Kommentar
09:10 Uhr, 29.04.2022

Wie viel Rezession braucht es, um die Inflation in den Griff zu bekommen?

Um die Inflation zu senken, braucht es eine Rezession. Die Frage ist nur: Wie viel davon braucht es?

Die Inflationsrate wird unabhängig von der Geldpolitik zeitweise auch wieder sinken. Preise steigen nicht ewig mit 8 % pro Jahr. Höhere Preise dämpfen automatisch die Nachfrage und das vollkommen unabhängig vom Zinsniveau. Die derzeitige Inflation ist zudem stark von Rohstoffpreisen getrieben und weder der Preis von Öl noch Erdgas wird sich jedes Jahr bis in alle Ewigkeit verdoppeln.

Egal, was Notenbanken tun, die Inflation wird in diesem Jahr zumindest ein vorläufiges Hoch erreichen und danach zeitweise fallen. Das kann man allerdings nicht unbedingt als Erfolg der Geldpolitik verkaufen. Auch von 1965 bis 1982 stieg und fiel die Inflationsrate mehrmals. Langfristig tendierte sie im gleichen Zeitfenster aufwärts (Grafik 1).

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Man muss zwischen kurzfristiger Volatilität in der Inflationsrate und dem langfristigen Trend unterscheiden. Ein temporärer Rückgang in diesem Jahr ist der Volatilität zuzuschreiben. Der begonnene Aufwärtstrend ist damit nicht gebrochen. Um diesen zu brechen, braucht es eine Rezession.

Grafik 1 zeigt neben der Kerninflation auch die Lohnentwicklung. Löhne und Inflation sind eng verknüpft. Will man, dass die Inflation fällt, kommt man an der Lohnentwicklung nicht vorbei. Inflation fällt nicht, wenn die Löhne immer schneller steigen. Sie müssen nicht fallen, aber zumindest deutlich langsamer steigen.

Aktuell ist das Gegenteil der Fall. Vor allem der US-Arbeitsmarkt steht unter Volldampf. Derzeit sind pro arbeitslos Gemeldeten so viele offene Stellen wie nie verfügbar. Theoretisch gibt es 1,8 offene Stellen je Arbeitslosen. Je mehr offene Stellen es pro Arbeitslosen gibt, desto angespannter ist der Arbeitsmarkt. Entsprechend verwundert es nicht, dass die Löhne diesem Trend folgen (Grafik 2).

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Ob man die Löhne und offene Stellen oder offene Stellen und die Arbeitslosenrate betrachtet (Grafik 3) ist eigentlich nicht relevant. Der Zusammenhang ist immer der gleiche. Ein angespannter Arbeitsmarkt (für Arbeitgeber) lässt Löhne schnell steigen und je schneller die Löhne steigen, desto unwahrscheinlicher ist ein Inflationsrückgang.

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Kurz und knapp formuliert: Das Lohnwachstum muss gebremst werden und das geht nur, wenn sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt entspannt. Dies wiederum heißt, dass die Arbeitslosenrate steigen muss. Die Fed fantasiert, dass die Arbeitslosenrate niedrig bleiben kann und gleichzeitig die Inflation fällt. Sie behauptet indirekt, dass das Lohnwachstum bei konstant niedriger Arbeitslosenrate verringert werden kann.

Historisch betrachtet ist das unwahrscheinlich. Die Arbeitslosenrate muss steigen, um das Lohnwachstum zu verlangsamen. Die Arbeitslosenrate wiederum steigt nicht, wenn die Wirtschaft wächst (Grafik 4). An einer Rezession führt kein Weg vorbei, wenn ein langfristiger Aufwärtstrend bei der Inflation gestoppt werden soll.

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Das ist die schlechte Nachricht. Eine gute gibt es auch. Es würde aller Voraussicht nach ausreichen, wenn die US-Arbeitslosenrate um zwei Prozentpunkte steigt. Zwei Quartale mit leicht negativem Wachstum haben dafür in der Vergangenheit ausgereicht. Ein Abschwung lässt sich jedoch nicht so exakt steuern. Beginnt ein Abschwung erst, hört er selten früh genug auf, um das Inflationsziel zu erreichen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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