Kommentar
06:41 Uhr, 12.08.2022

Wie nah sind die USA an einer offiziellen Rezession?

Trotz Negativwachstums besteht in den USA große Einigkeit darüber, dass sich die Wirtschaft nicht in einer Rezession befindet. Was nicht ist, kann noch werden, doch wann?

Vor dem letzten Arbeitsmarktbericht gab es fast einen Konsens darüber, dass sich die USA in einer Rezession befinden. Die Wirtschaft wuchs in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen nicht, sie schrumpfte. Dann wurden plötzlich in einem Monat eine halbe Million Jobs geschaffen. Der Konsens ist nun ein anderer. Eine Rezession gibt es nicht. Tatsächlich hat die offizielle Rezessionsdefinition einige Vorteile. Negatives Wirtschaftswachstum ist ein Hinweis auf, aber kein Beweis für eine schwache Wirtschaft. Importiert ein Land viel, weil die Nachfrage hoch ist und die Exporte stagnieren, weil die Wirtschaft im Ausland nicht wächst, kann das Wirtschaftswachstum negativ ausfallen. Das ist im ersten Quartal 2022 geschehen. Stärke wurde als Schwäche ausgewiesen. Bei der offiziellen Benennung von Rezessionen wird daher auf mehrere Faktoren geachtet. Zu den Faktoren gehört das Realeinkommen, die Beschäftigung, die Industrieproduktion und der Realkonsum. Bei der Beschäftigung gibt es zwei Gradmesser. Jeden Monat werden Unternehmen und Haushalte nach der Situation befragt. Die Ergebnisse können voneinander abweichen. Beide Ergebnisse werden daher berücksichtigt.

Alle bisherigen offiziellen Rezessionen zeigten einen breitangelegten Abschwung (Grafik 1). Vergleicht man die Entwicklung während einer Rezession mit allen anderen Perioden, sind die Unterschiede eindeutig. Vor der Rezession 1990 ging die Industrieproduktion kurzfristig zurück. Alle anderen Bereiche hatten einen positiven Trend. Eine Rezession auszurufen wäre unsinnig gewesen.


Nicht jeder einzelne Bereich muss in einer Rezession zwingend schrumpfen. 1982 oder 2001 legten die realen Konsumausgaben weiter zu. Wenn gleichzeitig Einkommen und Beschäftigung sinken, macht es dennoch Sinn, von einer Rezession zu sprechen. Konsum auf Kredit ist kein Zeichen von Stärke.

Aktuell liegen alle Bereiche noch im grünen Bereich, nur der Realkonsum hinkt (Grafik 2). Die Daten zeigen das Wachstum der letzten 6 Monate, also dem Zeitraum, in dem die Wirtschaftsleistung zurückging. Alarmierend ist der Trend bisher noch nicht.


Was die Daten verbergen, ist nachlassende Dynamik. Betrachtet man einen kürzeren Zeitraum von drei Monaten, schrumpft die Beschäftigung auf Basis der Haushaltsumfrage. Neben dem Realkonsum sind damit bereits zwei Bereiche negativ. Die Realeinkommen schwanken um die Nulllinie. Dass sie noch nicht negativ sind, liegt einfach daran, dass mehr Menschen Einkommen erwirtschaften. Die Industrieproduktion verliert ebenfalls an Dynamik und dürfte im Herbst zu schrumpfen beginnen.

Damit sind vermutlich im vierten Quartal die Bedingungen für eine Rezession erstmals erfüllt. Bis dann eine Rezession ausgerufen wird, vergehen nochmals Monate, wenn nicht sogar zwei Quartale. Es wäre nicht ungewöhnlich, wenn die Rezession erst nach deren Ende offiziell festgestellt wird. So oder so, Anleger müssen sich beim Warten auf eine offizielle Rezession noch etwas gedulden.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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