Kommentar
14:55 Uhr, 19.06.2015

Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg oder wo kein Wille ist, muss da ein geldpolitischer Weg sein?

Die letzte Instanz in der EU bei unlösbaren Problemen ist die Elefantenrunde, das Treffen der Regierungschefs. In punkto Griechenland sollen sie in der nächsten Woche die Quadratur des Kreises hinbekommen. Zurzeit liegen die Gläubiger und der Schuldner völlig unversöhnlich in ihren Schützengräben. Zur Lösung in letzter Minute gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder - um Zeit zu gewinnen - verlängern die Regierungschefs die Hilfszusagen an Griechenland bis z.B. in den Herbst. Dann allerdings werden die griechischen Schuldenprobleme noch größer sein, weil der Anreiz für Reformen noch weiter geschwächt ist. Oder die Gläubigerseite bietet Griechenland die Lösung "Money for nothing“ - Leistung ohne Gegenleistung - an. Diese letzte Variante wäre aber ein so großer Glaubwürdigkeitsverlust, dass deutsche Politiker persönliche Konsequenzen ziehen müssten. Diese Lösung scheidet also aus. Daher scheint im Moment nur der Lösungsweg zu bleiben, zunächst keine Lösung zu finden. Dann käme der EZB die alles entscheidende Rolle zu.

Nichtzahlung an IWF bedeutet nicht sofort Pleite

Selbst wenn Griechenland die Kreditrückzahlung an den IWF Ende Juni vermutlich nicht leisten wird, wäre das Land laut Ratingagenturen zunächst nicht insolvent, denn dieses Urteil wird nur verhängt, wenn die von privaten Gläubigern gehaltenen griechischen Staatsanleihen nicht mehr bedient werden. Wenn Athen die öffentlichen Gläubiger nicht bedient, könnten die Einnahmen des Staats also ausreichen, um die Staatsausgaben - Beamtenbesoldung, Rentenzahlung - zumindest vorläufig abzudecken.

Sicherlich wird es dann kein neues Hilfsprogramm geben. Insofern sind die Banken Griechenlands maßgeblich auf geldpolitische Notkredite angewiesen. Da die EZB sich als von der Politik unabhängige Instanz sieht und die Pleite zumindest per Definition nicht eingetreten ist, spricht viel dafür, dass sie diese Nothilfen zunächst auch nicht verweigern wird. Da die griechische Bevölkerung dann aber weiter versuchen würde, wie bislang möglichst viel Euro-Bargeld von den Banken abzuheben, wären allerdings Kapitalverkehrskontrollen und Begrenzungen der Bargeldabhebung zu erwarten.

Grundsätzlich kann die EZB diese griechische Alternativfinanzierung jedoch nur bis zum 20. Juli aufrechterhalten. Denn dann muss Athen seine von der EZB gehaltenen Staatsanleihen über ca. 3,4 Mrd. Euro zurückzahlen. Da dies höchst unwahrscheinlich ist, würde es für die EZB stabilitätsmoralisch schwierig, Gnade vor Recht walten zu lassen.

Somit hat die griechische Regierung bis 20. Juli Zeit, zur finanzpolitischen Besinnung zu kommen und ihre 100-prozentige Reformrenitenz aufzugeben. Kommen ihr die Gläubiger bis dahin nicht entgegen - was sie aus Reputationsgründen eigentlich nicht können - geht Griechenland de facto in die Insolvenz und wird damit den Einstieg in den Ausstieg aus der Eurozone beginnen.

US-Zinswende - Die Salamitaktik der Fed

Die Fed hält an ihrer zinspolitischen Unverbindlichkeit fest. Janet Yellen will erst „entschiedene Beweise“ für ein nachhaltiges US-Konjunkturwachstum und eine Inflationsbeschleunigung abwarten, bevor sie die Zinswende einleitet.

In der Tat, bei näherer Betrachtung liefert die US-Wirtschaft bislang wenig Zinserhöhungsargumente. Zwar hat laut ISM Stimmungsindex das Verarbeitende Gewerbe seine winterliche Konjunkturdepression hinter sich gelassen. Doch in der „harten“ US-Industrieproduktion spiegelt sich das noch nicht wider.

Auch der US-Arbeitsmarkt ist weniger robust als allgemein angenommen. Die grundsätzlich hohe Anzahl neu geschaffener Stellen im Privatsektor beruht vor allem auf der durch einen großen Niedriglohnsektor geprägten Dienstleistungsbranche.

