Kommentar
13:01 Uhr, 08.07.2022

Wie weit wird die Inflation fallen (wenn sie fällt)?

Der Anstieg der Preise wird sich nicht für immer beschleunigen und eine Trendumkehr erfolgt zwangsläufig. Kehrt der Trend erst, wie weit kann die Inflation dann fallen?

Notenbanken gehen in ihren Inflationsprognosen davon aus, dass die Teuerungsrate bis Ende 2023 wieder in den Zielbereich fällt. Da Notenbanken mit ihren Prognosen in den letzten Quartalen gehörig falsch lagen, kann man es niemandem verübeln, wenn man nicht an diese Prognosen glaubt.

Die Hoffnung, dass die Inflationsrate schnell wieder Richtung 2 % fällt, erscheint aus heutiger Sicht naiv. Vollkommen ausgeschlossen ist ein solcher Rückgang jedoch nicht. Es müssen dafür aber gewisse Bedingungen erfüllt sein. Ein wesentlicher Treiber der Inflation sind Rohstoffpreise.

Der Gesamtindex der Rohstoffpreise liegt gegenüber dem Vorjahr mit 40 % immer noch deutlich im Plus. Das Plus auf Jahressicht lag allerdings auch schon bei 100 %. Rohstoffpreise steigen also immer langsamer. Dass es dazu kommt, ist keine Überraschung. Steigt der Preis hoch genug, reduziert es die Nachfrage. Preisanstiege erschöpfen sich auf natürliche Weise irgendwann selbst.

Der Rückgang des Preisauftriebs bei Rohstoffen ist auch für die Gesamtinflation eine gute Neuigkeit. Inflation und Rohstoffpreise verlaufen parallel (Grafik 1). Noch steigt die Inflationsrate jedoch an und folgt den Rohstoffen noch nicht nach unten.


Die Divergenz, die sich seit 2021 ergibt, ist beachtlich (Grafik 2). Eine solche Divergenz ist allerdings zu erwarten. Rohstoffe stehen ganz am Anfang der Wertschöpfungskette. Bis sich höhere Preise durch die ganze Wertschöpfungskette durchgearbeitet haben, braucht es Zeit.

Nach derzeitigem Wissensstand wird die Inflationsrate demnächst (ab August bis Oktober, je nach Region) wieder zurückgehen. Die Frage ist aber nicht, ob die Inflationsrate auch wieder einmal sinken wird, sondern wie weit. Obwohl Rohstoffpreise nach dem Ölschock im Jahr 1975 fielen, blieb die Inflationsrate hoch.

In den OECD Ländern wurde das Hoch im Jahr 1974 mit 15,4 % erreicht. Es gab in der Folge einen Rückgang, doch dieser stockte bei 9 %. 9 % ist besser als 15,4 %, aber immer noch sehr hoch. Rohstoffe waren daran nicht schuld. Stattdessen kann man die Schuld auf die Lohnentwicklung schieben.

Löhne reagieren mit Verzögerung. Erst steigt die Inflation, dann steigen die Löhne. So stiegen die Löhne in der Zeit, in der die Inflation etwas zurückkam, immer schneller an (Grafik 3). Kurzfristig stieg die Kaufkraft. Mit steigender Nachfrage stiegen auch wieder die Preise.


Die zweite Inflationswelle endete noch höher, bei fast 16 %. Dafür lässt sich nicht allein die Lohnentwicklung verantwortlich machen. Es gab einen zweiten Ölschock. Ohne diesen Schock hätte es die zweite Welle nicht gegeben. Die zweite Welle von damals lässt sich nicht einfach auf heute übertragen.

Bleiben weitere Rohstoffpreisschocks aus, ist es die Lohnentwicklung, die bestimmt, wie weit die Inflation zurückgehen kann. Derzeit kann von einem Rückgang auf 4 % ausgegangen werden. Das ist das Doppelte dessen, was Notenbanken vorhersagen.

Dreht der Inflationstrend erst in den kommenden Monaten, wird die Erleichterung groß sein. Es wird eine mittelfristige Erholung starten (Wirtschaft, Aktienmarkt) bis dann Ende 2023 bemerkt wird, dass die Inflationsrate nun systematisch zu hoch ist. Ein zweiter Zinsschock dürfte folgen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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