Wie kann eine Deflation bekämpft werden
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Notenbankpräsidenten der USA, die Leitzinsen aufgrund von Deflationsrisiken unter Umständen nochmals zu senken, die gestrige Zinssenkung der EZB, und die geldpolitische Deflationsfalle der Bank of Japan, die aufgrund eines Leitzinsniveaus von Null die Zinsen nicht mehr zu senken vermag, hat eine Debatte angestoßen, wie Deflation bekämpft werden kann. Im folgenden versuchen wir, diese Frage zu beantworten.
Wie kann eine Deflation im vorhinein verhindert werden? Resultiert Deflation aus einem Nachfragemangel bzw. Angebotsüberschuss auf den Gütermärkten, so muss die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöht werden, um Preisstabilität wieder herzustellen. Traditionell wird der Geldpolitik diese Aufgabe zugewiesen, hat sie ja auch den Preisstabilisierungsauftrag zu erfüllen.
Deflation wird erst dann wirklich gefährlich, wenn sich bei den Haushalten und Unternehmen Deflationserwartungen bilden. Von daher ist es entscheidend, dass die Notenbank sich frühzeitig gegen die Bildung von Deflationserwartungen stemmt und den Märkten glaubwürdig vermittelt, keine Deflation zulassen zu wollen. Dies kann gelingen, indem sie ein explizites symmetrisches Inflationsziel von z. B. 2 % ausruft und sich damit verpflichtet, alles, aber auch wirklich alles zu tun, um dieses Inflationsziel zu erreichen. Sollten die Inflationsprognosen darauf hindeuten, dass die Inflationsraten in der Zukunft unter ihren Zielwert fallen, so muss die Notenbank frühzeitig und aggressiv die Zinsen senken. Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein bestimmtes Preisniveau anzuvisieren. Liegt das derzeitige Preisniveau unter seinem Zielwert, so muss eine höhere Inflationsrate so lange in Kauf genommen werden, bis das höhere Preisniveau erreicht ist. Eine dritte Möglichkeit sieht vor, dass die Notenbank Notfallmaßnahmen ausarbeitet, die sie bei einer drohenden Deflation frühzeitig anwendet. Zu diesen Notfallmaßnahmen gehören unorthodoxe geldpolitische Maßnahmen wie der Ankauf von langfristigen Staatsschuldtiteln und/oder Corporate Bonds, die direkte Vergabe von Krediten an den Privatsektor, der Ankauf von Devisen und eine über direkte Kredite geldpolitisch finanzierte expansive Fiskalpolitik.
Wie kann eine Notenbank aus einer Deflationsfalle entkommen? Hat eine Notenbank die Leitzinsen auf Null gesenkt und es dennoch nicht geschafft, die Deflation zu beseitigen, was kann sie dann noch tun? Hier gibt es mehrere Möglichkeiten, die zwar theoretisch alle greifen müssen. Praktische Erfahrungen stehen den großen Notenbanken aber bislang nicht bzw. kaum zur Verfügung.
Nichtmonetäre Maßnahmen
Strukturreformen: Angebotsseitige Strukturreformen werden nur dann Erfolge an der Deflationsfront erzielen, wenn sie die Haushalte dazu bringen, ihren Konsum auszuweiten. So könnte zwar ein reformierter Finanzsektor die Kreditvergabe erhöhen, eine Deregulierung könnte neue Investitionsmöglichkeiten schaffen, und Strukturreformen per se würden die Erwartung eines höheren Einkommens in der Zukunft bei den Konsumenten schüren, was prinzipiell zu höheren Konsumausgaben in der Gegenwart führen kann. Die Wirkungsmechanismen sind allerdings sehr unsicher, da mit einer Verbesserung der Angebotsseite zunächst der Angebotsüberschuss auf den Gütermärkten kurzfristig vergrößert wird und damit die Gefahr besteht, das Deflationsproblem sogar noch zu verschärfen. Zudem zeigen die Erfahrungen Großbritanniens und der Niederlande, dass Strukturreformen einen sehr trägen Prozess darstellen, die sehr lange brauchen, bis sie wirken.
Fiskalpolitik: Ist die Geldpolitik aufgrund der Nullzinsgrenze mit ihrem Latein am Ende, so könnte prinzipiell die Fiskalpolitik in die Bresche springen und über eine Erhöhung der Staatsausgaben und eine Senkung der Steuern zu einer Erhöhung des gesamtwirtschaftlichen Ausgabevolumens beitragen. Die hieraus resultierenden Budgetdefizite führen zu einem höheren Schuldenstand. Mit einer expansiven Fiskalpolitik sind in diesem Zusammenhang aber drei Probleme verbunden:
- Erwarten die Haushalte, dass sie in Zukunft die höhere Schuldenlast durch höhere Steuern begleichen müssen, so werden sie möglicherweise schon heute vermehrt sparen. Kreditfinanzierte Steuersenkungen führen damit nicht zwingend zu einem höheren Konsum.
- Es hängt massiv von der Strukturierung der Ausgabenerhöhungs- und Steuersenkungsprogramme ab, ob die fiskalische Expansion positiv wirkt oder nicht. Dies hat das Beispiel Japan gezeigt, wo die Regierung zwar auf fiskalische Expansion setzte, diese Programme aber zum großen Teil völlig fehlspezifiziert und weniger auf die Behebung der Nachfrageschwäche als auf die Bedienung von Lobbyinteressen ausgerichtet waren.
