Kommentar
08:15 Uhr, 18.05.2016

Wichtige Wirtschaftsdaten: Achten Sie besonders auf diesen einen Indikator!

An den Märkten dreht das Sentiment nach wie vor extrem schnell. Wer jedoch wissen will, wohin die Reise wirklich geht, muss einem Datensatz besondere Aufmerksamkeit schenken.

Normalerweise dreht das Sentiment zwischen guter und schlechter Laune. In den letzten Wochen und Monaten geht es nicht „nur“ um die Laune von Anlegern, sondern vielmehr um die Großwetterlage. In der einen Woche sind Anleger betrübt und fürchten die nächste Rezession, in der anderen sind sie vom ewigen Aufschwung überzeugt.

Wirtschaftliche Trends ändern sich nicht wöchentlich. Ein Makrotrend hat für Jahre Bestand. Das rasche Hin und Her der Grundüberzeugung der Anleger hat daher wenig mit der Realität zu tun. Man sollte sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen und jede Woche seine Strategie ändern. Das bewirkt letztlich nur eines: hohe Transaktionskosten.

Wohin aber geht die Reise nun wirklich? Schließlich muss die Reise ja irgendwohin führen. Entweder bleibt die Wirtschaft auf ihrem Wachstumspfad oder sie kühlt sich ab. Es ist heute noch zu früh, einen Trendwechsel auszurufen. Noch hat der seit 2009 vorherrschende Aufwärtstrend Bestand. Das kann sich in den kommenden Wochen ändern.

Um den Zustand der Wirtschaft zu beschreiben gibt es unzählige Indikatoren. Die Notenbanken nutzen fast jeden einzelnen davon, um zu verstehen, was mit der Wirtschaft passiert. Zu den wichtigen Datensätzen gehört etwa der Einzelhandelsumsatz. Dieser stieg zuletzt stärker an als erwartet. Für eine vom Konsum getriebene Wirtschaft wie den USA ist das ein positives Signal.

Der Einzelhandelsumsatz wird monatlich veröffentlicht. Damit sind die Daten nur in größeren Zeitabständen verfügbar. Genauso ist es bei den Arbeitslosenzahlen. Auch sie werden monatlich veröffentlicht. Oftmals sind diese Daten aber zu langsam, um frühzeitig auf Trendwechsel hinzuweisen.

Nimmt man etwa den Einzelhandelsumsatz als Indikator her, dann kann er in einem Monat überraschend stark fallen. Heißt das nun aber, dass der Konsum generell abflaut und das Wachstum dreht? – Eher nicht. Es gibt saisonale Faktoren, die einen Monat aus der Reihe tanzen lassen können. Ist das Wetter in einem Monat besonders schlecht, dann wird weniger geshoppt. Das hat nichts mit dem übergeordneten Trend zu tun.

Hat man erst einmal unter den Erwartungen liegende Daten, muss man einen Monat warten, bis die nächsten veröffentlicht werden. Nehmen wir an, sie sind wieder schlecht. Was nun? Ist das ein Trend? War es wieder ein Ausreißer? Um das beantworten zu können braucht man vermutlich noch einen dritten Datenpunkt. So vergehen die Monate und man weiß nicht, was wirklich Sache ist.

Ein Datensatz kann da Abhilfe schaffen. Es handelt sich dabei um die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe. Diese Daten werden jede Woche am Donnerstag veröffentlicht. Sie sind gemessen an den meisten anderen Datenreihen fast schon in Echtzeit. Die Daten sind daher besonders nützlich.

Die Nützlichkeit wird in der Grafik dargestellt. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe sind dem Wirtschaftswachstum gegenübergestellt. Letztlich ist das Wirtschaftswachstum, was uns interessiert. Wächst die Wirtschaft, dann wird konsumiert und Unternehmen können Umsätze und Gewinne steigern. Die Kurse an den Börsen steigen.

Das Wirtschaftswachstum ist eine Kennzahl, die nur einmal pro Quartal veröffentlicht wird. Zudem kommen die Daten immer erst vier Wochen nach Quartalsende. Die zeitliche Verzögerung ist sehr groß. Daher versuchen Analysten auch anhand anderer Datensätze wie den Einzelhandelsumsätzen das Wirtschaftswachstum zu erahnen.

Im Prinzip sind die meisten Indikatoren legitim. Die Analyse macht Sinn. Wenn man jedoch einen schnell und wöchentlich verfügbaren Indikator sucht, dann gibt es praktisch nur einen: die Erstanträge. Sie sind nicht nur schnell verfügbar, sondern haben auch eine extrem gute Vorhersagekraft für den Zustand der Wirtschaft.

In den letzten Wochen stiegen die Erstanträge. Seit Jahren gab es keinen so deutlichen Ausreißer mehr wie Anfang Mai. Dieser Ausreißer wird auf Faktoren zurückgeführt, die sonst nicht gegeben sind und nur auf den Bundesstaat New York zutreffen. Ob es wirklich ein nur ein Ausreißer war, werden wir sehr bald wissen. Noch ein oder zwei Datenpunkte, dann ist die Lage eindeutig.

