Kommentar
08:45 Uhr, 28.04.2021

Wieso Notenbanken plötzlich an ein Ende der ultralockeren Geldpolitik denken

Immer mehr Notenbanken denken plötzlich laut über ein Ende der ultralockeren Geldpolitik nach. Das Ende wird früher und schneller kommen als wir bisher dachten.

Die norwegische Notenbank will noch in diesem Jahr die Zinsen anheben. Soweit gehen die meisten anderen Notenbanken in Europa, Japan und Nordamerika nicht. Es tut sich aber etwas. Vor wenigen Tagen kündigte die kanadische Zentralbank an, ihr QE-Programm zu verringern. Anstatt wie bisher 4 bis 5 Mrd. an Wertpapieren pro Woche zu kaufen, werden es ab dieser Woche nur noch 3 Mrd. sein. Damit beginnt die BoC den Ausstieg aus QE (Quantitative Easing). Bis Ende des Jahres dürfte dieser abgeschlossen sein. Wie viele andere Notenbanken auch hat die BoC zu Beginn der Krise nicht gezögert. Das wöchentliche Kaufvolumen erreichte mehr als 20 Mrd. Innerhalb eines Monats wurden Wertpapiere im Volumen von 4 % der Wirtschaftsleistung gekauft. Das ist schon einmalig.


Auch in der Eurozone mehren sich die Stimmen, dass man das Pandemieprogramm nicht unbedingt ausschöpfen muss. Allein die Tatsache, dass bereits weit vor dem Erfolg der Impfkampagne darüber gesprochen wird, lässt aufhorchen. Die Wertpapierkäufe werden voraussichtlich im Herbst verringert. Bis März 2022 soll das Programm ohnehin auslaufen. Danach gibt es nur noch das bisherige QE-Programm im Umfang von 20 Mrd. Euro pro Monat.

Die US-Notenbank sagt zwar immer noch, dass sie über den Ausstieg noch nicht nachdenkt, doch auch hier gilt: das Ende wird früher kommen, als viele wahrhaben wollen. Powell genießt derzeit Rückendeckung. In der Krise herrscht Einigkeit. Einzelne Notenbanker wollen QE jedoch reduzieren, wenn Herdenimmunität erreicht ist. Das ist im Frühsommer der Fall. Dass es bis zum Jahreswechsel überhaupt keine Reduktion der Käufe gibt, braucht viel. Wahrscheinlicher ist eine Reduktion noch in diesem Jahr (Grafik 2).


Wieso aber haben es plötzlich alle Notenbanken so eilig aus QE auszusteigen? Grafik 3 liefert darauf eine mögliche Antwort. Die großen Notenbanken haben Anleihen im Umfang von 20 % bis 30 % der Wirtschaftsleistung erworben. Bis Ende des Jahres erhöht sich dieser Prozentsatz um weitere 5-10 %.

Zusätzlich haben Regierungen zwischen 18 % und 36 % der Wirtschaftsleistung an Konjunkturhilfen versprochen. Vergleich man das mit den direkten Hilfen als Antwort auf die Finanzkrise, wird die überproportionale Dimension deutlich. Faktoren liegen dazwischen.

Da sollte jedem unheimlich werden. Eine schnelle Reaktion vor einem Jahr war absolut notwendig. Inzwischen haben viele Regierungen erkannt, dass die Notenbanken sie finanzieren und wollen immer mehr Geld ausgeben. Je länger Notenbanken mit einer Reduktion von QE warten, desto schwieriger ist der Ausstieg, wenn die Staatsschulden tatsächlich anfallen.

Gleichzeitig braucht es schlichtweg nicht noch mehr Schulden, um die Wirtschaft anzuschieben. In vielen Regionen deutet sich ein historischer Boom an. Bereits zum Jahresende werden viele Volkswirtschaften überhitzen. Das dämmert auch den Notenbanken langsam und sie reagieren nun darauf. In vielen Fällen ist das eine zu späte Reaktion.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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