Wie ich mit diesen drei Entscheidungen als Trader überlebte
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Woran liegt es, dass so viele Trader aufgeben? Wie schafft man es, die oft demotivierende Startphase einer Börsenlaufbahn zu überstehen und die kritische Schwelle zum Erfolg zu überschreiten?
„Himmelhoch jauchzend, zum Tode betrübt.“
Als ich anfing zu traden, zuerst aus Interesse neben dem Studium und später als Händler für meine Arbeitgeber und deren Kunden, hatte ich viele emotionale Auf und Abs. Es gab schlechte Tage, da brachte ich bis spät abends keinen Bissen runter oder schlief nur wenige Stunden. Im Büro war ich physisch anwesend, aber mein Verstand war gefangen in der Welt der Börsenkurse, die gegen mich liefen.
An guten Tagen war ich hingegen wie ausgewechselt. Liefen meine Geschäfte für mich, schien mir die Welt offen zu stehen. In der U-Bahn auf dem Weg in die Frankfurter Innenstadt hätte ich fremde Leute umarmen können oder zur Musik auf meinem iPod auf der Straße tanzen können, so gut war ich drauf. Nach Feierabend lud ich meine Freunde großzügig zum Essen ein oder gönnte mir schöne neue Dinge.
Wer diese Gefühlsachterbahnen schon einmal mitgefahren ist, weiß, dass man sie nur eine begrenzte Zeit aushält. Trading tangiert tief sitzende Trigger im Gehirn, die menschliches Verhalten auslösen: Schmerz und Freude.
Daytrading, also das Durchführen von mehreren Geschäften innerhalb eines Handelstages, setzt uns Gefühlsstürmen aus, denen wir ohne Vorbereitung schutzlos ausgeliefert sind. Denn ein Verlust schmerzt mehr als uns ein Gewinn Freude bereitet. Wer einmal 10.000 Euro an der Börse verdient und diesen Betrag später wieder verspekuliert hat, weiß wovon ich spreche. Es ist folglich nur logisch, dass Menschen irgendwann der Börse enttäuscht den Rücken zuwenden.
In meinen ersten Jahren als Trader entschied der Markt, ob ich einen guten oder einen schlechten Tag hatte. Das Gefühl der Ohnmacht setzte mich permanent unter Druck, ja trieb mich in die Nähe von Depressionen. Am Wochenende konnte ich nicht richtig entspannen, da ich permanent über meinen Kontrollverlust und meine Ängste nachdachte.
Ich hatte also die Wahl mich entweder auch von den Märkten zu entfernen (was nicht zur Debatte stand) oder eine Strategie zu finden, die mir half mit dem Chaos der Börse fertig zu werden.
Ich handelte von nun an, wie ich es wollte
Ich schrieb alle Aspekte meines Tradings auf, die ich nicht 100 % beherrschen konnte.
1. Übernehmen Sie Verantwortung für Ihr Trading, aber nur für die Dinge, die Sie wirklich kontrollieren können
Fragen, auf die ich keine Antworten habe
Wo steht der Markt am Tagesende?
Wie wird der Markt auf die Nachrichten reagieren?
Wird das Unternehmen XYZ heute gute oder schlechte Zahlen melden?
Steht der DAX nächste Woche über XX.XXX Punkten?
Wird der DAX nach der Wahl von Herrn X in den XXX Ländern stark fallen?
Fragen, auf die ich Antworten geben kann
Gehe ich in den Markt oder bleibe ich draußen?
Ist der Markt in einem Aufwärts- oder Abwärtstrend?
Wie viel Prozent meines Depots lege ich in diesem Finanzinstrument an?
Wo setze ich den Stopp?
Wo steige ich aus dem Geschäft aus?