- Sollten in Zukunft aufgrund der Zunahme der Kapazitätsauslastung die Inflationsraten und damit die Zinsen wieder steigen, so erhöht sich die verzinste Staatsschuld, mit den entsprechenden Folgen für die zukünftige Steuerlast.
Ist die expansive Fiskalpolitik aber explizit nur temporärer Natur und entsprechend spezifiziert, kann sie durchaus zu einem Entkommen aus einer Deflationsfalle beitragen:
- Die Steuergesetze unterscheiden nicht zwischen Nominal- und Realzinsen. Damit führt ein Rückgang der Inflationsrate zu einem Anstieg der Realzinsen nach Steuern. Dem kann z. B. durch einen im Zeitablauf abnehmenden Investitionssteuerfreibetrag entgegen gewirkt werden, der den Investoren Anreize gibt, Investitionen vorzuziehen.
- Eine Veränderung der Steuerstruktur in Form einer im Zeitablauf ansteigenden Mehrwertsteuer, die zur Aufrechterhaltung der Aufkommensneutralität durch eine parallele Senkung der Einkommenssteuer kompensiert wird, kann die Konsumenten dazu veranlassen, ihr Einkommen schneller auszugeben.
Monetäre Maßnahmen
Ursache der Deflation ist eine "zu hohe" Geldnachfrage, d.h. neues Geld wird nicht für Konsum oder Investitionen ausgegeben, sondern gehortet. Damit ist klar, dass die Geldhaltung staatlicherseits unattraktiv gemacht werden muss. Dies gelingt entweder durch eine explizite Besteuerung der Geldhaltung oder durch eine implizite Inflationssteuer. Ersteres ist dabei schwieriger als Letzteres.
Quantitative Lockerung: Diese von der Bank of Japan praktizierte radikale Erhöhung der monetären Basis kann zu einem Entkommen aus einer Deflationsfalle beitragen, wenn sie zur Bildung von Inflationserwartungen seitens der Unternehmen und Haushalte beiträgt. Das Problem hierbei ist, dass die gesamtwirtschaftliche Geldmenge das Produkt von monetärer Basis und Geldschöpfungsmultiplikator ist. Die Geldpolitik hat aber keinen Einfluss auf die reale Größe der Kreditvergabe der Geschäftsbanken, die maßgeblich die Höhe des Geldschöpfungsmultiplikators bestimmt, da sie nur die Höhe der monetären Basis determiniert. Das bedeutet, dass neues Zentralbankgeld auf der Ebene der Geschäftsbanken versickern kann, ohne den Nichtbankensektor zu erreichen.
Unkonventionelle Offenmarktgeschäfte, wie der Ankauf von langfristigen Staatsschuldtiteln, Aktien, Devisen oder Immobilien gehen mit drei Problemen einher: Erstens, sollten Devisen angekauft werden, um somit Geld in Umlauf zu bringen, und über eine Abwertung der Währung die Exporte anzukurbeln, so vermag diese Maßnahme allein verpuffen, wenn die Märkte nicht an eine dauerhafte Abwertung glauben. Zweitens, führen derartige Offenmarktgeschäfte zu niedrigeren Zinsen, so erhöht dies die Anreize für die Haushalte, Bargeld zu halten, weil die Kosten der Geldhaltung sinken. Es bräuchte damit sehr massive Ankäufe der Notenbanken an den entsprechenden Märkten, um diesen Effekt zu konterkarieren. Drittens ist der Ankauf von langfristigen Bonds, Aktien, Immobilen, etc. mit erheblichen (ordnungs-) politischen Problemen behaftet.
Inflationssteuerung (Inflation Targeting): Der Realzins ist definiert als Differenz von Nominalzins und erwarteter Inflationsrate. Liegen die Nominalzinsen bei Null, so entspricht der kurzfristige Realzins dem negativen Wert der Inflationsrate. Der Realzins, bei dem der Angebotsüberschuss auf den Gütermärkten beseitigt wird, ist bei positiven Inflationserwartungen somit negativ. Dies bedeutet, dass es positiver Inflationserwartungen bedarf, um den Güterangebotsüberschuss zu beseitigen. Die geldpolitische Strategie der Inflationssteuerung drängt sich vor diesem Hintergrund geradezu auf, um eine Deflationsfalle zu beseitigen. Das Konzept besteht aus drei Säulen: Erstens, die Zentralbank verpflichtet sich auf ein positives Inflationsziel. Zweitens, im Rahmen des Inflationsziels versucht die Zentralbank mittels ihrer Geldpolitik, die Konjunkturentwicklung zu stabilisieren. Drittens, um glaubwürdig zu sein, veröffentlicht sie ihre Inflationsprognosen in Inflationsberichten. Da sich die Zentralbank auf ein Inflationsziel verpflichtet hat, muss sie alles tun, um dieses zu erreichen, will sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Die Zentralbank wird daher nicht nur eine der oben angeführten Maßnahmen durchführen, um die Deflation zu bekämpfen, sondern eine Vielzahl dieser Maßnahmen gleichzeitig. Geboten ist vor allem auch eine verstärkte Kooperation mit den anderen wirtschaftspolitischen Entscheidungsträgern. Trotz der Probleme der einzelnen Instrumente bietet ein entschlossener Einsatz aller Möglichkeiten eine gute Aussicht auf eine erfolgreiche Bekämpfung der Deflation.
Quelle: Deka
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