Kommentar
07:51 Uhr, 02.09.2015

Wie wirkt sich ein Börsencrash auf die Realwirtschaft aus?

Die Angst vor einer ausgedehnten Korrektur an den Börsen ist groß. Die Befürchtung: unkontrolliert fallende Kurse könnten auf die Wirtschaft übergreifen. Ist die Angst berechtigt?

Wer besitzt den Aktienmarkt?

Um zu verstehen, wie gefährlich ein Crash oder eine Korrektur für die Realwirtschaft ist muss man wissen, wer überhaupt wie viele Aktien besitzt. Ohne diese Information kann man die Folgen eines Crashs nicht abschätzen. In den USA werden diese Daten von der Notenbank in den Financial Accounts (Z.1 Bilanz) zusammengetragen. Das Ergebnis ist in Grafik 1 dargestellt.

Der US Aktienmarkt hat sich seit Datenverfügbarkeit stark verändert. Gehörten den Haushalten 1945 noch über 90% des Aktienmarktes, sind es heute weniger als 40%. Genau genommen wird nur noch ein knappes Drittel des Marktes von Haushalten direkt gehalten. Ein Teil ist in andere Instrumente abgewandert. So besitzen viele Privatpersonen Fondsanteile oder ETFs, anstatt direkt bei ihrer Bank oder ihrem Broker Aktien zu kaufen. Insgesamt ändert sich an dem Gesamtbild dadurch wenig. Auch wenn ein Teil der Privatpersonen Fonds und ETFs besitzt, bleibt der Anteil am Markt bei ungefähr einem Drittel.

Die lange Historie zeigt gut, wie stark sich der Markt verändert hat. Fonds wurden erst Anfang der 90er Jahre so richtig beliebt. ETFs expandieren erst seit ungefähr 10 Jahren. Der Anteil privater Pensionsfonds ist dafür deutlich zurückgegangen, dafür investieren die Pensionsfonds der Regierung vermehrt in Aktien.

Auswirkungen eines Crashs

Wieso ein Crash Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben kann, leuchtet relativ schnell ein. Hat ein Anleger ein Vermögen von z.B. 100.000 USD und 80% davon in Aktien investiert, dann verschlechtert sich die Vermögenssituation, wenn die Kurse fallen. Im Crash oder in einer Korrektur fallen Aktien relativ schnell an die 15 bis 20%. Das Aktienvermögen von 80.000 USD reduziert sich dann um 12.000 bis 16.000 USD. Im Ernstfall sinkt das Gesamtvermögen von 100.000 um 16.000 USD oder 16%.

Die US Wirtschaft wird vom Konsum getragen. Ungefähr 70% der Wirtschaftsleistung stammen aus dem privaten Konsum. Konsumiert wird natürlich nur, wenn die Menschen Geld dafür haben. Verringert sich das Vermögen plötzlich um viele tausend Dollar, dann verdirbt das natürlich die Laune. Das leuchtet ein.

Wie groß der Spielverderber Börse sein kann, zeigt Grafik 2. Dargestellt ist die Aufteilung des Gesamtvermögens der US Haushalte. Ungefähr 10% des Gesamtvermögens liegen auf Konten. Direkt in Aktien und indirekt über Fonds werden an die 30% des Vermögens investiert. Das ist mehr als noch vor 25 Jahren, aber bereits deutlich weniger als Ende der 90er Jahre. Es ist auch weit entfernt von den Größenordnungen des obigen Beispiels, in dem der Anleger 80% seines Vermögens in Aktien hielt.

Der Durchschnittsamerikaner hält 30,7% seines Vermögens in Aktien. Damit das Gesamtvermögen merklich sinkt, muss es sich schon um einen ordentlichen Crash handeln. Für eine Reduktion des Gesamtvermögens um 10% muss die Börse ein Drittel nachgeben. Das ist ein sehr seltenes Ereignis. Normale Korrekturen verringern die Vermögenswerte um ca. 5%. Das mag immer noch ärgerlich sein, ist jedoch nichts, was einen Konsumenten komplett aus der Bahn wirft.
Man kann noch einen Schritt weitergehen. Der Durchschnittsamerikaner hält vielleicht 30,7% seines Vermögens in Aktien, doch der Durchschnitt sagt nicht viel aus. Grafik 3 zeigt die Verteilung des Aktienvermögens nach Vermögensquantilen. Die ärmsten 50% der Amerikaner halten nur gut 1% des Aktienvermögens aller Haushalte. Die nächsten 40% halten 16%. Die reichsten 10% halten zusammen an die 83% des gesamten Aktienvermögens der Haushalte.

Die Konzentration des Aktienvermögens ist sehr groß. Der Konsum allerdings ist nicht in einer Bevölkerungsschicht konzentriert. Nach einem Crash mag es sein, dass sich eine Person, die zu den Top 10% gehört, kein neues Auto kauft. An den unteren 90% geht das relativ spurlos vorbei, weil sie generell wenig Vermögen haben und noch weniger in Aktien. Ein Crash hat für 90% der Amerikaner so gut wie keinen Vermögenseffekt.

Die Konsumlaune kann immer noch nachlassen, selbst wenn 90% der Amerikaner durch einen Crash kaum weniger Vermögen haben. Ein Crash oder eine Korrektur, die in den Medien rund um die Uhr breitgetreten werden, kann sich dämpfend auf das Gemüt auswirken. Real sind die Auswirkungen auf das Vermögen der Masse jedoch begrenzt. Sofern die Verunsicherung nicht massiv steigt, weil die Medien wochenlang Panik schüren, bleibt auch der Konsum unbeeinträchtigt.

Die Auswirkungen eines Crash oder einer Korrektur bringen die Realwirtschaft nicht in Bedrängnis. Die Situation ist in vielen Ländern ähnlich wie in den USA. Die meisten Bevölkerungen halten noch geringere Anteile ihres Vermögens in Aktien. Entsprechend geringer sind auch die Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Notenbanken sollten sich daher eigentlich zurückhalten, wenn es sich um eine Korrektur handelt. Solange die makroökonomischen Daten gut sind, hat eine Notenbank im Crash nichts zu suchen und sollte unbedingt stillhalten. Wird trotzdem interveniert, dann sind Anleger und Investoren irgendwann so risikoavers, dass sie ohne Notenbank gar nicht mehr investieren – sei es in Aktien oder in die Realwirtschaft.

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6 Kommentare

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  • wollicgn
    wollicgn

    Ich glaube auch das die Physche eine unkalkulierbare Größe ist. Bei einem kurzen Crash wirkt sich das nicht besonders aus. Bis die Bildzeitung es merkt schon wieder alles vorbei ist.

    Aber wenn es dann jeden Tag in den Medien durchgekaut wird sieht das ganz anders aus, dann kommt die Angst derer die keine Aktien besitzen die dann Geld für schlechte Zeiten horten weil sie Angst vor einem Jobverlust haben.

    19:01 Uhr, 02.09. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • wollicgn
    wollicgn

    Guter Artikel klingt schlüssig aber was macht die Physche der 90% wenn sie Angst um ihren Job haben und deswegen das Geld festhalten. Wir Deutsche sind darin doch besonders gut und fahren lieber die Sparrate hoch.

    Dann haben wir durch die Hintertür doch einen gravierenden Einfluß auf die Wirtschaft.

    12:03 Uhr, 02.09. 2015
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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