Ich wusste, dass ich nicht mit Sicherheit sagen konnte, wie sich der Markt entwickeln würde. Ich konnte auch nicht mit absoluter Gewissheit sagen (trotz bester Modelle und langjähriger Erfahrung), wo sich ein Hoch- oder Tiefpunkt im Markt bilden würde. Am Ende blieben nur sehr wenige Dinge übrig, die ich mit Sicherheit beherrschen und beantworten konnte, z.B. alle Aspekte meines Trademanagements.
Über mein Konto hatte ich die Kontrolle, über den Markt nicht.
Das war eine wichtige, wenn nicht die entscheidende Erkenntnis in meiner Tradinglaufbahn. Indem ich mich darauf konzentrierte, was ich beim Trading kontrollieren konnte, entfernte ich alle belastenden Stressfaktoren (Stress entsteht durch fehlende Kontrolle) und konzentrierte meine Energie auf Bereiche des Tradings, die wirklich einen Mehrwert erzeugten.
Der Milliarden-Hedgefondsmanager Mark Spitznagel, der als Trader an der Chicagoer Börse lernte, sagte in einem Interview: „Selbst wenn ich Verluste einfuhr, ging ich glücklich nach Hause, da ich so gehandelt habe, wie ich wollte.“ (1)
Früher hatte ich solche Aussagen nicht verstanden. Wie konnte man sich darüber freuen, wenn man Verluste machte? Diese erfolgreichen Händler hatten anscheinend eine ganz andere Wahrnehmung des Marktes als ich.
Schon Benjamin Graham, Vater des „Value-Investings“ und einer der prägenden Menschen im Leben von Star-Investor Warren Buffett, empfahl den Markt als einen Freund und Geschäftspartner zu betrachten, mit dem man nach Belieben Geschäfte machte oder es bleiben ließ (wenn die Bedingungen nicht den eigenen Vorstellungen entsprechen). (2)
Als ich anfing mich nur noch darauf zu konzentrieren, was ich entscheiden konnte, bekam ich eine gänzlich neue Perspektive auf die Börse, die mein Trading auf ein neues Level hob.
Auch mein Gefühl der Schwäche und Ohnmacht verschwand.
Plötzlich war es nicht mehr so wichtig, ob der Markt in die von mir gewünschte Richtung ging. Hauptsache ich hatte meine Trades fest im Griff. Ich saß nun am Steuer meines Trading-Cockpits.
2. Aus Fehlern werden Erfahrungen
Zeitgleich fing ich an meine eigenen Fehlentscheidungen entspannter zu sehen. Viele Trader machen in ihren ersten Jahren Fehler, die zu schmerzhaften Rückschlägen führen. Auch ich habe unzählige Fehler gemacht, viele doppelt und dreifach.
Wir alle machen Fehler, bis wir bereit sind aus ihnen zu lernen.
Das ist ganz normal. Warum sollte es beim Trading anders sein, als beim Sport oder anderen Bereichen des Lebens? Wie viele Trainingsstunden würde ich brauchen um Golf oder Tennis spielen zu lernen? Erwarten wir wirklich, jeden Ball sofort perfekt zu treffen? Nein. Komischerweise verzeihen wir uns an der Börse diese „Fehler“ nur selten.
Ich denke, das hat mit unserem Bild über Geld zu tun. Sport ist Spaß, da darf man sich dreckig machen, stürzen und daneben schlagen. Aber Geld und Börse, das ist knallharter Ernst. Wirtschaft, Finanzen, Business. Da macht man keine Fehler.
Wir haben in der Finanzwelt eine fehlerfeindliche Einstellung entwickelt. Wer Fehler macht ist ein Trottel, der sich schämen sollte. Mit dieser Philosophie wird natürlich jeder Fehltrade zur multiplen mentalen Belastung. Anstatt aus Fehlern zu lernen, verdrängen wir diese schmerzvollen Erfahrungen und sehen nicht, welche großen Ressourcen für die Entwicklung unseres Tradings in ihnen liegen.
