Kommentar
13:30 Uhr, 15.09.2021

Wie sich der heutige Aktienmarkt von der letzten großen Spekulationsblase unterscheidet

Die einen sehen den Markt in einer Spekulationsblase wie sie nur alle paar Jahrzehnte vorkommt. Andere sehen den Markt als geradezu billig an. Wer hat Recht?

Meine persönliche Meinung vorweg: Beide Lager haben unrecht. Der Markt ist weder hoffnungslos überbewertet noch sind Aktien ein Schnäppchen und müssen weiter steigen. Wenn man alle Faktoren zusammenzählt (Geldpolitik, Zinsumfeld, Gewinnwachstum der Unternehmen, Wirtschaftswachstum, Bewertung des Aktienmarktes) erscheint mir der US-Aktienmarkt 10-15 % zu hoch bewertet. Das ist eine Größenordnung, die keinen Crash provoziert. Eine herkömmliche Korrektur würde die moderate Überbewertung bereinigen. Die meisten Analysten und Investmentgurus befinden sich mit ihren Meinungen eher an den Extremen. Wer den Markt für überbewertet hält, kann viele Argumente vorlegen. Aktien kann man mit unzähligen Indikatoren bewerten, sei es über das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das langjährige KGV über 10 Jahre gemessen, Kurs-Buchwert-Verhältnis, Kurs-Umsatz-Verhältnis, Dividendenrendite usw. All diese Bewertungsmaßstäbe sagen das gleiche aus: Der Markt ist teuer.

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Je nach Indikator ist der Markt so teuer wie noch nie oder teurer als in 98 % aller vorhergegangenen Jahre. Da all diese Indikatoren die gleiche Aussage treffen, greife ich nur einen heraus. Sie lassen sich beliebig austauschen. Bei diesem Indikator geht es um die Marktkapitalisierung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (Buffett Indikator).

Dieser Indikator zeigt derzeit eine höhere Bewertung des Marktes als im Jahr 2000, als effektiv blinde Spekulationswut um sich griff. Es besteht großer Konsens darüber, dass der Markt damals hoffnungslos überbewertet ist.

Man kann den Buffett Indikator adjustieren, um der Geldpolitik Rechnung zu tragen. In diesem Fall wird die Marktkapitalisierung nicht nur durch die Wirtschaftsleistung dividiert, sondern durch die Summe von Wirtschaftsleistung und Notenbankbilanz. Bis zur Finanzkrise waren beide Zeitreihen kaum voneinander zu unterscheiden. Nun wird der Unterschied immer größer. Aber immer noch gilt: Der Markt ist so teuer wie im Jahr 2000.

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Ein Indikator wie der Buffett Indikator sind am Ende nur eine Zahl, die viele Aspekte verschweigen. Im Gegensatz zu damals gibt es gravierende Unterschiede. Während die Kurse von 1998 bis 2000 stiegen, fielen gleichzeitig die Gewinnmargen der Unternehmen. Heute ist das Gegenteil der Fall. Das macht den Kursanstieg gesünder. Es steckt Substanz dahinter und nicht leere Luft.

Die Gewinnmargen steigen heute nicht nur, sie sind auch insgesamt hoch (Grafik 3). Unternehmen gelingt es, mit weniger oder gleichem Umsatz mehr Geld zu verdienen. Das lässt z.B. das Kurs-Umsatz-Verhältnis komplett unberücksichtigt und vermittelt daher einen falschen Eindruck.

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Der Kontext ist wichtig. Da niemand so recht weiß, wie man diesen Kontext in Indikatoren miteinfließen lassen soll, ignorieren die meisten Analysten diese Umstände. Dabei sind es derzeit viele mildernde Umstände, die die Überbewertung relativieren. Die Gewinne wachsen schnell, die Margen sind hoch und steigen weiter und die Zinsen sind tief und rechtfertigen daher ohnehin eine höhere Bewertung. In Summe ergibt sich meiner Meinung nach die oben beschriebene moderate Überbewertung.

Clemens Schmale


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2 Kommentare

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  • Aus meiner Sicht
    Aus meiner Sicht

    Dieser Kommentar unterscheidet sich m.E. deutlich hinsichtlich Ihrer Kommentare vom 07.09.2021
    "Hier ist der Beweis für eine Blase am Markt" und vom 09.09.2021 "Spätestens jetzt sollte jeder nervös werden."

    14:26 Uhr, 15.09.2021
  • Moonraker
    Moonraker

    Guter Artikel. Zudem gibt es ein - aus meiner Sicht - in der Intensität neues Anlegerverhalten: Es wird durch den Privatanleger massiv und regelmäßig in ETFs gespart.

    13:48 Uhr, 15.09.2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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