Kommentar
15:10 Uhr, 06.04.2021

Wie Hedgefonds das Finanzsystem gefährden (Teil I)

Die Schieflage des Hedgefonds Archegos brockt Banken weltweit Milliardenverluste ein. Das ist ärgerlich, aber verkraftbar. Der Fall ruft jedoch Erinnerungen wach und zeigt auf wie Hedgefonds das Finanzsystem zu Fall bringen können.

Vor zwei Wochen hatte noch nie jemand von Archegos gehört. Dann fielen plötzlich Aktien von Viacom oder Vipshop um 30 % an einem Tag. Der Gesamtverlust belief sich bei einigen betroffenen Aktien auf 60 %. Diese Verluste wurden innerhalb weniger Tage angehäuft. Kurz darauf erklärten Banken wie Credit Suisse, dass sie Milliarden verloren haben dürften. Banken wie Nomura und Credit Suisse verkauften Aktienpositionen von Archegos. Auslöser des Desasters war ein zunächst harmloser Kursrückgang bei Viacom und anderen Positionen, die der Fonds hielt. Archegos hielt Positionen im Wert von geschätzten 50 Mrd. Dollar. Das zugrundeliegende Kapital betrug allerdings maximal 10 Mrd. Der Fonds verwendete also einen stattlichen Hebel. Als die Kurse zu fallen begannen, löste dies Margin Calls aus. Der Fonds konnte diese nicht bedienen. Das Kapital fehlte und war vermutlich zu diesem Zeitpunkt bereits aufgebraucht. Wenn ein 50 Mrd. Portfolio um 20 % fällt, ist das Eigenkapital von 10 Mrd. verbraucht. Um die Verluste zu begrenzen verkauften Banken die Positionen. Dies führte zu dem Kurssturz. Da der Fonds kein Geld mehr hat, bleiben Banken auf den Verlusten sitzen.

Der Schaden ist angerichtet und für die betroffenen Banken ärgerlich. Dieses Ärgernis ist im Vergleich zu dem, was hätte geschehen können, verkraftbar. Archegos hat viele auf dem falschen Fuß erwischt. Das Positive an der Sache ist immerhin, dass es ein unterschätztes Risiko in Erinnerung ruft. Es ist ein Weckruf, der das nächste Mal hoffentlich Schlimmeres verhindert. Was aber genau kann schiefgehen? Wie können Verluste eines Hedgefonds sogar das globale Finanzsystem in Schieflage bringen?

Um diese Frage zu beantworten lohnt der Blick zurück ins Jahr 1998, dem Jahr, indem der Hedgefonds Long Term Capital Management implodierte. Bis heute gilt der LTCM Bankrott als Mutter aller Hedgefonds-Katastrophen – nicht ohne Grund. Er bringt auch das Grundproblem auf den Punkt.

LTCM war für Investoren zunächst eine Goldgrube. Der Fonds startete im März 1994. Wer zu diesem Zeitpunkt investierte, konnte bis April 1998 viel Geld verdienen. Die jährliche Rendite lag bei mehr als 35 %. Das war fast doppelt so hoch wie beim S&P 500. Ab April 1998 verliefen die Schicksale dann aber sehr unterschiedlich (siehe Grafik).


Innerhalb von Wochen verlor LTCM fast 100 %. Das muss man erst einmal schaffen. Selbst wer keine Ahnung von Börse hat und dumme Anfängerfehler macht, kommt besser weg. LTCM wurde hingegen von einem Nobelpreisträger begleitet. Vielleicht lag genau darin das Problem…

Das Geschäftsmodell war gut durchdacht. Der Fonds handelte vor allem Anleihen. Bestimmte Anleihen wurden gekauft und andere geshortet. Der Fonds wettete darauf, dass sich die Renditen unterschiedlicher Anleihen annähern würden. Das funktionierte jahrelang hervorragend. So kaufte der Fonds etwa Anleihen von Emerging Markets Ländern und verkaufte US-Anleihen, wenn die Zinsdifferenz zu groß wurde. Der Theorie nach sollten sich die Zinsen wieder annähern.

Das funktionierte, bis es eben nicht mehr funktionierte. Das war 1998 der Fall. Der Asienkrise folgte die Russlandkrise. Die Renditen näherten sich nicht an, sondern liefen auseinander. Das Eigenkapital von 5 Mrd. war schnell weg.

Am Ende wurde LTCM mit einem Bailout gerettet und dann abgewickelt. Die Notenbank befürchtete, dass ein unkontrollierter Bankrott zu einer globalen Finanzkrise führen würde. Wie ein 5 Mrd. Fonds das globale Finanzsystem zu Fall bringen kann, wird im zweiten Teil des Artikels diskutiert.

Clemens Schmale


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  • MC500
    MC500

    ...man sollte erwähnen, dass es sich hier nicht um einen Hedge Fonds, sondern um ein Family Office handelt, dass sehr spekulativ unterwegs war. Der Eigentümer stand bei der CS auf der schwarzen Liste, bis sie dann doch wieder Geld geliehen haben. Selbst Schuld kann man nur sagen. Es macht auch keinen Sinn, mit deratigen Artikeln Hedge Fonds grundsätzlich zu verteufeln - es gibt wie überall schwarze Schafe, siehe Wirecard.

    20:06 Uhr, 06.04. 2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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