Abzuwarten bleibt, ob die Trendwende in der Beschäftigungsplanung der US-Industrie einen nennenswerten tatsächlichen Stellenaufbau nach sich zieht. Schon oft seit dem Platzen der US-Immobilienblase hat die Beschäftigungsplanung Besserung vorgetäuscht, die dann aber nicht nachhaltig war. Dabei ist gerade die im Durchschnitt durch höhere Löhne charakterisierte und daher konsumbedeutende Industrie eine wichtige geldpolitische Maßgröße.

Ebenso weist der US-Immobilienmarkt als klassische Stütze für die US-Wirtschaft trotz Erholung noch nicht annähernd die Dynamik früherer Erholungszyklen auf. Trotz niedriger Zinsen lässt die Zinselastizität von Baubeginnen und -genehmigungen deutlich zu wünschen übrig.

Die Fed macht Zinspolitik der Marke urbi et orbi

Darüber hinaus muss die US-Notenbank auch ein Auge auf den US-Dollar werfen, der über eine markante Leitzinswende zu stark aufwerten und damit zu Gegenwind für die US-Exportindustrie führte.

Nicht zuletzt verteuert ein zu starker US-Dollar den Schuldendienst der zu großen Teilen in US-Dollar verschuldeten Schwellenländer. Die von Schuldenkrisen im Extremfall ausgehenden Restriktionen für das Weltwirtschaftswachstum, das auch die amerikanischen Exportunternehmen negativ träfe, will die Fed begrenzen.

Inflation liefert keine Zinserhöhungsargumente

Auch die Inflation mäßigt den Zinserhöhungsdruck. Zwar scheinen die US-Inflationserwartungen ihr Tief durchschritten zu haben. Das liegt aber vor allem an der Erholung der Rohölpreise seit Jahresbeginn. Aufgrund des fortbestehenden Öl-Überangebots auf dem Weltmarkt ist nicht von dynamisch ansteigenden Inflationserwartungen auszugehen.

Der Blick auf den zuletzt im Vorjahresvergleich steigenden Arbeitskostenindex ist für einige Volkswirte das klassische Argument für eine zügigere Zinswende. Allerdings ist festzustellen, dass der Zusammenhang zwischen Arbeitskosten und Inflationsrate seit 2010 nachgelassen hat. Die zunehmende Internationalisierung von US-Unternehmen entspannt das Reflationspotenzial der Verteuerung der Arbeit in den USA.

Auf das Tempo von US-Zinserhöhungen kommt es an und das bleibt gemächlich

Trotzdem wird die US-Notenbank ab September die Zinswende schon aus Glaubwürdigkeitsgründen einleiten. Immerhin hat sie diese seit über einem Jahr verbal vorbereitet.

Allerdings betonte Frau Yellen auf der letzten Sitzung der Fed, dass für sie weniger der genaue Zeitpunkt der ersten, sondern vielmehr das anschließende Tempo in punkto Zinserhöhung entscheidend ist. Die wiederholt gesenkten US-Wachstumsprojektionen insbesondere für 2015 - 1,9 nach zuvor 2,5 Prozent - sowie Leitzinsprojektionen von 0,625 Prozent für 2015 und 1,625 bzw. 2,875 für 2016 und 2017 (nach zuvor 1,875 bzw. 3,125 Prozent) sprechen für ein ruhiges Zinserhöhungstempo. In diesem Zusammenhang verwies Yellen einmal mehr auf die Datenabhängigkeit ihrer Zinspolitik, womit sie einem mechanischen Zinserhöhungsautomatismus clever entgeht. Nach einer ersten Zinserhöhung hat sie - auch weil die USA die Deflation erst zuletzt hinter sich gelassen hat und der kritische Inflationsschwellenwert für eine restriktive Zinspolitik noch sehr weit entfernt ist - einen weiten Spielraum für zinspolitische Passivität.

Aktuelle Marktlage: Die Blasen werden weiter befüllt, damit sie nicht platzen

So bleibt den Aktienmärkten auch die Fed als Aorta erhalten. Markante US-Leitzinserhöhungszyklen wie 1999/2000 und insbesondere zwischen 2004 und 2006, die in den USA aus Gründen der massiven Liquiditätspräferenz zu einem dramatischen Einbruch der Wertpapierkredite an der New York Stock Exchange führten, werden sich nicht wiederholen können. Angesichts des heute deutlich höheren Kreditvolumens wäre das Schadenspotenzial ungleich größer.

