Kommentar
16:19 Uhr, 10.05.2017

Wie wichtig ist das Gesundheitssystem für die Wirtschaft?

Trump kommt seinem Ziel näher, Obamacare zu ersetzen. Was aber bedeutet das für die Wirtschaft?

Das Thema ist emotional aufgeheizt. Das ist auch gut so. Mit der Gesundheit eines Menschen ist nicht zu spaßen. Wer krank wird, braucht Hilfe, manchmal mehrere Monate oder Jahre, chronisch Kranke immer. Das kostet. Das kostet so viel, dass sich viele die notwendigen Behandlungen aus eigener Tasche nicht leisten können.

Das Gesundheitssystem wie wir es in Europa kennen, ist kein billiges Vergnügen. Die überproportional steigenden Kosten erdrücken auch hierzulande die Systeme. Das muss man in Kauf nehmen, wenn man Menschen flächendeckend den Zugang zum Gesundheitssystem zur Verfügung stellen möchte.

Es ist aus europäischer Sicht ohnehin vollkommen bizarr, dass es ein entwickeltes Land gibt, in dem Menschen wegsterben, weil sie kein Geld haben. Die Lage ist dabei besonders prekär, weil der Durchschnittsamerikaner so gut wie kein Vermögen hat. Auf dem Sparkonto liegen im Durchschnitt 1.000 Dollar. Entstehen höhere Kosten, müssen Amerikaner entweder an ihr Erspartes für die Altersvorsorge oder über die Kreditkarte einen Kredit für die Gesundheitsversorgung aufnehmen.

Die Situation hat sich nach 2010 verbessert. Mit der Einführung von Obamacare hat theoretisch jeder Amerikaner Zugang zu einer Krankenversicherung. Auch das ist natürlich nicht geschenkt. Es gibt jedoch Sicherheit und vermeidet unvorhersehbare und ruinöse Ausgaben.

In erster Linie sollte es in der Diskussion um die Gesundheit an sich gehen. Ökonomisch betrachtet geht es aber um sehr viel mehr. Werden Amerikaner ohne Versicherung krank, kann sie das relativ schnell finanziell in den Ruin treiben. Das gilt heute fast mehr denn je, da die Finanzlage der Haushalte nach wie vor schlecht ist.

Die Finanzlage hat sich in den letzten Jahrzehnten massiv verschlechtert. Die Grafik zeigt die Privatinsolvenzen in den USA. Anfang des 20. Jahrhunderts musste weniger als 1 Amerikaner pro 1.000 Einwohner Privatinsolvenz anmelden. Dieser Wert stieg über die Jahre langsam an, doch selbst der Erste und Zweite Weltkrieg sowie die Große Depression führten zu keinen Horrorszenarien.

Das alles änderte sich mit dem Beginn der Ära der Kreditkarten. Ob das Zufall ist oder nicht, lässt sich nicht sagen. Die Korrelation zwischen der Verbreitung von Kreditkarten und Privatinsolvenzen ist jedoch sehr hoch. Das bedeutet allerdings nicht, dass ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Denkbar ist das aber allemal.

Die Privatinsolvenzen stiegen bis zur Finanzkrise explosionsartig an. Seit der Einführung von Obamacare ist der Wert rückläufig. Dieser Zeitraum fällt nun gerade mit einer wirtschaftlichen Erholung zusammen. Insofern könnte man sagen: Obamacare hat nichts mit der Entwicklung zu tun.

Der Schluss liegt nahe, dass die sinkenden Privatinsolvenzen mit dem Aufschwung zu tun haben. Das ist sicherlich auch der Fall, aber nicht nur. In den 80er, 90er und 2000er Jahren stieg die Zahl der Privatinsolvenzen unabhängig vom Wirtschaftswachstum und der Arbeitslosigkeit an. Der Rückgang seit 2010 ist ziemlich extrem. Die Zahl der Privatinsolvenzen hat sich mehr als halbiert. Das gab es seit über 60 Jahren nicht mehr. Da scheint mehr als nur die niedrige Arbeitslosigkeit dahinter zu stecken.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist zu befürworten, dass Menschen nicht Privatinsolvenz anmelden müssen, weil sie ein Medikament brauchen. So etwas ruiniert zu viele Haushalte auf Sicht vieler Jahre und schadet letztlich der wirtschaftlichen Entwicklung. Wir werden sehen, ob Trumpcare in der vorgeschlagenen Form kommt. Zu wünschen ist es nicht, schon allein aus ökonomischer Sicht nicht.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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