Kommentar
18:18 Uhr, 08.04.2022

Wieso hat Deutschland bereits wieder 70er-Jahre-Inflation und der Rest der Welt (noch) nicht?

Für viele Jahre war die Inflation in Deutschland tiefer als im Rest Europas. Nun ist es umgekehrt. Wieso?

Ob es ein Trost ist, sei dahingestellt, doch es gibt Länder in Europa, die unter noch höherer Inflation als Deutschland leiden. In Spanien ist die Inflationsrate fast zweistellig. Sie liegt dort bereits bei 9,8 %. Deutschland ist mit gut 7 % nicht an der Spitze. Dennoch ist eine Teuerungsrate von 7,3 % für Deutschlands eigene Nachkriegshistorie sehr hoch.

Trotz hoher Inflationsraten kann man in vielen Ländern noch nicht von einer Wiederholung der 70er Jahre sprechen. In Spanien müsste die Inflationsrate dafür von nun knapp 10 % auf knapp 30 % steigen. Das ist noch ein weiter Weg, der auch für viele andere Länder gilt. In den USA müsste sich die Inflationsrate nochmals um fünf Prozentpunkte nach oben bewegen, in der Schweiz um zehn, in Italien um 15 und in Frankreich um 7 Punkte (Grafik 1).

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In Deutschland ist das anders. Hier muss sich die Inflationsrate nicht mehr nach oben bewegen. Der Spitzenwert wurde im Dezember 1973 mit 7,9 % erreicht. Im Oktober 1981 ging es nochmals auf 7,5 % nach oben und nach der Wiedervereinigung auf gut 6 % (Grafik 2). Deutschland blickt nicht mit Sorge auf eine Wiederholung der Großen Inflation, sondern steckt bereits mittendrin.

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Die Frage ist nur, wieso es Deutschland dieses Mal mehr als vor 50 Jahren und als andere Länder trifft. Die Antwort liegt in der Wertschöpfungskette. Ein Blick auf die Erzeugerpreise erklärt vieles (Grafik 3). Mit mehr als 25 % Preisanstieg übersteigt der Wert den in den 70er Jahren deutlich. Auch in anderen Ländern sind die Erzeugerpreise hoch, aber noch nicht so hoch wie in Deutschland.

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Produzenten verwenden zwar überall auf der Welt die gleichen Rohstoffe, doch einzelne Rohstoffe sind unterschiedlich stark gewichtet. Das hängt damit zusammen, was in einer Wirtschaft vorwiegend produziert wird. Der Anteil an Konsumgütern, die in ihrer Wertschöpfungskette weniger rohstoffintensiv sind, ist in Deutschland kleiner als in vielen anderen Ländern.

Industriegüter haben einen hohen Anteil. Entsprechend hoch ist das Gewicht von Rohstoffen wie Energie. Gerade jetzt schlägt das stark durch. Das gilt nicht nur für Erzeugerpreise, sondern auch für Verbraucherpreise. Die Zusammensetzung ist in Deutschland anders als in Frankreich oder den USA. Der Dienstleistungsanteil fällt weniger stark ins Gewicht als Güter.

Dienstleistungen wiederum werden von der Lohnentwicklung bestimmt. Diese hinkt der Gesamtinflation hinterher. Je mehr ein Verbraucher- oder Erzeugerpreisindex von Dienstleistungen abhängt, desto geringer fällt er momentan aus. Deutschland verbraucht tendenziell etwas mehr Güter als Dienstleistungen im Vergleich zu vielen anderen Ländern. Dies erklärt einen Großteil des Unterschieds.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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