Sofern sich der Anstieg der Erstanträge nicht als Ausreißer herausstellt, sollten Anleger große Vorsicht walten lassen. Dreht der Trend bei den Erstanträgen, dann dreht er für gewöhnlich auch in allen anderen Datenreihen, nur eben mit zeitlicher Verzögerung.

Die Erstanträge geben Aufschluss darüber, wie sich die Beschäftigung entwickelt. Das ist letztlich der alles bestimmende Faktor für die Wirtschaft und damit auch die Börse. Werden neue Jobs geschaffen, gibt es mehr Menschen, die Geld für den Konsum zur Verfügung haben. Die Wirtschaft wächst. Steigt die Zahl der Arbeitslosen, wird weniger konsumiert, Unternehmen bauen noch mehr Stellen ab, weil sie sparen und ihre Margen halten wollen. Durch die Sparmaßnahmen steigt die Zahl der Arbeitslosen weiter, es wird noch weniger konsumiert usw.

Wer wissen will, was Sache ist, der muss den Beschäftigungstrend kennen. Alles andere ist nebensächlich. Wenn man sich auf eine Sache verlassen kann, dann darauf. Derzeit sieht es nach einer Trendwende aus. Bestätigt ist das noch nicht. In wenigen Wochen wissen wir jedoch mehr und können eindeutig feststellen, ob der Makrotrend dreht. Wer den Trendwechsel nicht verpassen will, sollte die Veröffentlichungen der Zahlen in den kommenden Wochen sehr genau beobachten.

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9 Kommentare

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  • Cogito
    Cogito

    Danke Herr Schmale für das Aufzeigen der sehr interessanten Anti-Korrelation zwischen den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe und dem BIP. Ob nun der minimale Schlenker in Richtung Erhöhung der Erstanträge am Ende (2016) relevant ist oder im Rauschen untergeht wird man sehen.

    14:37 Uhr, 18.05.2016
  • hotte38
    hotte38

    Herr Schmale ist ein Cleverle. Ich lese seine Kommentare gerne, doch manchmal sind sie mir zu lang. Dieser Kommentar ist einleuchtend und nicht zu lang.

    14:06 Uhr, 18.05.2016
  • k_traxler
    k_traxler

    Bei den Zahlen zu den US-Erstanträgen fällt sehr oft auf, dass von der aktuellen Woche die vorläufigen Zahlen veröffentlicht werden, gleichzeitig von der vorhergehenden Woche die geschönten Zahlen nach oben korrigiert werden müssen. Damit schauen die Zahlen der aktuellen Woche im Vergleich nicht mehr so schlimm aus.

    13:25 Uhr, 18.05.2016
  • René vom Bodensee
    René vom Bodensee

    @weisser Ritter: ich denke, dass man höchstens irgendwann dieser sinnlosen Kommentare überdrüssig wird. Wer ein bisschen Ahnung hat und einsieht, dass nicht alles technisch ist sondern auch fundamental basierend, der hat verstanden, dass es hier keineswegs um eine Theorie geht ;) Dieser gehört sicher nicht zu den besten Beiträgen, aber ich könnte unzählige Artikel von Herrn Schmale aufzählen, die absolut durchdacht und brillant erklärt waren... Sie , Herr Schmale, sind eine wahre Bereicherung für Godmode, chapeau und weiter so

    12:02 Uhr, 18.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Kahroba
    Kahroba

    tut mir leid irgendwas stimmt da nicht. die Erstanträge steigen nicht laut diesem Diagram sondern sie sinken in letzten Wochen. Die skalierung ist sinkend nach oben. die Erstanträge sind schlecht für die Wirtschaft. sie können nicht mit Wirtschaftleistung steigen und sinken. sie korrelieren umgekehrt

    11:46 Uhr, 18.05.2016
  • Weißer Ritter
    Weißer Ritter

    Und die nächste Sau wird durchs Dorf getrieben. Ob Herr Schmale seiner zahlreichen Theorien, die aber alle nichts können, wohl irgendwann überdrüssig wird?

    11:01 Uhr, 18.05.2016
  • k_traxler
    k_traxler

    Na ja, auch die Erstanträge sind saisonale Faktoren ausgesetzt: zu Weihnachten werden kurzfristig Verkaufskräfte aufgenommen und später wieder entlassen, Saisonalkräfte in der Landwirtschaft (Ernte), Eisverkäufer im Sommer, Skilehrer und Pistenbetreuer im Winter etc. Lediglich ein Vergleich der Erstanträge zum gleichen Zeitraum des Vorjahres macht sicher! Wöchentlich Statistiken werden auch zu stark davon geprägt, z.B. ob zufällig in einer bestimmten Woche ein Feiertag fällt oder nicht.

    10:08 Uhr, 18.05.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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