Kommentar
09:22 Uhr, 22.08.2017

Wirtschaft an Fed: Hör auf zu jammern!

Eigentlich ist die Lage ja gar nicht so schlecht – eigentlich. Jammern kann man schließlich immer. Das trifft besonders auf Notenbanker zu.

Notenbanker jammern natürlich nicht, sie analysieren. Derzeit gewinnt man den Eindruck, dass überanalysiert wird. Einerseits beteuern Notenbanker wie gut die Lage ist. Andererseits finden sich dann doch bemerkenswert viele Haare in der Suppe.

Die gute Lage wird vor allem durch den Arbeitsmarkt gerechtfertigt. Dieser läuft. Noch immer werden monatlich über 100.000 neue Jobs geschaffen. Die Arbeitslosenrate fällt und fällt. Das sind gute Neuigkeiten, aber eben nicht gut genug.

Die Notenbank soll ja innerhalb ihres Mandats nicht nur für größtmögliche Beschäftigung sorgen, sondern auch für Preisstabilität. Diese ist gewährleistet, wenn die Inflation langfristig bei 2 % liegt. Mittelfristig darf sie auch einmal darunter oder darüber liegen. Darüber lag sie schon lange nicht mehr.

Notenbanker fürchten um ihr symmetrisches Inflationsziel. Es wurde schon so lange nicht mehr erreicht, dass sich die Sorgenfalten zum chronischen Krampf entwickeln. Die chronisch niedrige Inflation ist auf vielerlei Faktoren zurückzuführen. Tiefe Rohstoffpreise sind ein Grund, aber kein besorgniserregender. Rohstoffpreise fluktuieren nun einmal stark. Es sind vorrübergehende Faktoren.

Ein anderer Faktor ist die Lohnentwicklung. Hier kommen die Stirnkrämpfe ins Spiel. Die Löhne entwickeln sich einfach nicht robust genug. Bei so niedriger Arbeitslosigkeit sollten die Löhne schneller steigen. Das tun sie aber nicht. Das hält auch die Inflation zurück. Wer nicht mehr verdient, kann auch schlecht mehr ausgeben. Die Nachfrage wächst kaum.

Soweit, so nachvollziehbar. In der Realität ist die Lage aber alles andere als düster. Die Notenbank tut geradezu so, als ob die Löhne gar nicht steigen würden. Die Stundenlöhne steigen derzeit mit einer Jahresrate von 2,4 % (Grafik 1). Das ist im historischen Vergleich wenig. Zwischen 1990 und 2007 war dieser Wert die untere Grenze. Jetzt ist es die obere.

Gleichzeitig ist die Inflation gefallen. Die Reallöhne steigen daher durchaus in solidem Tempo. Die Schwankungen sind freilich wegen der Fluktuation der Inflation groß. Mittelfristig gesehen ist die derzeitige Erholung eine der besten für Arbeitnehmer. Reallöhne sind seit Ende der Krise um 10 % gestiegen. Das war sehr viel schneller als in den 90er Jahren. Zwischen 1973 und Ende der 80er Jahre fielen die Reallöhne tendenziell.

Man kann diese Entwicklung mit verschiedenen Datensätzen nachvollziehen. Grafik 2 zeigt nicht die Stundenlöhne, sondern die reale Entwicklung des Verdienstes (sämtliche Kompensation). Hier ist das Bild gemischter. Ende der 90er Jahre war die Lage besser, doch im Vergleich zu vielen anderen Aufschwüngen ist die Entwicklung seit 2012 sehr gesund.

Notenbanker mögen über die Löhne jammern, doch das hat wenig Grundlage. Real steigen die Löhne wie lange nicht. Wenn die Notenbank nach Gründen für niedrige Inflation sucht, dann sollte sie sich ein anderes Feld als die Löhne aussuchen.

Clemens Schmale

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    Wieder eine falsche Teilanalyse! Die Reallöhne sind im Schnitt gestiegen. Sie sind aber bei über 2/3 der Bevölkerung, insbesondere in den unteren Einkommensschichten stagniert, tendenziell eher gefallen. Das ist das Problem mit Durchschnittswerten in der Ökonomie und das gilt für sämtliche Betrachtungen der Vermögen und Einkommen insgesamt. Wenn fast 2/3 Bevölkerung in Rezession sind, die Arbeitslosenquote mindestens 12 bis 15 Prozent beträgt, woher reales Wachstum herkommen, woher? Die sog. Wirtschaftsexperten, Notenbanker und Wirtschaftswissenschaftler sollten einmal anfangen, Ihre Analyse und die zugrundeliegenden Parameter zu überdenken!

    10:36 Uhr, 23.08. 2017

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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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