Kommentar
17:11 Uhr, 27.05.2015

Wer kauft überhaupt noch US-Aktien?

Anleger müssen sich mit erschreckenden Zahlen auseinandersetzen. Wer gerade US Aktien gekauft hat oder das vorhat, der steht ziemlich alleine da. Die Käufer fehlen, nicht nur an einem Tag wie heute, an dem die Kurse kräftig nachgeben.

Groß- wie Kleinanleger fliehen gerade regelrecht aus US Aktien. In den ersten viereinhalb Monaten flossen insgesamt 30 Mrd. USD aus US Aktienfonds ab. Geht das in diesem Tempo weiter, dann würden dieses Jahr über 80 Mrd. abgezogen werden. Das wäre dann ein Drittel mehr als 2014.

Die Kapitalabflüsse aus Fonds sind auch deshalb bemerkenswert, weil Anleihenfonds unterm Strich kaum Zuflüsse zeigen. Irgendwo muss das Geld ja eigentlich hin. Normalerweise verschiebt es sich zwischen Anleihen und Aktien. Diese Systematik sieht man in Grafik 1 ganz gut. Sie zeigt die Kapitalflüsse (Fund Flows) für Aktien und Anleihen sowie den Vergleich mit dem S&P 500.

In den letzten 15 Monaten verzeichnen Aktienfonds unterm Strich deutliche Abflüsse. Diese sind größer als die Zuflüsse in festverzinsliche Anlagen. Die Kapitalflüsse beinhalten dabei noch keinen Zu- bzw. Abfluss aus Aktien ETFs. Bezieht man diese in die Betrachtung mit ein, dann sieht es vor allem im bisherigen Jahresverlauf 2015 düster aus. Demnach wurden in diesem Jahr bisher über 100 Mrd. USD aus US Aktien Fonds und ETFs abgezogen. Das spricht nicht gerade für eine hohe Zuversicht von Anlegern.

Man muss sich konsequenterweise die Frage stellen wie es sein kann, dass aus US Aktien horrende Summen abgezogen werden, die marktbreiten Indizes aber nicht fallen. Das passt nicht zusammen. Stoßen Anleger mehr Assets ab als sie aufnehmen, dann geht die Rechnung vorne und hinten nicht auf. Jede Aktie, die verkauft wird, braucht auch einen Käufer. Diese Käufer kommen offensichtlich nicht aus dem Lager der privaten und institutionellen Anleger.
Das ganze ließe sich noch erklären, wenn die Kurse stärker gesunken wären. Dann hätten Anleger ihre Aktien verkauft und andere hätten sie zu niedrigeren Kursen wieder gekauft. Ein Kurs muss nur tief genug fallen und es finden sich auch wieder ausreichend Käufer. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Kurse sind in diesem Jahr trotz allem leicht gestiegen. Anleger haben in diesen Trend hinein verkauft. Aber wer hat die Aktien dann wieder gekauft, wenn es nicht andere Anleger waren?

Des Rätsels Lösung liegt in den gigantischen Aktienrückkaufprogrammen der US-Unternehmen. Bei jeder Gelegenheit werden neue Programme angekündigt oder ausgeweitet. Grafik 2 zeigt, wie viele der S&P 500 Unternehmen derzeit an Aktienrückkaufprogrammen teilnehmen. Es sind zwei Drittel. Der Wert ist damit so hoch wie vor dem letzten Crash.

Anleger konnte das bisher freuen. Die Performance von Aktien von Unternehmen, die hohe Summen in Rückkäufe stecken, ist im Verhältnis zum Gesamtmarkt besser. Diese relative Performance ist ebenfalls in Grafik 2 zu sehen. Der relative Performanceindex beginnt im Jahr 1987 und hatte einen Anfangswert von 100. Heute steht der Index bei knapp 190. Das heißt, dass ein Index, der sich nur aus Unternehmen mit Rückkaufprogrammen zusammensetzt, 90% stärker gestiegen ist als der Gesamtmarkt. Das ist eine signifikante Outperformance.

Seit einiger Zeit kommt diese Outperformance ins Stocken. In den letzten 18 Monaten wurde mehr Geld in Aktienrückkäufe investiert als jemals zuvor. Trotzdem stagnieren die Aktienkurse seit über einem halben Jahr. Während Privatanleger aus dem Markt geradezu fliehen kaufen Unternehmen munter weiter. Das erweckt den Anschein eines stabilen Marktes mit leichtem Aufwärtstrend. Würden die Unternehmen nicht jede Aktie aufkaufen, die ein Privatanleger verkauft, dann stünden die Kurse heute ganz woanders.

