Kommentar
17:39 Uhr, 09.12.2021

Wieso der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik dieses Mal schiefgehen kann

Als die ultralockere Geldpolitik das letzte Mal beendet wurde, kam es nicht zur gefürchteten Katastrophe. Eine Garantie, dass es wieder so sein wird, gibt es absolut nicht.

Die ultralockere Geldpolitik soll vor allem aus einem Grund beendet werden: Inflation. Notenbanken fühlen sich momentan sicher, dass sie den Kampf gegen die Inflation guten Gewissens beginnen können. Der Arbeitsmarkt ist solide, die Wirtschaft wächst. Die Bedingungen für eine straffere Geldpolitik sind dadurch gegeben.

Anleger trauen der Einschätzung der Notenbanker jedoch nicht. Sie erahnen einen geldpolitischen Fehler. Die Zinskurve (Differenz von lang- und kurzfristigen Zinsen) flacht rasant ab. Da bedeutet, dass Anleger in Zukunft deutlich geringeres Wachstum erwarten. Die Notenbank dürfte die Geldpolitik zu stark straffen, so lässt sich die aktuelle Entwicklung interpretieren.

Würden Anleger an ein Inflationsproblem glauben, wäre das Problem weniger stark ausgeprägt. Anleger glauben aber nicht an ein Inflationsproblem. Sie bleiben bei der Meinung, die die Notenbank gerade erst geändert hat (es ist ein vorübergehendes Problem). Für diese Meinung gibt es gute Gründe.

Der Inflationsanstieg ist nach wie vor ein Covid-Problem. Güter und Dienstleistungen, deren Preise von der Pandemie bestimmt werden, steigen stark an. Andere Preise tun dies nicht (Grafik 1). Das gilt für die generelle Inflationsrate ebenso wie für die Kerninflation (Grafik 2).

Der Hauptgrund für die höhere Inflation bleibt ein Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage. Diese Komponenten lassen sich darstellen. Der Beitrag zur Kerninflation von knappem Angebot und ungewöhnlich hoher Nachfrage liegt bei fast 1,5 Prozentpunkten (Grafik 3). Ohne dieses Ungleichgewicht läge die Kernrate nicht bei mehr als 3 %, sondern unterhalb von 2 %.

Die Pandemie kann man inzwischen nicht mehr als vorübergehend bezeichnen. Sie feiert ihren zweiten Geburtstag und wird auch noch einen dritten feiern. Anleger erwarten jedoch, dass sich die Probleme des Ungleichwichts mit der Zeit in jedem Fall abschwächen und die Inflation wieder sinkt.

Diese Erwartung wird deutlich, wenn man die Inflationserwartungen betrachtet (Grafik 4). In der Periode, in der die Inflation niedrig war (seit der Finanzkrise), lagen die langfristigen Inflationserwartungen immer über den mittelfristigen. Anleger erwarteten, dass die Notenbank ihr Ziel langfristig erreichen würde.


Derzeit liegt die mittelfristige Erwartung über der langfristigen. Anleger erwarten also, dass die Inflation wieder zurückgeht und sich das Problem in spätestens fünf Jahren aufgelöst hat. Diese Erwartung hatte bereits Gültigkeit, als Notenbanken noch nicht über eine straffere Geldpolitik zur Inflationsbekämpfung nachdachten.

Straffen Notenbanken die Geldpolitik, obwohl es Anleger als Fehler erachten, wird es ungemütlich. Schon einmal erachtete der Markt die rasche Straffung für falsch. Das war Ende 2018. Es folgte beinahe ein Bärenmarkt. Ähnliches wäre auch dieses Mal zu befürchten.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • mkgeld
    mkgeld

    Wenn der Präsident Biden schon vor Bekanntgabe der Inflationszahlen gestern den Markt vorbereiten muss auf höhere Inflationszahlen ist abzusehen wie das Spiel weitergeht. Hat gestern zur Überraschung vieler Markteilnehmer relativ gut funktioniert. Für mich hat es aber eine Signalwirkung für die Zukunft.

    09:06 Uhr, 11.12.2021
  • Opi Nahm Kenrotwi
    Opi Nahm Kenrotwi

    Immer wieder sehr interessant ihre Analysen zu lesen.

    Vielen Dank und weiter so.

    11:40 Uhr, 10.12.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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