Kommentar
14:45 Uhr, 17.05.2021

Wieso Geldpolitik derzeit besonders schwierig ist

Selten waren Notenbanken so herausgefordert wie jetzt. Die Politik macht die Aufgabe nicht leichter.

Die meisten Notenbanken haben immer noch Angst vor Inflation. Ein wenig paradox ist das schon. Über ein Jahrzehnt lang haben sie versucht, die Inflation nach oben zu drücken, ohne Erfolg. Jetzt gibt es einen kleinen Inflationsanstieg und einige Notenbanken denken bereits über den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik nach. Die Bank of England reduziert ihre wöchentlichen Anleihekäufe bereits wieder, die EZB könnte im Juni folgen. Kanada denkt über ein Ende von QE nach, Norwegen prognostiziert eine Zinsanhebung noch in diesem Jahr. Ein EZB Notenbanker ließ unlängst mit der Aussage aufhorchen, dass die Zinsen auch wieder einmal steigen müssen. All diese Aussagen und Handlungen zeigen, dass viele Notenbanken noch mehr Angst vor Inflation als vor Deflation haben. Sie bleiben damit der Linie der letzten 40 Jahre treu. Die US-Notenbank ist eine Ausnahme. Sie will es wissen. Sie will die einmalige Chance nutzen und Inflation laufen lassen.

Die einen (EZB, BoE, Bank of Canada usw.) befürchten, dass die aufgestaute Nachfrage zusammen mit den hohen Ausgaben des Staates zu ungewollter Inflation führen. Die Fed hingegen sieht die Gefahr, dass es wieder nicht für eine Trendwende zu mehr Inflation reicht. Sie will auf Nummer sicher gehen und erst handeln, wenn die Inflation tatsächlich zu hoch ist.

Welcher Ansatz sich langfristig als korrekt herausstellt, bleibt abzuwarten. Die Fed hat allerdings Recht, wenn sie davon ausgeht, dass Inflation kein Selbstläufer ist. Einerseits sind die Einkommen durch staatliche Hilfe drastisch gestiegen (Grafik 1). Der Gesamtkonsum folgt den Einkommen und liegt über dem Vorkrisenniveau.


Gleichzeitig haben Konsumenten Schulden abgebaut, z.B. bei Kreditkarten (Grafik 2). Das haben sie nicht getan, weil sie es aufgrund der Rezession mussten, sondern weil das Geld dank Schecks von der Regierung vorhanden war. Das ermöglicht mehr Spielraum für Konsum in der Zukunft.

Die Preise von Gütern werden weiter robust steigen. Lieferengpässe garantieren das, selbst wenn mit der Öffnung der Wirtschaft wieder mehr Dienstleistungskonsum und weniger Güterkonsum stattfindet. Den Preisanstieg von Gütern haben Verbraucher inzwischen wahrgenommen. Die Inflationserwartungen steigen deutlich. Vor allem die langfristige Inflationserwartung ist so hoch wie seit über 20 Jahren nicht mehr (Grafik 3).

Dieser Anstieg – Verbraucher wollen keine Inflation – schlägt auf das Gemüt. Das Verbrauchervertrauen ist im Mai gesunken, obwohl die Wirtschaft in den USA öffnet (Grafik 4). Damit hat die US-Notenbank eine Situation, in der einerseits viel Geld für den Konsum vorhanden ist, aber andererseits Konsumenten wegen des Preisanstiegs schlechter gelaunt sind. Die Laune bestimmt am Ende die Nachfrage.

Zu allem Überfluss wollen immer mehr Bundesstaaten das zusätzliche Arbeitslosengeld von 300 Dollar pro Woche streichen. Damit ist weniger Geld für den Konsum vorhanden. Das hohe Arbeitslosengeld sorgt für eine Verknappung von Arbeit und Lohnanstiegen. Ohne dieses Geld sinken die Einkommen und der Lohndruck sinkt. Das ist deflationär.

Es ist ein komplexes Gemisch aus Einflussfaktoren. Eine klare Linie, ob Inflation nun bleibt oder nicht, gibt es nicht. Das macht Geldpolitik so schwierig wie lange nicht.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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