Kommentar
08:51 Uhr, 02.10.2014

Wie arm ist die Welt?

Wohlstand für alle ist etwas, von dem die Welt noch genauso weit entfernt ist wie vor 20 Jahren. 20 Jahre Wachstum, wirtschaftliche Unionen, Entwicklungshilfe etc. konnten das Problem bisher nicht lösen und werden es wahrscheinlich auch nicht mehr lösen.

Was ist arm?

Die UN klopfte sich zuletzt kräftig auf die Schulter, weil die Ziele zur Armutsbekämpfung schon fast erreicht sind. Die UN hatte die Millenium Development Goals verabschiedet. Das erste Ziel ist es, extreme Armut zu beseitigen. Als extrem arm gilt, wer am Tag weniger als 1,25 USD zur Verfügung hat. Der Vergleich von 1990 zu 2010 zeigt, dass viele Regionen dem Ziel schon sehr nahe sind.

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Besonders erfolgreich in der Armutsbekämpfung war China. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch immer an die 20% der Weltbevölkerung von weniger als 1,25 USD am Tag leben. Und ehrlich gesagt, was sind schon 1,25 USD? Es mag zum Überleben reichen. Von der Armut ist man meiner persönlichen Meinung nach damit noch lange nicht befreit.

Es gibt auch noch ein ganz anderes Problem. Die Statistiken fokussieren sich auf Regionen, die vor Jahren einmal definiert wurden. Hier sieht man vielleicht Fortschritte. Die ganzen Rückschläge werden aber unter den Teppich gekehrt. Nach dem arabischen Frühling ist die Bevölkerung in einigen Ländern jetzt zwar freier, aber dafür auch deutlich ärmer. Die Statistiken zeigen auch nicht die Zunahme von Armut in Ländern, die nicht als Entwicklungsländer gelten. Während es den allerärmsten ein klein wenig besser geht als vor 20 Jahren, geht es den Armen in den Industrieländern immer schlechter. Die Armut in Industrieländern hat wenig mit der Armut in z.B. Simbabwe zu tun. Nichtsdestotrotz gibt es in der Welt nicht nur eine positive Entwicklung zu sehen. In Entwicklungsländern geht es tendenziell aufwärts. Seit der Finanzkrise aber geht es in Industrieländern abwärts.



Arm in reichen Ländern

Betrachtet man die Länder der Welt und die Bevölkerungsanteile, die unter der Armutsgrenze leben, dann wird einem ganz angst und bange. Die Betrachtung der Armutsgrenze ist etwas aussagekräftiger als ein Tageseinkommen von 1,25 USD, weil es keine so starre Definition benutzt. Hier werden die landesüblichen Werte für die Armutsgrenze herangezogen. Damit ist die Vergleichbarkeit etwas besser.

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Die enorme Armut in Ländern wie Haiti und Tschad überrascht nicht. Was aber durchaus überrascht ist z.B. der Bevölkerungsanteil an und unter der Armutsgrenze in Mexico. Hier gilt die Hälfte der Bevölkerung als arm. Die Zahlen sind einer gewissen Unsicherheit unterworfen. Je nach Datenquelle liegt der Wert auch „nur“ bei 42%.

Besonders schockierend sind die Zahlen aus den Industrieländern. Die dritte Grafik zeigt Industrieländer und einige Entwicklungsländer zum besseren Vergleich. Die Eurokrisenländer liegen inzwischen weit oben auf der Liste. Griechenland geht auf eine Armutsquote von 50% zu. Vor der Krise waren es knapp 20%.

Es sind aber nicht nur die Eurokrisenländer, in denen die Zahlen hoch erscheinen. In Deutschland sind über 15% als arm definiert. Werte unter 10% finden sich unter den Industrieländern kaum. Einige Entwicklungsländer schneiden hier deutlich besser ab.

Zur Verteidigung einiger Industrieländer muss man sagen, dass die Daten auf den nationalen Definitionen von Armut beruhen. In den USA gilt eine vierköpfige Familie mit weniger als 24.000 USD Einkommen im Jahr als arm. Für eine alleinstehende Person gelten ca. 11.000 USD als Grenze. In Deutschland liegt die Grenze für eine alleinstehende Person bei gut 10.000 EUR oder ca. 13.000 USD. Die Grenze in Deutschland ist damit höher als in den USA. Europäische Länder haben insgesamt höhere Grenzen als die USA und schneiden daher im Vergleich auch schlechter ab. Würde man um diesen Effekt der unterschiedlichen Grenzen und Kaufkraft bereinigen, dann liegt die Armutsgrenze in Deutschland sogar bei 15.000 USD pro Jahr pro Einzelperson. Belässt man nun den Prozentsatz der Bevölkerung, die in Deutschland als arm gilt, gleich, passt aber den der USA an, dann sieht das Ergebnis schon ganz anders aus.

Nach deutschen Maßstäben sind in den USA 22% der Bevölkerung an und unter der Armutsgrenze. Das ist schon ein enorm hoher Wert. Trotz Aufschwung hat sich daran nicht viel geändert. Es ist spätestens seit der Finanzkrise ein genereller Trend in Industrieländern, dass die Armut steigt. Wenn sich das nächste Mal UN oder Politiker auf die Schultern klopfen, dann kann man daran denken.

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4 Kommentare

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  • daydraderch
    daydraderch

    ​Her Baron, wenn Sie jeden Euro 10 X umkehren müssten bevor sie ihn ausgeben und sich dabei fragen, soll ich dies nun wirklich kaufen oder nicht, reicht das Geld noch bis Ende Monat oder nicht, dann ist man arm! Somit ist man auch in Deutschland arm! Aber angeblich leben Sie in einer anderen Welt ...

    11:10 Uhr, 02.10. 2014
    1 Antwort anzeigen
  • Oliver Baron
    Oliver Baron Experte für Anlagestrategien

    Relative Armutsgrenzen, wie sie zum Beispiel in Deutschland definiert werden, sind überhaupt nicht aussagekräftig. Denn nach dieser Definition gilt jeder als arm, der weniger als 40% vom durchschnittlichen (Median-)Einkommen zur Verfügung hat. In Deutschland ist man damit aber nicht wirklich arm, weil man trotzdem alle menschlichen Grundbedürfnisse befriedigen kann. In einem Land wie Simbabwe sieht das aber ganz anders aus, da mögen auch 100% vom durchschnittlichen Einkommen nicht ausreichend sein, um die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Ein weiteres Problem: Wenn das Einkommen aller Menschen prozentual gleich stark zunimmt, ändert sich an der relativen Armut überhaupt nichts. ​Relative Armutsgrenzen taugen deshalb eigentlich sehr wenig zur Analyse der weltweiten Armut.

    09:06 Uhr, 02.10. 2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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