Peinlich berührt („hoffentlich erfährt niemand was von meinem Missgeschick an der Börse“) verlassen viele gedemütigt die Finanzmärkte oder suchen die Schuld bei anderen.
Für Aktionäre, die ihr Geld mit absteigenden Unternehmen verloren haben ist dann oftmals die Schlussfolgerung, dass die Börse ein Casinospiel ist. Für Pessimisten, die seit Jahren erfolglos auf den Untergang der freien Marktwirtschaft setzen, ist das ganze System korrumpiert und die Börse eine reine Manipulation. Für einige Anleger, die sich verspekuliert haben, ist der Berater oder Broker ein willkommener Sündenbock, hätte dieser doch von dem Absturz der Börse etwas ahnen müssen.
Wir allen kennen solche Anleger, denn sie machen die große Masse der Verlierer aus.
Fragen Sie sich, zu welcher Seite Sie in Zukunft gehören wollen.
George Soros, der im Laufe seines Lebens ein Milliarden-Vermögen an den Märkten verdiente, hat dazu treffend geschrieben: “Once we realize that imperfect understanding is the human condition, there is no shame in being wrong, only in failing to correct our mistakes.” (3)
3. Ein wahres Ziel finden
Um langfristig an der Börse durchzuhalten und letztlich zu den wenigen „Überlebenden“ zu gehören, sollten wir also...
1) Verantwortung und Kontrolle über unser Handeln übernehmen und
2) Fehler als wertvolle Quelle zur Verbesserung betrachten.
Doch selbst wenn Trader einen Weg gefunden haben mit den Finanzmärkten umzugehen, ist das noch keine finale Garantie durchzuhalten. Ich habe das bei vielen erfahrenen Kollegen beobachtet. Wenn sich der Erfolg und die Routine des Händlerberufs einstellt, fallen einige in ein Loch. „Und jetzt?“ schreit da der Verstand. Das Abenteuer Börse, auf das man sich vor vielen Jahren begeben hatte, ist zu einem Job wie jeder andere geworden. Ganz unbewusst suchen manche dann wieder den Kick des Risikos, der sie in die alte Verliererstraße zurück zieht.
Die alles entscheidende Frage, die uns wirklich motiviert diesen verrückten Beruf über Jahrzehnte hinweg auszuüben, ist, warum verdammt nochmal tue ich das?
Manchmal verbirgt sich hinter einem oberflächlichen Wunsch ein ganz anderer, wahrer Traum, der erst sichtbar wird, wenn wir uns damit auseinandersetzen. Bei vielen Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren durch die Märkte gegangen bin, lagen ganz verschiedene Beweggründe hinter dem ursprünglichen Impuls an der Börse zu handeln.
Oft wollten Kunden von mir einfach kurzfristig traden, weil sie dem Markt langfristig nicht über den Weg trauten. Andere sahen in der Börse einen Zeitvertreib oder wollten einfach etwas dazuverdienen.
Aber sind das kraftvolle Visionen, die den Herausforderungen der Märkte über Jahre hinweg standhalten?
Wohl kaum. Fragen Sie sich daher kritisch: Warum will ich mein Geld wirklich an der Börse anlegen?
Wenn Sie darauf keine tiefer gehende, befriedigende Antwort finden, dann sollten Sie das Vorhaben vorerst bleiben lassen oder weiter suchen. Trader, die keinen übergeordneten Antrieb, der größer ist als „Geld verdienen“ entwickeln, haben nur geringe Chancen dauerhaft durchzuhalten.
Eine sehr kraftvolle Motivation für die langfristige Geldanlage mit Aktien (wo es regelmäßig zu harten Rückschlägen kommt) kann z.B. ein persönliches Finanzziel sein, mit dem man Erwartungen an eine positive Zukunft verknüpft. Nimmt man sich bspw. vor einen Betrag X anlässlich der Geburt des Enkelkindes für dessen Ausbildung zurückzulegen, ist man eher bereit dieses Investment durch alle Auf und Abs der Märkte zu halten. Stellen Sie sich ein Kind vor, wie es dank Ihrer Hilfe eine sorgenfreie und erfolgreiche Berufsausbildung genießen darf. Dieser Gedanke fühlt sich doch ganz anders an, als ein prozentualer Renditewunsch.
