Kommentar
08:28 Uhr, 16.06.2021

Wie die Fed den Willen der Anleger gebrochen hat

Die Inflation steigt und steigt. Trotzdem ist es für Anleger kein Thema mehr. Der Grund: Die Fed hat ihren Willen durchgesetzt.

Historisch tat stark steigende Inflation dem Aktienmarkt nie gut. Im ersten Quartal führte das auch dieses Mal zu Verunsicherung. Wegen steigender Inflation stiegen die Zinsen und in der Folge gingen vor allem Technologie-Aktien in eine Underperformance über. Anleger hatten schlichtweg Angst vor Inflation und steigenden Zinsen. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein.

Die Fed kann sich feiern lassen. Sie hat dem Markt die Angst genommen und ihren Willen durchgesetzt. Von Fakten kann man nicht sprechen, denn wir wissen einfach nicht, ob Inflation ein vorübergehendes Phänomen ist oder nicht. Die Fed wollte aber, dass man ihrer Argumentation (ist alles nur vorübergehend) folgt. Das ist ihr gelungen.

Gelungen ist es ihr, weil sie beharrlich an ihrer Geldpolitik festgehalten hat. Es werden pro Monat immer noch Wertpapiere im Volumen von 120 Mrd. erworben. Niemand braucht dieses Geld. Der Markt ist so sehr mit Liquidität überschwemmt, dass über 500 Mrd. jeden Tag bei der Fed wieder geparkt werden (Grafik 1). Das ist ein neuer Rekord und der Betrag steigt immer weiter an.


Es gibt so viel Geld, dass niemand mehr weiß, wohin damit. Es bleibt nur der Ausweg, es wieder bei der Fed zu parken. Die Fed kauft also Wertpapiere, flutet so den Markt mit Geld, muss es aber durch die Hintertür wieder abziehen, weil es zu viel ist. Man kann also wirklich nicht sagen, dass QE im aktuellen Ausmaß notwendig wäre.

Durch das Festhalten an QE hat sie den Markt nach monatelanger Unsicherheit überzeugt, dass Inflation vorübergehend ist und die Zinsen nicht steigen werden. Zu Jahresbeginn stiegen die Zinserwartungen. Im Februar implizierten Eurodollar Futures Ende 2023 einen Zinssatz von 0,8 %. Dieser Wert stieg innerhalb eines Monats auf 1,1 %. Inzwischen ist der Wert wieder dort, wo er vor Beginn der Angst vor Zinserhöhungen war (Grafik 2).


Dass Anleger nun an vorübergehende Inflation glauben, kann man auch anhand marktbasierter Inflationserwartungen erkennen. Über die nächsten 5 Jahre wird eine Rate von 2,5 % erwartet. Über die darauffolgenden 5 Jahre hingegen lediglich eine Rate von 2,2 %. Im Normalfall sind die längerfristigen Erwartungen höher. Aktuell sind es die kurzfristigen Erwartungen, die höher sind (Grafik 3).

Anleger glauben der Fed also, dass die Inflation kurzfristig hoch ist und dann wieder sinken wird. Das gilt, obwohl die Wahrscheinlichkeit für Inflation von mehr als 2,5 % auf absehbare Zeit extrem hoch ist (Preisdruck Benchmark in Grafik 3). Man kann wirklich sagen, dass die Fed durch Beharrlichkeit den Willen bzw. die Vernunft des Marktes gebrochen hat. Nun kommt es am Mittwoch darauf an, dass die Fed diesen Erfolg nicht zunichtemacht.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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