Wohin fließen die Corona-Hilfen wirklich?
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Der ehemalige ifo-Chef Hans-Werner Sinn ist in den vergangenen Jahren vor allem als Kritiker der Euro-Rettungspolitik in den Medien präsent gewesen. In seinem Ende Juli erschienen Buch "Der Corona-Schock: Wie die Wirtschaft überlebt" setzt sich Sinn mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und den inzwischen billionenschweren Rettungspaketen auseinander.
In einem auf Youtube veröffentlichten Interview mit Wlad Jachtchenko bezifferte Sinn die wirtschaftlichen Verluste durch einen harten Lockdown in Deutschland auf 30 Milliarden Euro pro Woche und ging auf seine Hauptkritikpunkte an den in der EU beschlossenen Maßnahmen ein.
Zwar betont Sinn, dass er grundsätzlich für Solidarität mit besonders stark betroffenen Ländern wie Italien sei. Allerdings dienten die jetzt beschlossenen EU-Maßnahmen nicht nur dem wirtschaftlichen Wiederaufbau Italiens und anderer Länder, sondern wie bereits die Euro-Hilfsmilliarden vor allem der Rettung der Gläubiger der hochverschuldeten Länder im Süden Europas. So diene das Geld aus den Rettungspaketen auch insbesondere dazu, dass das überschuldete Italien weiter seine Schulden bedienen könne, also Zinsen zahlen und Rückzahlungen leisten kann.
"Es bleibt natürlich auch für das Land selber was übrig, aber es profitieren immer auch die ausländischen Gläubiger. Wenn man das weiß, weiß man auch, warum solche Rettungsschirme gemacht werden." Neben deutschen Lebensversicherern seien vor allem französische Banken unter den Gläubigern Italiens zu finden. Die Ausleihungen französischer Finanzinstitute seien vier Mal so hoch wie die der deutschen. Dies erkläre auch, warum der französische Präsident Macron so vehement auf gemeinsame europäische Finanzhilfen gedrungen habe.
In der Tatsache, dass die EU nun erstmals auch eigene Schulden am Kapitalmarkt aufnehmen darf, sieht Sinn einen Tabubruch. Denn eigentlich ist das Haushaltsrecht eines der wichtigsten Rechte nationaler Parlamente. Durch gemeinsame EU-Schulden, für die im Zweifel nach Einschätzung Sinns alle EU-Staaten gemeinschaftlich haften werden, werde das Haushaltsrecht der Parlamente ausgehebelt. Durch die de fakto gemeinsame Haftung würden zudem Euro-Bonds durch die Hintertür realisiert.
"Man nimmt das Geld auf, es tut zunächst keinem weh, aber das dicke Ende kommt ja nach, die Schulden müssen ja von irgendwem bedient werden und im Nachhinein dürfen dann die Parlamente der Mitgliedsstaaten nur noch abnicken, Gelder die dazu dienen, diese Schulden später zu bedienen." Zudem werde die gemeinsame Verschuldung auf europäischer Ebene nicht auf die Verschuldung der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten angerechnet, wodurch die im Stabilitätspakt vereinbarten Grenzen für Schulden und Defizite ohne Sanktionen überschritten werden können.
Durch die billionenschwere Geldschöpfung der EZB befürchtet Sinn langfristig eine deutlich anziehende Inflation. "Der Umfang ist so gewaltig, dass ich schon Angst kriege", sagt Sinn. Inklusive der jetzt beschlossenen Hilfen steige die sogenannte Geldbasis der EZB wohl auf rund fünf Billionen Euro, also 5.000 Milliarden Euro. Vor 2008 habe die Geldbasis bei nur 900 Milliarden Euro gelegen. Die europäische Wirtschaft sei in der Zeit dieser starken Geldmengenausweitung aber nicht gewachsen, so Sinn.
Bisher verhindere die sogenannte "Liquiditätsfalle", also die Tatsache, dass ein Großteil der in Umlauf gebrachten Liquidität vor allem gehortet wird, einen starken Anstieg der Inflation. Bei einer Erholung der Wirtschaft werde dieses Geld aber in die Realwirtschaft fließen und zu einem Anstieg der Teuerung führen. Sinn zweifelt daran, dass die EZB schnell genug reagieren und den Märkten die Liquidität wieder entziehen kann. Denn dazu müsste die EZB die von ihr gehaltenen Staatsanleihen auf den Markt werfen, was zu riesigen Verlusten bei Banken führen würde. Zudem müssten die Staaten dann höhere Zinsen auf neue Staatsanleihen zahlen, wodurch auch die Staaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten würden. Deshalb werde der Rückwärtsgang in Sachen Geldpolitik voraussichtlich auch dann nicht eingelegt werden, wenn das wegen des Anziehens der Inflation eigentlich notwendig sei. Ziehe die Inflation einmal an, könne sich auch recht schnell eine "gallopierende Inflation" entwickeln. Sinn sieht Parallelen zu den 20er Jahren. Die Hyperinflation bis zum Jahr 1923 habe letztlich auch den späteren Aufstieg Hitlers begünstigt, da der Mittelstand in der Hyperinflation sein Vermögen verloren habe.
Einen erneuten harten Lockdown könne sich Deutschland nicht leisten, sagt Sinn. Stattdessen seien lokale Reaktionen notwendig, wobei Sinn weniger auf Verbote und vorgeschriebene Quarantäne und mehr auf bessere Informationsangebote setzt. So schlägt Sinn eine Verbesserung der Corona-App vor. Menschen sollten nicht nur informiert werden, wenn sie selbst einem Corona-Infizierten begegnet seien, sondern auch auf einer Karte sehen können, wo sich andere Personen aufhalten, die Kontakt zu einem Infizierten hatten. Dann könnten Menschen diese Bereiche gezielt und freiwillig meiden.
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