Kommentar
20:20 Uhr, 24.02.2022

Wie der Ukrainekrieg den Markt grundlegend gefährden kann

Politische Börsen haben kurze Beine, heißt es. Das gilt selbst für kriegerische Auseinandersetzungen. Dieser Krieg ist jedoch anders und kann über Umwegen zur großen Belastung für Aktien werden.

Der Umweg heißt Inflation und könnte nach dem ersten Schock für Aktien (Kriegsbeginn) mittelfristig zu einem zweiten Schock führen (Anpassung der Bewertung an höhere Inflation). Die Wirkung von Inflation auf Aktien ist so vielfältig, dass man ein Buch darüber schreiben könnte. Alle Facetten muss man aber nicht verstehen. Es reicht, wenn man die zwei wichtigsten Dinge berücksichtigt. Oft hört man, dass Inflation die Kurse drücken soll. Genauso oft fehlt eine Erklärung dafür.

Zum Teil wird angeführt, dass das Gewinnwachstum leidet. Das ist nur zur Hälfte korrekt. Steigen die Preise, nehmen Unternehmen auch mehr ein. Der Umsatz für alle Unternehmen steigt mit dem Preisniveau. Einige Branchen profitieren sogar davon. Dazu gehören Rohstoffunternehmen. Firmen, die Rohstoffe kaufen müssen und sie weiterverarbeiten, um sie an den Endkonsumenten zu verkaufen, leiden hingegen unter dem Preisanstieg.

Für die gesamte Wirtschaft und breit aufgestellte Indizes sollte jedoch gelten, dass die Umsätze und Gewinne mit der Inflation steigen. Problematisch wird es, wenn das generelle Lohnniveau schnell ansteigt. Das betrifft alle Firmen gleichermaßen. Die Margen schrumpfen. Ansätze davon sind erkennbar.

Der zweite Aspekt ist die Bewertung von Aktien und hat nichts damit zu tun, ob die Gewinne genauso schnell steigen wie die Inflation. Als Faustregel gilt: Je höher die Inflation, desto niedriger die Bewertung (gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis). Jahrzehnte an Daten zeigen eine hohe Korrelation zwischen Bewertung und Inflation.

Gemessen an der heutigen Inflationsrate sollte der S&P 500 eigentlich 30 % tiefer stehen. Am besten erkennt man dies, wenn man das KGV dem Realzins gegenüberstellt (Grafik 1). Es ist zwar nicht sehr intuitiv, doch das KGV fällt, wenn der Realzins fällt. Aktuell ist die Schere zwischen Realzins bzw. Inflation und Bewertung historisch hoch. Wieso aber reagiert die Bewertung nur so verhalten auf die Inflation?

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Anleger ignorieren die Inflation derzeit, weil sie eine klare Erwartungshaltung haben. Sie gehen nicht davon aus, dass die Inflation über einen langen Zeitraum hoch bleiben wird. Geht es nach Prognostikern, wird für die kommenden zwölf Monate eine Inflationsrate von 2,9 % erwartet. Über die kommenden 10 Jahre sollen es 2,5 % sein. Das ist nicht wesentlich höher als vor zwei Jahren. Von einer Loslösung der Inflationserwartung kann überhaupt keine Rede sein (Grafik 2).

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Auch Konsumenten bleiben gelassen, obwohl sich deren Erwartungen stark an der aktuellen Inflationsrate orientieren. Auf Jahressicht werden 5 % erwartet. Konsumenten haben in diesem Fall vermutlich eher Recht als die Prognostiker. Auf Sicht von 5 Jahren wird eine Rate von 3,1 % erwartet (Grafik 3). Auch hier gilt, dass die Erwartungen gut verankert sind.

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Das größte Risiko für Aktien ist, dass die Erwartungen nicht erfüllt werden. Damit der Aktienmarkt nicht rasant korrigiert, muss die Inflation zwingend fallen – und zwar schnell. Stellt sich heraus, dass die Erwartungen falsch waren und die Inflation über viele Jahre hoch bleibt, wird es schlagartig zu einer Anpassung der Bewertung kommen. Es ist das größte Risiko und es lässt sich auch mit -20 % beziffern.

Hier kommt nun der Krieg in der Ukraine ins Spiel. Er treibt den Ölpreis immer höher. Bisher konnte man davon ausgehen, dass der Preisauftrieb in diesem Jahr abnimmt, weil tiefe Vergleichswerte aus dem Vorjahr verschwinden. Da Energiepreise aber einfach nicht aufhören zu steigen, dürfte es dazu nicht kommen.

Das kann endgültig dazu führen, dass Marktteilnehmer ihre Inflationserwartungen anpassen und sich diese loslösen. Das würde den Korrekturbedarf aufgrund der hohen Inflation freisetzen. Für Anleger droht ein doppelter Schlag. Erst läuft eine Korrektur aufgrund von Krieg, dann aufgrund von Inflation.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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