Tsd. Tonnen haben und wären damit in spätestens zwei Wochen voll. Von daher stellt sich ohnehin die Frage, wie lange der Exportstopp noch aufrechterhalten werden kann.

Quelle: Commerzbank

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