Kommentar
08:10 Uhr, 03.04.2021

Wieso kommt die Zinskurvenkontrolle nicht?

Zinsängste könnten Notenbanken problemlos beenden, indem eine Zinskurvenkontrolle eingeführt wird. Davon ist keine Rede. Wieso?

Japan hat die Zinskurvenkontrolle eingeführt, Australien ebenso. Die EZB kann es nicht, da es zu viele Mitgliedsländer mit unterschiedlichen Voraussetzungen gibt. Die EZB kann nicht für Italien und Deutschland den gleichen Zinssatz festlegen. Das ist aktuell nicht machbar. In den USA hingegen wäre es problemlos machbar. Gerade die Fed wehrt sich jedoch gegen die Idee einer Zinsfestlegung. Wieso? Die Zinskurvenkontrolle klingt gut und die Idee ist bestechend. Um die wirtschaftliche Erholung zu gewährleisten, werden Zinsen entlang der Zinskurve festgelegt. Japan erlaubt der 10-jährigen Anleihe innerhalb einer Renditebandbreite von -0,25 % bis 0,25 % zu oszillieren. In Australien wurde die Rendite der Anleihen mit einer Laufzeit von drei Jahren auf 0,1 % festgelegt. In beiden Fällen funktioniert es hervorragend...

Der Markt glaubt daran, dass die Notenbank einschreitet, wenn der Zins zu hoch steigt. Die Notenbank würde in diesem Fall unbegrenzt Anleihen kaufen. In Japan war das bisher niemals notwendig. Tatsächlich musste die Notenbank nach Einführung der Zinskurvenfestlegung sogar weniger Anleihen kaufen. Wieso also wehrt sich die Fed vor einem ähnlichen Konzept?

So bestechend das Konzept sein mag, es gibt Nachteile. In Japan gab es wenig Druck auf die Anleiherendite, weil die Inflation niedrig war. Japan hatte 20 Jahre lang keine Inflation hat immer noch keine. Es besteht kein Druck für höhere Renditen. In Australien funktioniert es nur, weil kurzfriste Anleihen im Fokus stehen und nicht langfristige.

Befürchten Anleger wie in den USA höhere Inflation, steigt der Zins. Die Gefahr ist groß, dass sie Fed dann tatsächlich unbegrenzt Anleihen kaufen muss. Das will sie unbedingt vermeiden. Sie hat damit nämlich bereits Erfahrung. Während des Zweiten Weltkriegs legte die Fed den kurzfristigen Zins auf knapp 0,4 % fest und den langfristigen auf 2,5 % (siehe Grafik).


Das funktioniert, selbst bei hoher Inflation. Dafür musste sie allerdings zeitweise 87 % des Marktes für kurzfristige Anleihen leerkaufen. Der freie Markt wurde abgeschafft. Das will die Fed heute nicht.

Es gibt aber noch einen ganz anderen Nebeneffekt. Durch die Festlegung langfristiger Zinsen wird die Notenbank vom Staat erpressbar. Wird der Zins für 10-jährige Anleihen z.B. auf 1 % festgelegt, kann sich der Staat zu einem festen Zins unbegrenzt verschulden.

Solange kein Zinsziel ausgegeben wird, ist die Notenbank in ihrer Entscheidungsfindung theoretisch nicht eingeschränkt. Sobald eine Anleiherendite festgelegt ist, gilt das nicht mehr. Sie muss sich bei ausufernder Staatsverschuldung dann entscheiden: verteidigt sie ihre Glaubwürdigkeit oder betreibt sie sinnvolle Geldpolitik?

Unbegrenzte Staatsverschuldung führt zu Inflation. Preisstabilität ist Teil des Mandats. Eine Zinsfestlegung führt zu einem Spannungsfeld im Mandat und dazu, dass sie Notenbank ihre Unabhängigkeit vom Staat de facto aufgibt. Davor hat die Fed Angst, zu Recht.

Clemens Schmale


Tipp: Als Abonnent von Godmode PLUS sollten Sie auch Guidants PROmax testen. Es gibt dort tägliche Tradinganregungen, direkten Austausch mit unseren Börsen-Experten in einem speziellen Stream, den Aktien-Screener und Godmode PLUS inclusive. Analysen aus Godmode PLUS werden auch als Basis für Trades in den drei Musterdepots genutzt. Jetzt das neue PROmax abonnieren!

Eröffne jetzt Dein kostenloses Depot bei justTRADE und profitiere von vielen Vorteilen:

  • 25 € Startguthaben bei Depot-Eröffnung
  • ab 0 € Orderprovision für die Derivate-Emittenten (zzgl. Handelsplatzspread)
  • 4 € pro Trade im Schnitt sparen mit der Auswahl an 3 Börsen & dank Quote-Request-Order

Nur für kurze Zeit: Erhalte 3 Monate stock3 Plus oder stock3 Tech gratis on top!

Jetzt Depot eröffnen!

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

Mehr über Clemens Schmale
  • Makroökonomie
  • Fundamentalanalyse
  • Exotische Basiswerte
Mehr Experten