GRAFIK DER WOCHE

Wertpapierkredite an der New York Stock Exchange und US-Aktienindex

Insgesamt werden die internationalen Aktienmärkte wie bei früheren sanften US-Zinserhöhungen sogar weiter ansteigen.

Mit Blick auf die Unsicherheit im griechischen Schuldendrama ist die Volatilität bei Aktien zwar gestiegen. Im historischen Vergleich bleibt sie jedoch immer noch verhalten und deutet keinen Aktien-Crash an. Auf Basis des VDAX liegt die Schwankungsbreite im DAX zwischen 10.354 und 12.100 Punkten.

Es bleibt dabei: Der Grexit wäre für die Aktienmärkte nicht nur zu verkraften. Er wäre sogar ein Aktientreiber.

Charttechnik DAX und Euro Stoxx 50 – Trotz Nervosität Erholungspotenzial

Der DAX dürfte seine Rallye fortsetzen, wenn die Zone um 11.000 Punkte verteidigt werden kann. Im Bereich zwischen 11.500 und 11.600 Punkten trifft der DAX auf die nächste Widerstandszone. Darüber gilt es, die obere Begrenzung des Abwärtstrendkanals bei derzeit 11.640 Punkten zu überwinden. Weitere Hürden warten schließlich zwischen 11.900 und 12.080 Punkten.

Sollte dagegen die Unterstützung bei 11.000 Punkten erneut durchbrochen werden, dürfte die untere Begrenzung des Abwärtstrendkanals bei zurzeit 10.751 Punkten erneut angesteuert werden. Darunter geben eine Unterstützung bei 10.485 Punkten und der starke Auffangbereich zwischen 10.050 und 9.927 Punkten Halt.

Auf dem Weg nach oben gilt es für den Euro Stoxx 50, die Widerstandszone um 3.550 Punkte signifikant zu überwinden. Weitere Hürden darüber verlaufen bei 3.610 und danach knapp am kurzfristigen Abwärtstrend bei zurzeit 3.630 punkten.

Sollte der Euro Stoxx 50 die starke Unterstützung bei 3.417 Punkten deutlich durchbrechen, wartet der nächste Halt bei 3.368 Punkten. Darunter liegen eine solide Unterstützungszone zwischen 3.325 und 3.290 Punkten und eine weitere Auffanglinie bei 3.192 Punkten.

Und was passiert in der KW 26?

Alle Augen der Anleger sind auf das anstehende EU-Sondertreffen der Regierungschefs am Montag gerichtet. Ob eine Lösung gefunden wird, ist mehr als fraglich.

In China dürfte der von der HSBC Bank veröffentlichte Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe weiterhin auf konjunkturelle Schwäche hindeuten. In Japan signalisiert der Einkaufsmanagerindex hingegen eine stabile Konjunkturstimmung.

In den USA deuten die Auftragseingänge langlebiger Güter ohne die volatilen Transportaufträge auf eine US-Konjunkturerholung hin, die ihren Ausdruck auch in einem freundlicheren Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende US-Gewerbe findet. Das Konsumentenvertrauen der Universität von Michigan signalisiert zudem eine Stabilisierung der Binnenkonjunktur.

In der Eurozone zeigt sich die Stimmung in der Industrie gemäß Einkaufsmanagerindices grundsätzlich stabil. In Deutschland dürften die ifo Geschäftsklimadaten allerdings erneut etwas nachgeben. Der deutsche Konsum bleibt laut GfK Konsumklimaindex stabil.

HALVERS WOCHE

Angela Merkel kann zur Mutter Courage der Eurozone und ihrer Finanzmärkte werden

Bislang waren Aussagen wie „Die Zeit läuft ab“ oder „Das Zeitfenster schließt sich“ oder „Der Ball liegt im Feld der Griechen“ quasi feste Textbausteine eines jeden Kommentars über den griechischen Schuldenstreit. Irgendwie geriet jeder neue Tag zum alles entscheidenden Tag. Doch passiert ist dann ständig nichts. Das war der Mythos der immer wieder letzten Frist. Doch jetzt kommt es gezwungenermaßen zur Stunde der Wahrheit: Pleite oder nicht. Denn die ordentliche Rückzahlung der Kredite an den IWF Ende Juni von ca. 1,6 Mrd. Euro wäre vielleicht für Helden der griechischen Mythologie möglich, aber in der schnöden griechischen Schuldenrealität können weder der Ministerpräsident noch der Finanzminister als Helden der Geldbeschaffung bezeichnet werden.