Für mich waren die Finanzmärkte immer ein Weg meinen Traum von persönlicher und wirtschaftlicher Freiheit zu erreichen. In meiner Vorstellung hatte sich ein Bild von mir verfestigt, das mich selbstbestimmt und unabhängig in der Zukunft arbeiten ließ, mit freier Verfügung über meine Zeit, die es mir erlauben würde, meinen Neigungen und Interessen nachzugehen. Diese Vision ließ mich die viele Krisen und Rückschläge als Trader überstehen und hat dazu beigetragen, dass ich noch heute an den Märkten aktiv bin.
Viele Grüße
Jakob Penndorf
(1) Der Yogi, der sich über den Kursrutsch freut. Finanz und Wirtschaft vom 07.09.2015 (http://www.fuw.ch/article/der-yogi-der-sich-uber-den-kursrutsch-freut/)
(2) „If you are a prudent investor or a sensible businessman, will you let Mr. Market’s daily communication determine your view of the value of a $1,000 interest in the enterprise? Only in case you agree with him, or in case you want to trade with him.“ Value Investing Benjamin Graham’s Mr. Market. (https://cabotwealth.com/daily/value-investing/benjamin-grahams-mr-market/)
(3) „Sobald wir einmal verstanden haben, dass Fehlbarkeit eine menschliche Eigenschaft ist, sehen wir ein, dass es keine Schande ist falsch zu liegen, sondern aber wohl unsere Fehler nicht zu korrigieren.“ Zitat entnommen von Wiki-Quote. Abgerufen am 17.08.2016 (https://en.wikiquote.org/wiki/George_Soros)
Dem stimme ich zu. Der Artikel zeigt deutlich, wie wichtig persönliche (und soziale) Motivation auch an der Börse ist. Im Artikel sind wichtige motivationstechnische Punkte aufgelistet, die nicht nur Trader, sondern gerade auch Langfristinvestoren überzeugen, dabei zu bleiben. Es ist einfacher - hinsichtlich der langfristigen Anlage - die Börse nur als Marktplatz zu sehen, auf dem man Unternehmensanteile ein- und verkauft. Wer ein Unternehmen wirklich attraktiv und überzeugend findet und in dieses investiert, beschäftigt sich mit dem Unternehmen selbst und lässt den gesamten Lärm und Stress der Börse hinter sich. Dem Unternehmen zu "folgen", seine Strategie, Marktanteile und Bilanzen/GuV zu kennen, sich für die Produkte zu begeistern etc. ist ein motivierender und gleichzeitig entspannterer Weg als das tägliche Checken von aktuellen Kursen. Man folgt nicht dem Markt, sondern dem Unternehmen selbst. Den Markt nutzt man nur, um günstig einzukaufen, wenn er mal wieder hypersensibel auf kurzfristige Ereginisse reagiert. Ein Vorteil ist vor allem, dass man sich eine eigene Meinung zu den Unternehmensaussichten bilden kann, bessere Einschätzungen macht und unabhängiger von (Analysten-)Kommentare ist. Dadurch fühlt man sich bestärkt, auch mal eine etas größere Summe in ein einzelnes Unternehmen zu investieren und der Diversifikation nicht zu viel Beachtung zu schenken.
Hallo Jakob, vielen Dank für den tollen Artikel. Gerade im letzten Absatz habe ich mich selbst wiederentdeckt - die persönliche und wirtschaftliche Freiheit als Hauptgrund für den Börsenhandel. Freue mich schon auf den nächsten Artikel ;-)