Kommentar
16:06 Uhr, 15.08.2018

Wieso wächst die Eurozone so langsam?

In Deutschland konnte das Wachstum im zweiten Quartal wieder etwas zulegen. Insgesamt wachsen Deutschland und die Eurozone aber langsamer als andere Regionen. Woran liegt das überhaupt?

Im vergangenen Jahr ist der Eurozone etwas Außergewöhnliches gelungen. Sie konnte schneller wachsen als die USA. Das war eine Situation, an die man sich nicht gewöhnen sollte. Es war ein Ausnahmezustand. Über einen längeren Zeitraum läuft das US-Wachstum jenem in der Eurozone davon (Grafik 1).

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Das erscheint nicht ganz fair. So verschieden sind die zwei Regionen ja dann doch nicht, möchte man meinen. Irgendetwas scheint hier aber nicht zu stimmen. Gerne wird der Unterschied erklärt, indem auf mehr Regulation in der Eurozone verwiesen wird oder in den USA mehr Innovation stattfindet.

Diese Aspekte tragen sicherlich zum Unterschied bei. Der Hauptgrund ist jedoch ein anderer. Der Blick auf das Wachstum in Australien bringt den Hauptunterschied auf den Punkt. Australien ist bekannt dafür, dass es seit über 25 Jahren keine Rezession mehr gab. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht.

Das Wirtschaftswachstum war tatsächlich seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr negativ. Betrachtet man dazu allerdings das Pro-Kopf-Einkommen (Grafik 2), zeigt sich ein etwas anderes Bild. Das Pro-Kopf-Einkommen sank im Jahr 2009. Australien blieb von der Finanzkrise auch nicht verschont.

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Das Pro-Kopf-Einkommen wächst nicht so stark wie die Gesamtwirtschaft. Den Unterschied aus den beiden Datensätzen kann man relativ leicht herleiten. Es ist das Bevölkerungswachstum (Grafik 3). In Australien wächst die Bevölkerung um ca. 1,5 % pro Jahr.

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Dieses Wachstum kommt zu großen Teilen aus der Zuwanderung. Zieht man das Bevölkerungswachstum vom Wirtschaftswachstum ab, ist es plötzlich viel kleiner. Wächst die Bevölkerung, gibt es auch mehr Arbeitnehmer. Das steigert das Bruttoinlandsprodukt. Es bedeutet aber nicht automatisch, dass auch die Löhne steigen.

Die Zahlen sind daher etwas irreführend. In Deutschland schrumpfte die Bevölkerung, bevor es zur Einwanderungskrise kam. Wie es der Zufall so wollte, legte mit der Zuwanderung auch das Wachstum zu. Über die Qualität des Wachstums sagt das natürlich wenig aus.

Generell wächst die Bevölkerung in der Eurozone und EU sehr langsam. Zwischen den USA und der Eurozone liegt ein Unterschied von fast 0,5 Prozentpunkten. Es ist also kein Wunder, dass die USA systematisch schneller wachsen.

Griechenland hingegen wächst praktisch gar nicht mehr. Jedes kleine Wachstum wird gefeiert. Berücksichtigt man allerdings, dass die Bevölkerung stark geschrumpft ist, ist die Lage gar nicht so düster. Die Lage ist immer noch nicht toll, aber weniger dramatisch als man meint.

Mit den Wachstumszahlen muss man also vorsichtig sein. Wachstum allein hat wenig Bedeutung. Viel aussagekräftiger ist die Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens. Das ist das, was bei den Menschen ankommt und den Lebensstandard bestimmt.

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8 Kommentare

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  • Powerseller61
    Powerseller61

    Das kommt von den vielen tollen Berichten die Herr Schmale hier immer verbreitet. Da kommt keiner mehr zum arbeiten.

    13:59 Uhr, 16.08. 2018
    1 Antwort anzeigen
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    wieviel % vom BIP macht denn die Finanzindustrie jeweils bei den Wirtschaftsräumen aus ?

    20:20 Uhr, 15.08. 2018
  • Market Impact
    Market Impact

    Hallo Herr Schmale, schöner Artikel. Schade das Japan nicht mit verglichen wurde.

    Vielleicht ist Japan eine Schablone für das was uns noch blüht?

    19:00 Uhr, 15.08. 2018
  • S_o_r_o_s
    S_o_r_o_s

    kann man bei euch noch kostenlos Charts analysieren? Wenn ich eine Einzelaktie aufrufe und dann auf "Chart analysieren" klicke kommt die Meldung "Inhalt nicht gefunden" und dann der Chart vom Dax ;-(

    Auch meine gespeicherten Charts sind weg

    17:26 Uhr, 15.08. 2018
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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