Kommentar
17:55 Uhr, 21.02.2022

Wie viel Korrektur ist der Zinsentwicklung und wie viel der Ukrainekrise zuzuschreiben?

Derzeit bestimmen zwei Themen die Börse: Zinswende und Ukrainekrise. Nur eines der Themen hat einen signifikanten Einfluss auf die Kurse.

Seit Jahresbeginn zeigen sich insbesondere US-Aktien schwach. In den USA beginnt die Zinswende in weniger als einem Monat. In der Eurozone ist vor Herbst nicht mit einem Zinsschritt zu rechnen. Das erweckt den Eindruck, dass vor allem die Zinsen das Geschehen bestimmen.

Der Eindruck täuscht. In den USA gibt es noch einen dritten Faktor, der das Kursgeschehen bestimmt. Neben Zinsen und Ukrainekonflikt wird auch die Überbewertung abgebaut. Anleger haben realisiert, dass eine Marktkapitalisierung von fast 850 Mrd. USD für Nvidia vielleicht doch zu viel war.

Das gilt für einige große Unternehmen wie Nvidia, aber auch für die Pandemiegewinner wie Zoom. Obwohl das Unternehmen nach wie vor stark wächst, war es zeitweise mit einem KGV von 300 bewertet. Selbst auf Basis der erwarteten Gewinne im Jahr 2025 lag das KGV zeitweise noch bei 100. Bei allem Optimismus, das ist einfach jenseits jeder Vernunft.

Die irrationale Bewertung wird abgebaut. Einige führen den Beginn dieser Entwicklung auf die Zinswende zurück. Persönlich bin ich da skeptisch. Aktien wie Zoom korrigieren schon seit Langem. Die Korrekturbewegung hat begonnen, bevor eine Zinswende Thema war.

Eine Überbewertung muss in Europa nicht korrigiert werden. Die Kurse halten sich entsprechend besser, sogar trotz Ukrainekrise. In Europa sind Zinsen noch kein Thema. Die Korrektur und Volatilität lässt sich fast ausschließlich auf die Ukrainekrise zurückführen. Das gilt sogar für den US-Markt, wenn man die Korrektur der Überbewertung herausrechnet.

Die Marktzinsen steigen seit Ende 2021 (Grafik 1). Tendenziell lässt sich erkennen, dass steigende Zinsen mit Korrekturen am Aktienmarkt korrelieren. Dies gilt insbesondere für die Renditen von Unternehmensanleihen. Je schlechter das Rating ist (z.B. hochgradig ausfallgefährdete CCC Anleihen), desto höher ist die Korrelation.

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Im Detail ist die Sache etwas komplizierter. Zinsen steigen vor allem dann, wenn die Wirtschaft wächst. Wachstum ist auch für den Aktienmarkt gut. Der Markt steigt auch bzw. gerade dann, wenn auch die Zinsen steigen. Gefährlich wird es dann, wenn die Zinsdifferenz von Unternehmens- zu Staatsanleihen steigt.

Dieser Spread ist in Grafik 2 dargestellt. Steigt der Spread schnell an, ist das ein Zeichen für hohe Risikoscheu der Anleger. Sie meiden alles, was riskant ist, da sie Böses erahnen, z.B. eine Rezession. Auch aktuell ist ein Anstieg der Zinsdifferenz zu beobachten. Sie erfolgt jedoch in kleinen Schritten. Bedrohlich ist ein spontaner und fast senkrechter Anstieg. Davon ist keine Spur.

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Daraus lassen sich zwei Prognosen ableiten. Die erste betrifft die Ukrainekrise. Da diese ein größeres Thema für den Markt ist als die Zinsentwicklung, dürfte ein Ende der Krise für eine ausgesprochen große Rally sorgen. Die zweite Prognose ist weniger optimistisch, denn der Zinsanstieg hat bisher nur wenig zur Korrektur beigetragen. Hier besteht unter Umständen ein großer Aufholbedarf.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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