Auch von den Gläubigern darf es eigentlich keine frischen Finanzhilfen zur Abwendung des griechischen Staatsbankrotts geben: Ohne Reformliste, kein neues Geld. Damit haben die griechische Reformliste und das Bernsteinzimmer etwas gemeinsam: Sie sind unauffindbar.

Es geht nicht um Reformversprechen, es geht um Reformumsetzungen

Die Diskussion um eine Reformliste - als Auflage für die Verlängerung des Hilfsprogramms bis Juni - war von Anfang an eine Phantomdiskussion. Es kann keine ordentliche Reformliste geben. Ansonsten würde die griechische Regierung zu Hause vom Hof gejagt. Was nutzt überhaupt die vollmundigste Reformliste, wenn sie nicht umgesetzt wird. Hilfsgelder an Griechenland kann es vernünftigerweise nur gegen Reformumsetzung geben. Versprechungen - das haben die griechischen Beteuerungen in der Vergangenheit oft genug gezeigt - sind schöne Worte, denen aber operative Substanz fehlt. Glaubt man etwa einer Katze, die verspricht, das Mausen einzustellen? Nicht zuletzt fehlt es Griechenland an Infrastruktur zur Umsetzung von Reformen. Selbst eine Mehrwertsteuererhöhung würde - was man hört - an mangelnden verwaltungstechnischen Voraussetzungen scheitern. Und da der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras jetzt auch noch mit Verbalentgleisungen aufwartet, wonach der IWF kriminell sei - wenn er also die Hand beißt, die ihn füttert - riecht es verdammt nach einem baldigen griechischen Lehman-Wochenende, oder?

Tsipras und seine vermeintlichen drei Trümpfe

Die griechische Seite pokert mit extrem hohem Einsatz und hatte damit angesichts der zuletzt äußerst großzügigen butterweichen Gläubigerseite in der Tat auch lange Zeit Erfolg. Konkret versucht Athen, IWF, EU-Kommission und EZB mit seiner griechischen Angstkeule gleich dreifach zu erpressen. Laut Tsipras sei der Austritt der Griechen aus der Eurozone der Anfang von ihrem Ende, da die Finanzmärkte sich sofort das nächste Euro-Land als Opfer aussuchen würden. Ein besonderes Ass im Ärmel meint er mit Väterchen Frost Putin zu besitzen. Er weiß um die große Befürchtung der USA vor einer Annäherung des Nato-Landes Griechenland an Russland. Dieses geostrategische Argument hat durchaus seine Berechtigung. Der gute Tsipras sollte allerdings wissen, dass ein Kranker einem Kranken nicht helfen, geschweige denn ihn heilen kann. Aber wenn Tsipras sein Land mit dem berühmten Putinschen Humanismus in Geiselhaft nehmen will, muss er auch die Verantwortung tragen. Seinen größten Trumpf sieht er jedoch in Angela Merkel. Aufgrund drohender sozialer Unruhen in Hellas, des Drucks Amerikas auf sie, Griechenland geostrategisch bei der Stange zu halten, der dann für alle klar erkennbaren Unfähigkeit Europas, die eigenen Probleme zu lösen und der deutschen Steuergeldverschwendung nach einer Griechen-Pleite von ca. 87 Mrd. Euro, hatte sich Angela Merkel bislang tatsächlich immer wieder auf den griechischen Beistandspakt festgelegt. Das allerdings ließ Tsipras schamlos auf eine stabilitätsfaule Lösung mit griechischem Schuldenerlass hoffen. Damit würde er in Griechenland zulasten vor allem der Stabilitäts-Kanzlerin unsterblich, ja zur Legende.

Noch scheinen die Euro-Politiker die Konsequenzen einer Veränderung des Status Quo wie Eheleute die Folgen einer Scheidung zu fürchten. Aus Furcht vor dem Verlust des Hauses will man es um jeden Preis miteinander aushalten. Sollte man nicht eher an die Entwicklung der Kinder denken, die durch den ermüdenden Dauerstreit deutlich mehr Schaden nehmen als bei einem sauberen Beziehungsende?

