Kommentar
17:10 Uhr, 11.05.2021

Wieso der US-Arbeitsmarktbericht doch sehr gut war und inflationär wirkt

Die Zahlen passten nicht zu der Erwartung. Es war sogar von einer historischen Fehleinschätzung die Rede. Trotz der augenscheinlichen Enttäuschung war der Arbeitsmarktbericht richtig gut.

Selten wurde ein Arbeitsmarktbericht mit so großer Spannung erwartet wie jener am vergangenen Freitag. Analysten rechneten mit einer Million neuer Jobs. Manche fantasierten sogar über 2 Mio. Am Ende waren es weniger als 300.000. Das als enttäuschend zu bezeichnen wird der Sache nicht gerecht. Der Markt reagierte in einer Erstreaktion entsprechend. Die Zinsen stürzten regelrecht ab. Die Rendite 10-jähriger US-Anleihen fiel von 1,59 % auf 1,48 %. Der Grund ist offensichtlich. Wenn der Arbeitsmarkt nicht in Gang kommt, steigen auch die Einkommen weniger, es wird weniger konsumiert, die Inflation steigt langsamer und die Fed kann ihre Geldpolitik länger sehr expansiv gestalten. Kurze Zeit später kehrte sich diese Erstreaktion ins Gegenteil. Die Zinsen standen zu Handelsschluss wieder dort, wo sie zu Handelsbeginn standen. Obwohl sich der Arbeitsmarkt ganz offensichtlich abschwächt, änderten Anleger ihre Einschätzung doch nicht. Wieso?


Es dauerte einige Stunden, bis eine Erklärung für die Enttäuschung gefunden war. Immer mehr Unternehmen beklagen, dass sie keine Arbeitnehmer finden. Das passte zunächst nicht zu den Zahlen. Das Problem: viele wollen oder können noch nicht wieder arbeiten.

Der Staat zahlt attraktives Arbeitslosengeld. Für viele sind die Einkommen dadurch höher als durch Arbeit. Vor allem Geringqualifizierte werden derzeit gesucht. Der Lohn ist aber nicht attraktiv. Zudem sind in einigen Bundesstaaten Schulen noch nicht wieder geöffnet. Aufgrund mangelnder Kinderbetreuung können Eltern teils einfach nicht arbeiten.

Man muss sich um den US-Arbeitsmarkt keine Sorgen machen. Unternehmen entlassen kaum noch Personal. Dafür kündigen viele Arbeitnehmer freiwillig (Grafik 2). Hohe freiwillige Kündigungen sind ein Zeichen dafür, dass Arbeitnehmer viele Optionen haben und ein Jobwechsel attraktiv sind.


Tatsächlich sind wieder fast so viele Stellen offen wie vor der Krise. Die Zahl der Arbeitslosen ist höher. Dennoch gibt es pro Arbeitslosen fast eine freie Stelle (Grafik 3). Das sind alles keine Krisenzeichen. Stattdessen boomt der Arbeitsmarkt.

Gibt es viele offene Stellen, aber nicht ausreichend Bewerber, müssen die Löhne steigen. Arbeitgeber müssen mit hohem Arbeitslosengeld konkurrieren. Das hilft vor allem Geringqualifizierten. Die Löhne in Industrien, die wenig Ausbildung benötigen, steigen tendenziell langsamer. Da nun eine Knappheit an Arbeitnehmern herrscht, steigen die Löhne in diesem Bereich nun so schnell wie bei Jobs, für die es eine hohe Qualifizierung braucht (Grafik 4).

Das ist die Sensation des Arbeitsmarktberichtes. Die künstliche Verknappung des Angebots durch hohes Arbeitslosengeld sorgt für hohes Lohnwachstum. Das sind richtig gute Neuigkeiten. Geringes Lohnwachstum seit 2008 hat auch die Inflation begrenzt.

Der Finanzmarkt nahm den Bericht zunächst als deflationär auf (wenige neue Jobs bedeuten langsames Wachstum). Tatsächlich aber ist er inflationär (Arbeitnehmermangel lässt Löhne überproportional steigen). Das ist langfristig besser als ein einmaliger Arbeitsmarktbericht mit einer Million neuen Jobs.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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