Kommentar
16:16 Uhr, 11.03.2022

Wo endet die Zinswende in den USA?

Das Ende der Nullzinspolitik ist eingeläutet. Selbst die EZB macht Tempo und beendet ihre Anleihekäufe früher als geplant. Wo wird das alles enden? Überraschenderweise mit Negativzinsen.

Die US-Notenbank wollte weder nach der Finanzkrise noch während der Coronakrise mit Negativzinsen experimentieren. Die genauen Gründe dafür kennt nur die Notenbank selbst. Einige Gründe sind aber mehr oder weniger offensichtlich. Negativzinsen sind nicht die Lösung aller wirtschaftlichen Probleme.

Zuerst führte Dänemark einen Negativzins ein. Die EZB senkte den Einlagensatz erstmalig Mitte 2014 in den negativen Bereich. Das brachte weitere Nachbarn der Eurozone unter Zugzwang. Schweden und die Schweiz zogen fast zeitgleich mit, um eine zu starke Aufwertung der eigenen Währung gegenüber dem Euro zu vermeiden.

Vor sechs Jahren folgte Japan. Der Einlagensatz wurde auf -0,1 % gesenkt und dort belassen. Um das Problem der Eurozone zu umgehen, in der Bankgewinne durch die Negativzinsen ausgedünnt wurden, richtete die Bank of Japan Freibeträge ein. Am Ende ist fraglich, wie viel Negativzins wirklich umgesetzt wurde.

Banken zögerten lange, die Negativzinsen weiterzugeben. Erst Jahre nach Einführung kamen Negativzinsen auch bei Sparern an. Einige Banken haben die Freibeträge für Kunden auf 10.000 Euro oder weniger gesenkt. Der Druck auf die Margen wurde einfach zu groß. Auch die EZB erkannte dies und entlastete Banken, indem sich diese zu Negativzinsen Geld bei der EZB leihen konnten.

Durch die Hintertür wurden Negativzinsen teilweise wieder abgeschafft. Die Frage, ob Negativzinsen sinnvoll sind, ist also angebracht. Sinnvoll sind sie nur, wenn sie konsequent umgesetzt und weitergegeben werden. Andernfalls wirken sie vor allem auf die Profitabilität der Banken und schwächen das Finanzsystem.

Regierungen hingegen haben profitiert. Im Sommer 2021 rentierten sogar griechische Anleihen mit einer Laufzeit von fünf Jahren im negativen Bereich. Negativzinsen entlasten Staaten. Das ist ein Faktor, der auch in den USA zu Negativzinsen führen kann. Die nächste Krise kommt bestimmt, die Schulden sind bereits jetzt so hoch wie nie, Defizite sind chronisch und werden immer höher.

Finanzielle Repression ist ein Ausweg aus der Schuldenfalle. Dieser Weg könnte in der nächsten Krise notwendig werden. Das ist ein Grund, der dafürspricht, dass auch die USA nicht ewig auf Negativzinsen verzichten werden. Ein anderer Grund ist die demographische Entwicklung.

Die Partizipationsrate am Arbeitsmarkt sinkt seit der Jahrtausendwende. Sie zeigt, wie viel Prozent der Personen im erwerbsfähigen Alter am Arbeitsleben teilnehmen. In den USA sind alle Personen, die älter als 16 Jahre sind, ein Teil dieser Gruppe, also auch Personen, die längst im Rentenalter sind.

Mit einer älter werdenden Gesellschaft sinkt die Partizipationsrate automatisch. Doch auch die vergangenen zwei Krisen haben dazu geführt, dass einige Personen dem Arbeitsmarkt den Rücken gekehrt haben und nie zurückkamen. Dieses strukturelle und soziale Problem verschärft die Lage. Bereits jetzt ist die Partizipationsrate so niedrig wie zuletzt in den 70er Jahren (Grafik 1).

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Je weniger Menschen am Arbeitsleben teilhaben, desto weniger Einkommen wird erwirtschaftet, welches in den Konsum fließt. Inflation ist am Ende eine Folge von wachsender Nachfrage. Mit strukturell sinkender Partizipationsrate gibt es einen langfristigen Trend, der für niedrigere Inflationsraten spricht. Unterbrechungen wie in diesen Quartalen ändern daran nichts.

Die Marktzinsen 10-jähriger Anleihen und auch andere Zinsen folgen der Veränderung der Partizipationsrate (Grafik 2). Wir wissen mit sehr hoher Sicherheit, dass die Partizipationsrate weiter sinken wird. Folglich sollten auch die Zinsen weiter sinken. Schon zwei Mal stand die Fed mit ihrem Leitzins bei 0 %. Beim nächsten Mal reicht das möglicherweise nicht mehr. Die Frage ist daher wohl nicht, ob Negativzinsen kommen, sondern wann.

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  • MC500
    MC500

    Lassen wir die Zinswende doch erstmal beginnen, bevor wir sie schon wieder enden lassen…

    18:00 Uhr, 11.03.2022

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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