Generell fordern immer mehr institutionelle und private Anleger die exorbitanten Rückkaufprogramme einzudämmen. Der Vermögensverwalter BlackRock äußerte sich vor mehreren Wochen sehr kritisch. Selbst Goldman Sachs schwenkt auf den gleichen Kurs ein. Irgendetwas muss an der Kritik wohl dran sein.
Als Anleger bin ich nicht gegen Aktienrückkäufe. Wenn Unternehmen allerdings ihr gesamtes Cash in Rückkäufe stecken und teils auch noch Schulden dafür aufnehmen, dann kommt mir schon das blanke Entsetzen. Es kann doch nicht sein, dass ein Unternehmen den Aktienkurs über Schulden stützt. Ebenso ist es mehr als nur fraglich, ob ein Management kompetent ist ein Unternehmen zu führen, wenn es keine Investitionsmöglichkeiten findet, außer eigene Aktien zurückzukaufen.

Firmen wie Apple, die pro Jahr an die 40 Mrd. Gewinn machen, haben es schwer auch 40 Mrd. wieder sinnvoll zu investieren. Dividenden und Rückkäufe können da helfen, sofern Investitionen nicht zu kurz kommen. Genau das ist bei den meisten Unternehmen aber inzwischen der Fall. Sie reduzieren Investitionen. Das vermindert das langfristige Wachstumspotential. Statt in die Zukunft zu investieren verschulden sich Unternehmen immer mehr, um eigene Aktien zu kaufen – und das zu rekordhohen Bewertungen.

Einige Anleger haben trotz dieser fragwürdigen Praxis noch immer nicht genug. Carl Icahn, ein sehr bekannter Investor, forderte zuletzt von Apple sein Aktienrückkaufprogramm aufzustocken. Vor etwas über einem Monat hatte Apple erst das Programm von 90 auf 140 Mrd. erhöht. Nun soll es noch einmal erhöht werden, wenn es nach Icahn geht. Da kann man nur den Kopf schütteln. Investoren wie Icahn beschäftigen gute Unternehmen damit Aktienkaufprogramme zu strukturieren und umsetzen, sich aufzuspalten (z.B. eBay) oder selbst zu verkaufen (Yahoo). Das hat nichts mit investieren zu tun. Das ist eher destruktiv.

Icahn steht mit seinen Forderungen für genau das, was an der Wall Street falsch läuft. Anstatt sich mit Forschung, Entwicklung und Wachstum zu beschäftigen legen sich Unternehmen damit lahm die nächsten 50 Mrd. an Schulden aufzunehmen, um eigene Aktien zu kaufen. Das kann auf Dauer nicht gutgehen. Viele Anleger haben das inzwischen begriffen. Unternehmen, die überdurchschnittlich in Forschung und Entwicklung investieren verzeichnen leichte Zuflüsse, während die Unternehmen mit den größten Rückkaufprogrammen gemieden werden.

Man kann nur hoffen, dass auch die Manager bald begreifen wie man Unternehmen führen sollte. Gutes Management ist schwierig und keiner hat eine Zauberformel dafür. Man kann jedoch mit Sicherheit sagen, was gutes Management nicht ist: sich zu verschulden und Investitionen einzustampfen, um überteuerte Aktien zurückzukaufen. Kommt die Erkenntnis nicht bald, dann gibt es eines Tages ein ziemlich böses Erwachen.

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9 Kommentare

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  • Publius
    Publius

    Ich empfehle hierzu einen Blick in den Geschäftsbericht von Berkshire Hathaway.
    Im Bericht von 2011 auf Seite 6 findet man interessante Gedanken zu Aktien Rückkäufen: http://www.berkshirehathaway.com/letters/2011ltr.p...

    10:16 Uhr, 28.05.2015
  • Peter Zumdeick
    Peter Zumdeick

    ... guter Artikel ...

    Meine Frage: Warum kaufen so viele Unternehmen ihre eigenen Aktien zurück? Was ist die Triebfeder dafür ???

    Kann mir das jemand kompetent sagen?

    Nicht allgemein, sondern konkret in dieser Situation?

    21:48 Uhr, 27.05.2015
    1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • moneymaker22
    moneymaker22

    Sehr guter Artikel ! aber die Dax-Unternehmen sind auch nicht besser mit ihren ständigen Kapitalerhöhungen :-)

    17:34 Uhr, 27.05.2015
  • Harald Weygand
    Harald Weygand Head of Trading

    Um auf die Frage im Titel deines wie immer ausgezeichnten Beitrags zu beantworten:

    Icke :-)

    Aber nur selektiv!

    17:19 Uhr, 27.05.2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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