Der Euro-Hund muss wieder mit dem griechischen Schwanz wedeln, nicht umgekehrt

Gerade die deutschen Politiker können der Geopolitik nicht alles unterordnen. Es geht nicht um eine politische Lösung für Griechenland, sondern um finanzpolitische Schadensbegrenzung für die Eurozone. Unsere Euro-Stabilitätsseele dürfen wir nicht einfach verramschen, nur um Griechenland um jeden Preis vor der Pleite zu bewahren. Dieser Preis wäre viel zu hoch, weil nach der Griechen-Krise die weit größere Stabilitätskrise einsetzte. Zukünftig würden die griechischen Schuldenprobleme noch größer. Und was wir Griechenland gewähren, können wir anderen Euro-Ländern nicht verwehren. Zum Schluss verkäme die uns damals versprochene Europäische Stabilitätsunion zur griechischen Schuldenunion und damit zum größten Etikettenschwindel in der neueren Finanzgeschichte. Und dann kommt es erst Recht zum geopolitischen Bedeutungsverlust. Oder glaubt irgendjemand, dass Europa mit eventuellem Verlust der an Marktwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit glaubenden Briten, aber in jedem Fall mit bröckelndem weltwirtschaftlichem Gewicht seinen geopolitischen Wert beibehalten kann?

Gegen den griechischen Trojaner hat die EZB ein Anti-Virus-Programm entwickelt

Im Übrigen ist die griechische Angstmacherei, wonach der Grexit zur Auflösung der Eurozone führe, gespielter Theaterdonner. Denn die EZB hat vom Europäischen Gerichtshof die höheren Weihen empfangen, Staatsanleihen der Eurozone aufkaufen zu dürfen. Die Bundesverfassungsrichter werden nicht dagegen intervenieren, da sie keine Schuld an der Wiederbelebung der Euro-Krise haben wollen. Lieber Herr Tsipras, gegen ein Überschwappen der griechischen Schuldenkrise auf andere Euro-Länder ist sehr wohl ein Kraut und zwar ein geldpolitisches gewachsen.

Vogel friss oder stirb - Auf die Kanzlerin kommt es an

Tatsächlich bekommt das grinsende Pokerface von Tsipras Sorgenfalten. Der politische Kompromisswille in Deutschland hat sich gegen Athen gedreht. Das liegt sicher auch an Wahlumfragen. Das gibt der Kanzlerin deutlich mehr Beinfreiheit für eine härtere Gangart gegen Athen. Einem massiven Verlust an Stabilitäts-Reputation kann sie nicht tatenlos zusehen. Als entscheidende Gegenspielerin von Alexis Tsipras wird sie jetzt die Kosten einer finanzpolitischen Lösung (= Grexit) gegen die Kosten einer geopolitischen Lösung (= Verbleib) abwägen.

Steht der Grexit also unmittelbar vor der Tür? Vor allem die deutsche Regierung könnte Athen ein definitiv letztes Mal entgegenkommen, indem man auf die mittlerweile knappe Zeit für erforderliche parlamentarische Abstimmungen hinweist. Und bestimmt findet man in den Niederungen der Kreditverträge mit Hellas noch masochistische Interpretationsspielräume für eine kurze Fristverlängerung zum Beweis, nichts unversucht gelassen zu haben. Bei ihrem nächsten sadistischen Angriff müssten die Griechen dann aber konsequent austreten. Sonst liegt der politische Glaubwürdigkeitsverlust bei 100 Prozent.

Bei diesem Grexit mögen die Aktienkurse zwar zunächst sinken. Da die Rettungs-Schotten jedoch halten, also kein Lehman-Effekt auf andere Euro-Länder zu befürchten ist und der Austritt Griechenlands der Anfang vom Ende der Stabilitätskrise in der Eurozone ist, sind das klare Kaufkurse.

Der Grexit ist unter den aktuellen Gegebenheiten das Beste, was Europa passieren kann. Wenn Frau Merkel diesen Euro-Restabilisierungsprozess professionell einleitet und begleitet - und so etwas kann sie gut - wird sie zur Mutter Courage der Eurozone und ihrer Finanzmärkte.

