Kommentar
08:21 Uhr, 08.09.2015

Wie weit steigen die Zinsen in den USA?

Der Markt ist von der US Zinswende wie besessen. Ob die kurzfristigen Zinsen nun bei 0% oder 0,5% stehen ist eigentlich unerheblich. Viel interessanter und wichtiger ist die Frage, wohin es mit den langfristigen Zinsen geht.

Noch ist die Zinswende in den USA nicht vom Tisch. Solange das der Fall ist, sollten sich Anleger mit der Frage auseinandersetzen.

Die kurzfristigen Zinsen steigen seit längerem an. Seit Ende 2014 sind die Zinsen für einjährige US Anleihen von 0,1% auf 0,35% gestiegen. Im gleichen Zeitraum sind die langfristigen Zinsen (10 Jahre) überhaupt nicht angestiegen. Sie pendelten zwischen 2,3 und 1,65%. Die kurzfristigen Zinsen kennen dagegen nur einen Weg: nach oben.

Der Anstieg der Zinsen am kurzen Ende und eine Stagnation der Zinsen am langen Ende bedeuten, dass die Zinskurve flacher wird. Wird die Kurve zu flach oder invertiert (kurzfristige Zinsen sind höher als die langfristigen), dann droht der Wirtschaft Ungemach. Eine invertierte Zinskurve ist der Vorbote einer Rezession.

Über die Inversion der Zinskurve muss man sich derzeit noch keine Sorgen machen. Davon sind wir meilenweit entfernt. Selbst wenn die Zinswende bereits im September eingeleitet wird – wovon man nach dieser Woche an den Märkten nicht ausgehen kann - werden die kurzfristigen Zinsen nicht vor 2018 über 2% steigen. Trotzdem ist eine Abflachung der Zinskurve problematisch. Banken verleihen für längerfristig Geld während sie sich kurzfristig über die Notenbank refinanzieren. Steigen nun die kurzfristigen Zinsen und damit die Refinanzierungskosten bei konstant bleibenden langfristigen Zinsen, dann sinkt die Marge.

Banken reagieren auf eine solche Situation im Normalfall so, dass sie die Ausgabe langfristiger Kredite begrenzen. Das wiederum sorgt im Ernstfall für eine Kreditklemme und würgt die Wirtschaft ab. Das ist nicht im Interesse der Notenbank. Sie muss sich daher unbedingt damit befassen, wie sie die langfristigen Zinsen anheben kann.

Das lange Ende der Zinskurve wird nicht direkt von der Notenbank bestimmt. Das kurze Ende wird letztlich vom Leitzins vorgegeben. Das lange Ende wird durch Angebot und Nachfrage bestimmt und wird anhand der langlaufenden Staatsanleihen gemessen. Derzeit ist die Nachfrage nach US Anleihen groß. Daher steigen die langfristigen Zinsen auch nicht. Sie bleiben, wo sie sind. Auf Dauer ist das aus den oben beschriebenen Gründen nicht gut. Die Notenbank muss reagieren.

Die Fed ist in der komfortablen Lage, die langfristigen Zinsen ausnahmsweise beeinflussen zu können, weil sie große Bestände von Anleihen in ihrer Bilanz hat. Verharrt das lange Ende dort, wo es derzeit ist, dann kann die Fed Anleihen verkaufen und so die langfristigen Zinsen nach oben zwingen. Soweit wird es jedoch wahrscheinlich nicht kommen. Der Markt dürfte auf die Zinswende noch reagieren und die gewünschte Richtung einschlagen.

Diese Zuversicht scheint die US Notenbank zu teilen. Andernfalls würde sie bereits jetzt beginnen etwaige Anleihenverkäufe vorsichtig anzudeuten. Das wird vermutlich nicht notwendig sein. Wieso, das zeigt die Grafik. Dargestellt sind 3 Zinssätze. Die rote Linie zeigt den historischen Zins der 10-jährigen US Anleihen (T-Note). Die schwarze Linie zeigt wie sich die T-Note Rendite verhält, wenn die Leitzinsen angehoben werden. Konkret bildet das ein sehr einfaches Modell ab. Steigt der Leitzins heute um 1%, dann steigen die langfristigen Zinsen morgen um 0,5%. 50% der Leitzinsanhebung fließt mittelfristig in die langfristigen Zinsen ein. Historisch gesehen bilden also die langfristigen Zinsen die Hälfte der Leitzinsanhebungen ab.

