Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession?
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Es gibt sehr unterschiedliche Modelle, die die Wahrscheinlichkeit einer Rezession bestimmen. Manche dieser Modelle sind brauchbar, andere weniger. Gut geeignet sind zwei Modelle, die von der US-Notenbank verwendet werden. Das eine gibt die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession in einem bestimmten Quartal an, das andere die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession im nächsten Quartal.
Das erste Modell beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns in einer Rezession befinden, das zweite versucht die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession im kommenden Quartal zu eruieren. Auf den ersten Blick wirkt das erste Modell fast nutzlos, da es die aktuelle Situation beschreibt. Man sollte annehmen, dass man aufgrund von Daten weiß, ob sich eine Wirtschaft in einer Rezession befindet oder nicht. Das ist jedoch nicht der Fall.
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Bis endgültig und offiziell ein Quartal zu einem Rezessionsquartal erklärt wird, können viele Monate oder gar Jahre vergehen. Das liegt an der hohen Unsicherheit von volkswirtschaftlichen Daten.
Die Daten, die veröffentlicht und medial diskutiert werden, sind die Erstveröffentlichungen. Sie sind in den Folgemonaten oftmals noch deutlichen Revisionen unterworfen. Bis die endgültigen Daten feststehen, vergeht viel Zeit. Erst jetzt wurde offiziell festgestellt, wie stark die US-Wirtschaft im vergangenen Jahr gewachsen ist.
Grafik 1 zeigt die beiden Wahrscheinlichkeiten, die sich aufgrund der beiden Modelle ergeben. Die Rezessionswahrscheinlichkeit ist die aktuelle Wahrscheinlichkeit (erstes Modell). Die geglättete Wahrscheinlichkeit (zweites Modell) sagt etwas über die Zukunft aus.
Generell stimmen die beiden Zeitreihen überein. In längeren Expansionsphasen wie z.B. von 1991 bis 2000 kommt es beim ersten Modell immer wieder zu einem Anstieg der Wahrscheinlichkeit, ohne dass es zu einer Rezession gekommen wäre. Genau das sehen wir auch derzeit wieder.
Der Grund dafür liegt in der Berechnung der Wahrscheinlichkeit. Das Modell beruht im Prinzip auf Beobachtungsdaten. Es ist ein Modell, welches sich vollkommen auf die Erfahrung der letzten Jahrzehnte stützt. Der Erfahrung nach gab es vor allem vor den 80er Jahren eine höhere Häufigkeit an Rezessionen. Die Wahrscheinlichkeit wird demnach überschätzt, wenn man davon ausgeht, dass die Expansionszyklen jetzt einfach länger sind als früher.
Der Anstieg darf aus diesem Grund nicht überbewertet werden. Die Entwickler des Modells gehen selbst davon aus, dass man erst von einer Rezession ausgehen sollte, wenn die Wahrscheinlichkeit bei mehr als 75 % liegt. Davon sind wir derzeit noch weit entfernt.
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Das zweite Modell erscheint zuverlässiger. Es beruht auf Beschäftigungs- und Industrieproduktionsdaten sowie der Entwicklung der persönlichen Einkommen und Handelsdaten. Hier wird derzeit eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit für eine Rezession berechnet. Sie liegt bei weniger als 1 %.
Die Modellentwickler gehen davon aus, dass man erst mit hoher Sicherheit eine Rezession erwarten kann, wenn die Wahrscheinlichkeit für mindestens drei Monate oberhalb von 80 % liegt. So gesehen ist alles in bester Ordnung. Doch es gibt auch Modelle, die ganz andere Wahrscheinlichkeiten herumreichen. Dazu gehören vor allem die Berechnungen von Investmentbanken.
Die Deutsche Bank stellte unlängst eine Wahrscheinlichkeit von 60 % fest. Diese Wahrscheinlichkeit bezieht sich nicht auf das kommende Quartal, sondern auf die Wahrscheinlichkeit, dass es innerhalb von 12 Monaten zu einer Rezession kommt. Vergleicht man dies mit dem oben genannten zweiten Modell, dann hat dies eine maximale Vorhersageperiode von 6 Monaten.
Nun liegt die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession innerhalb der kommenden 6 Monate praktisch bei 0 % und auf der anderen Seite bei 60 % auf Sicht eines Jahres. Das ist ein signifikanter Unterschied, der fast schon widersprüchlich wirkt.
Erklären lässt sich das mit der Berechnungsweise der Deutschen Bank. Sie leitet die Wahrscheinlichkeit aufgrund der Zinskurve her (Rendite 10-jähriger Staatsanleihen minus Rendite 3-monatiger Anleihen). Grafik 2 zeigt die Zinskurve sowie die tatsächlich stattgefundenen Rezessionen.
Man kann aufgrund dieser Daten die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession ableiten. Die Zinskurve fiel innerhalb des dargestellten Zeitraums 12 Mal unter die Marke von 1,21 % (ungefährer Wert des aktuellen Zinsspreads). 7 Mal kam es danach zu einer Rezession innerhalb weniger Quartale. So lässt sich eine Wahrscheinlichkeit von knapp 60 % ableiten, dass es innerhalb des kommenden Jahres zu einer Rezession kommt.
Die Deutsche Bank macht zweifelsohne komplexere Berechnungen als ich sie hier angestellt habe, doch vom Prinzip her dürfte das die angewendete Systematik sein. Nun gibt es dabei jedoch ein großes Problem: die Zinskurve selbst. Die Zuverlässigkeit der Zinskurve als Indikator erscheint in diesen abnormalen Zeiten fraglich.
Derzeit sind vor allem die langfristigen Zinsen extrem niedrig. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: die Zinswende geht sehr, sehr langsam vonstatten und ausländische Investoren reißen sich US-Anleihen unter den Nagel, wo sie nur können. US-Anleihen werfen im Vergleich zu anderen Anleihen noch großzügige Renditen ab.
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Da das Zinsniveau für kurze Laufzeiten wie auch für lange Laufzeiten historisch niedrig ist, muss man sich fragen, ob man die Erfahrung der letzten Jahrzehnte wirklich gebrauchen kann. Früher war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es zu einer Rezession kommt, wenn der Zinsspread unter die Marke von 1 % fiel. In Zeiten eines allgemein niedrigeren Zinsniveaus kann man mit einer gewissen Berechtigung annehmen, dass diese Marke von 1 % früher, heute vielleicht vielmehr einem Grenzwert von 0,5 % entspricht.
Persönlich halte ich die Zinskurve derzeit für wenig aussagekräftig, wenn es um Rezessionswahrscheinlichkeiten geht. Sie ist von vielen Sonderfaktoren abhängig, die sich nur sehr schlecht herausfiltern lassen. Ich bevorzuge daher die geglättete Wahrscheinlichkeit, die auf über die Zeit vergleichbareren Daten beruht und diese zeigt aktuell eine sehr niedrige Rezessionswahrscheinlichkeit an.
Clemens Schmale
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Die Zinskurve ist doch völlig im Eimer. IT ist mit 132% des GDP verschuldet und Investoren müssen für einjährige IT Bonds 0,19% Zahlen.
Berechnung von Korrelationen ist immer eine schöne Sache (ex post). Ex ante kann man daraus gar nix prognostizieren. Bei dem verzehrten Bond- bzw. Geldmarkt gilt dies insbesondere seit den ersten QE Maßnahmen.