VOLKSWIRTSCHAFTLICHE PROGNOSEN AUF EINEN BLICK

KAPITALMARKT AUF EINEN BLICK

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse der Baader Bank AG

Rechtliche Hinweise/Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenskonflikten der Baader Bank AG:

http://www.baaderbank.de/disclaimer-und-umgang-mit-interessenskonflikten/

5 Kommentare

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  • Kaputtnick
    Kaputtnick

    Angela Merkel kann zur Mutter Courage der Eurozone und ihrer Finanzmärkte werden

    Ist eine Beleidigung für "Mutter Courage"

    19:13 Uhr, 20.06.2015
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Money for nothing, tja traurig, aber so siehts in der Realität leider aus. Die to big to fail Banken, die sich in Greece verzockt hatten, bekamen von EU-Steuerzahler Money vor nothing. Beim gemeinen griechischen Bürger kam bis heute no Money an. Dr. Jekill und Mr. Hyde, eine unselige Symbyose, genau wie die Symbyose zwischen Politik und Banken. Angie M. als Mutter Courage? Richtig wäre doch wohl eher, Angie M. als Mutter Blamage. Sie ist wendefähig wie eine Fahne im Wind, überzieht den deutschen Steuerzahler mit Euro-Haftungsrisiken, die an die Versailler Verträge erinnern. Sie betreibt Politik nicht zum Wohle des Volkes und leider wird sie von den Michels die noch wählen gehen, seit 10 Jahren immer wieder auf den Schild gehoben. Wie heißt es so schön: Nur die dümmsten Kälber, wählen ihren Schlachter selber.

    23:33 Uhr, 19.06.2015
  • kingkong007
    kingkong007

    Das glaub ich jetzt nicht, wer hat Sie denn geritten.

    23:13 Uhr, 19.06.2015
  • Bradley
    Bradley

    Sehr geehrter Herr Halver, ich schätze Sie als Analyst, aber was Sie in diesem Kommentar von sich geben, ist einfach nur "bull.....". Sie wissen ganz genau, dass die griechische Regierung das einzig richtige tut, nämlich die Interessen ihres Volkes vertritt, was seit mehr als 20 Jahren keine Regierung dieses Landes getan hat. Natürlich muss man in diesem Zusammenhang sagen, dass Griechenland niemals der Euro-Zone hätten betreten dürfen, dies haben aber alle verantwortlichen gewußt und somit "sehenden Auges" diese Situation "heraufbeschwört". Ich gehe daher davon aus, dass nun endlich die "Griechenlandblase" platzen wird (ich hoffe, leider wird es aber zu Ungunsten der "armen" in Griechenland ausgehen) und als nächstes, was keiner der sogenannten "Eliten" (oder auch Regierungsvertreter) einplant, ist dies, dass, ganz egal, wie der sogenannte "Kompromiss" am kommenden Montag der "Chefs" auch ausgehen mag, dass Ende der "Euro-Union" (zumindest hoffe ich dies) einleiten wird, da jede/jeder Instanz, egal ob IWF, EZB, EU und natürlich die Regierungen in "Merkelland", Frankreich, etc., jegliche Glaubwürdigkeit gegenüber ihren Steuerzahlern eingebüßt haben. So kann ich zum Abschluss nur sagen, ich drücke Griechenland den Daumen, dass Sie die "Mischboche" der EU endlich dahin schicken, wohin keine Sonne mehr scheint (inklusive unserer "Trulla" und den anderen "Vasallen" die die EU-Bürokratien noch aufrechterhalten. Ich befürchte allerdings, dass die USA unserer "M" eindeutig den Auftrag gegeben haben, dass Griechenland "gerettet" werden muss und dies wird auch erstmal passieren. Denn unsere Kanzlerin ist ja nicht unbedingt dafür bekannt, dass Sie "Wort hält" (Beispiel: PKW-Maut). Zum Schluss will ich nur noch eines sagen, dass es wirklich "von Ehre spricht", wenn eine Regierung (Griechenland) versucht ihre Wahlversprechen, die sie gegeben hat, auch einzulösen. Wer sich darüber lächerlich macht, hat den Glauben an die Demokratie verloren.

    22:11 Uhr, 19.06.2015
  • österreicher
    österreicher

    Ein sehr ausfürlicher Artikel zum aktuellen Thema Griechenland, danke!

    20:47 Uhr, 19.06.2015