Kommentar
16:00 Uhr, 21.07.2021

Wieso Notenbanker uneins sind wie selten zuvor

Die Meinungen der Notenbanker über die richtige Geldpolitik geht meilenweit auseinander. Die einen haben Angst vor Inflation, die anderen sehen sie als vorübergehend an. Wer hat Recht?

Noch wichtiger ist wahrscheinlich die Frage: Wer bekommt Recht? Wer sich auch immer in der Diskussion durchsetzt, bestimmt immerhin die Geldpolitik. Wer am Ende tatsächlich Recht hatte, ist unerheblich. Wer sich durchsetzen kann, ist, was zählt. Da der US-Notenbankchef Powell Inflation als vorübergehend ansieht, dürfte er am Ende Recht bekommen. Er hat die wichtigste Stimme in der Notenbank. Ob er mit der vorübergehenden Natur der Inflation auch tatsächlich Recht hat, sei dahingestellt. Die andere Seite hat auch gute Argumente. Das beste Argument sind schlichtweg die Fakten. Wenn Preise auf Jahressicht um 5,4 % steigen, ist das hoch. Punkt. Die Inflationsrate liegt deutlich höher als vorhergesagt, obwohl alle mit steigenden Raten rechneten. Statt im April oder Mai ein Hoch zu erreichen und dann wieder zurückzugehen, beschleunigt sich der Trend derzeit noch. Was vorübergehende Inflation genau sein soll, weiß niemand so recht. Das Problem ist allerdings nicht neu. Viele Preise können aufgrund von Sonderfaktoren variieren. Es wäre falsch, auf all diese Faktoren zu reagieren und die Geldpolitik anzupassen.

Wenn z.B. der Benzinpreis steigt, weil Raffineriearbeiter in Streik getreten sind, kann die Zinspolitik wenig bewirken. Die Preise steigen in diesem Fall, egal was die Notenbank macht.

Um mit Sonderfaktoren umgehen zu können, hat die Notenbank von New York bereits vor Jahren die zugrundeliegende Inflation erfunden (Grafik 1). Hier soll der zugrundeliegende Preisdruck dargestellt werden. Hier zeigt der Trend steil nach oben. Das spricht gegen die Behauptung, dass alles nur vorübergehend ist.


Demgegenüber können Powell und andere Notenbanker ihre eigenen Charts stellen. Alternative Inflationsraten mahnen zur Vorsicht. Man muss nicht überreagieren. „Sticky Price Inflation“, also die Preise von Gütern, deren Preise nur langsam variieren, sind zuletzt gestiegen, aber noch immer unter dem Vorkrisenniveau (Grafik 2). Das gilt auch für die „trimmed“ Inflationsrate, bei der die größten Ausreißer herausgerechnet werden.

Aktuell sind die Preise von Gebrauchtwagen ein solcher Ausreißer. Die Preise steigen zweistellig. Es ist vollkommen klar, dass Gebrauchtwagen nicht für lange Zeit so schnell steigen können. Niemand zahlt für einen Gebrauchtwagen mehr als für einen Neuwagen, wenn es sich nicht um einen wertvollen Oldtimer oder eine Rarität handelt.

Besonders auffällig ist die Median-Inflationsrate. Die Hälfte der Preise steigt schneller als dieser Wert, die andere Hälfte langsamer. Man kann sagen, dass der Median gesund ist und die Inflationsrate von 5,4 % vor allem durch Ausreißer entsteht. Diese kann man auch direkt herausrechnen.

Alles, was Computerchips benötigt, ist wegen Lieferengpässen teuer. Das gilt für Autos wie für bestimmte Konsumgüter. Das ist vorübergehend. Vorübergehend ist auch der Preisanstieg aufgrund der Öffnung der Wirtschaft. Airlines haben ihre Kapazitäten in der Krise verkleinert und kommen nun nicht schnell genug nach. Auch das ist vorübergehend. Ohne diese Reopening Faktoren liegt die Inflation deutlich tiefer (Grafik 3).


Man muss nur lange genug rechnen, um die Inflationsrate zu erhalten, die man haben will. Derweil zahlen Bürger immer mehr für die Güter des täglichen Bedarfs. Die Rechnerei verändert auch die Fakten nicht. Die Inflation ist hoch und einen Beweis, dass die vorübergehenden Sonderfaktoren wirklich vorübergehend sind, gibt es nicht. Notenbanker werden entsprechend noch für Monate alles andere als einer Meinung sein.

Clemens Schmale


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1 Kommentar

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    Die Notenbanker sind nicht uneinig die spielen Theater damit die Leute beruhigt sind und es bleiben. Alles geht vorüber auch das Bewusstsein wie hoch die Inflation wirklich ist. Seit über 20 Jahren sinken die Zinsen und die Inflation steig. Und jetzt wo es etwas mehr sein darf fällt es jedem auf. Und bei den Schulden werden die Länder die nur über Inflation wieder los oder Währungsreform.

    16:12 Uhr, 21.07. 2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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