Der dritte Zinssatz ist auf ähnliche Weise berechnet wie der T-Note Satz mit dem 50%-igen Zuschlag (schwarze Linie). Es gibt dabei allerdings einen großen Unterschied. Die blaue Linie beginnt am 1.1.1962 mit einem Wert von 4,08%. Das ist der gleiche Wert wie die tatsächliche T-Note Rendite. In der Folge wird dann immer die Hälfte der Leitzinsanhebungen oder Senkungen zu diesem Wert hinzugezählt oder abgezogen. Ein Beispiel: die Fed Funds Rate (effektiver Leitzins) stieg von Januar 1962 bis Februar 1962 von 2,15 auf 2,37%. Das ist ein Anstieg von 0,22 Prozentpunkten. 50% davon sind 0,11%. Dieser Wert wird zum Ausgangswert von 4,08% hinzugezählt und ergibt einen neuen T-Note Satz von 4,19%. Von Februar auf März stieg die Fed Funds Rate von 2,37% auf 2,85%. 50% von diesem Anstieg entsprechen 0,24%. Der T-Note Satz im März entspricht dann 4,19% plus 0,24%, also 4,43%.

Nach diesem Muster geht es bis heute weiter. Langfristig stimmt die Formel ganz gut, dass T-Notes in etwa um die Hälfte der Leitzinsbewegung steigen oder fallen. Rechnet man nun die zu erwartenden Leitzinsänderungen ein, dann ergibt sich ein Anstieg der berechneten T-Note Rendite bis Mitte 2019 von 4,5%. Anhand der Historie können wir sehen, dass dieser berechnete Wert tendenziell über oder unter der tatsächlichen Rendite liegt.

Seit mehreren Jahren liegt die tatsächliche Rendite unter dem berechneten Wert. Unterstellt man, dass das so bleibt, dann dürfte die Rendite der T-Notes bis 2019 ungefähr so ansteigen wie die rote Linie suggeriert. Es wird ein langsamer Anstieg unter einer gewissen Schwankungsbreite, aber es wird ein klarer Anstieg. Bis 2019 sollte das lange Ende der Zinskurve auf ungefähr 4,4% steigen. Das ist im Vergleich zu heute eine Verdopplung.

Die US Notenbank muss eigentlich nichts tun, um das lange Ende zu bewegen. Sie muss nur warten und die Zinsen auch tatsächlich einmal anheben. Ohne eine Zinsanhebung ändert sich am langen Ende gar nichts. Bei den kurzfristigen Zinsen ist das anders. Sie reagieren Monate vor einer erwarteten Anhebung.

Sofern die Marktkräfte in den vergangenen Monaten nicht abgeschafft wurden gibt es keinen Grund zur Sorge. Die Zinsen verhalten sich in den USA momentan ganz normal, auch wenn das nicht unbedingt immer so erscheint.

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13 Kommentare

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  • Publius
    Publius

    Die Quelle ist das Statistische Bundesamt. Aber die stecken ja bestimmt auch mit Merkel unter einer Decke. So wie alle, deren Daten nicht zur selbst propagierten Wahrheit passen. Verschwörungstheorie kann ja so einfach sein...

    15:49 Uhr, 08.09. 2015
  • Cristian Struy
    Cristian Struy

    na dann investiert mal fleissig in Gold. er hier zeigt Euch ja den Weg vor, siehe gestriger Beitrag.

    "1000Bagger
    Ich denke es wird ein Übernachtereignis geben wo der Goldpreis auf 3000 Dollar springt. Dann kann der Preis nicht mehr gedrückt werden und die Kaufpanik beginnt. Einige Goldaktien sollten sich dann vertausendfacht haben."

    Bin auf diese Ereignis gespannt. Heute hat sich ja Gold in USD bereits um 1USD erhöht. Wer also gestern 1000fach gehebelt long gegangen ist, hat ja schon einen 1000bagger eingesackt.

    13:29 Uhr, 08.09. 2015
  • dschungelgold
    dschungelgold

    Das ist die EINZIGE Methode, der Raubnation USA ueberhaupt beizukommen: Der grossangelegte Verkauf als (noch) wertvoll erachteter aber eigentlich ungedeckter und somit wertloser Staatsanleihen.Nimmt das weiter Fahrt auf, wirds dunkel im "Land of the Unfree".

    13:04 Uhr, 08.09. 2015
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Das Wichtigste steht im letzten Absatz: "Sofern die Marktkräfte in den vergangenen Monaten nicht abgeschafft wurden gibt es keinen Grund zur Sorge". Leider ist genau das der Fall, wie unzählige Beispiele nicht nur aus den USA belegen. Die Marktkräfte wurden nicht nur abgeschafft, sie wurden teilweise in ihr glattes Gegenteil verkehrt.

    10:14 Uhr, 08.09. 2015
    3 Antworten anzeigen
  • surfpoet
    surfpoet

    Ah, sehe gerade, 17.9

    10:06 Uhr, 08.09. 2015
  • surfpoet
    surfpoet

    Wann ist der Fed-Termin?

    10:06 Uhr, 08.09. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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