Kommentar
13:21 Uhr, 11.04.2018

Wer andern eine Grube gräbt …

Die Lage beim drohenden Handelskrieg entspannt sich. Kann man dem Frieden trauen?

Erwähnte Instrumente

  • Die protektionistischen Maßnahmen der Amerikaner werden den USA vermutlich mehr schaden als ihren Partnern.
  • Das US-Leistungsbilanzdefizit wird noch größer. Das Wirtschaftswachstum wird sich abschwächen. Konsumenten stellen sich schlechter.
  • Die Börsen haben das richtige Gespür: Erstmals seit Langem entwickelt sich der EURO STOXX 50 besser als der amerikanische S&P 500.

Wer einen Streit anzettelt, muss davon überzeugt sein, dass er erstens für die richtige Sache kämpft und dass er zwei­tens die Auseinandersetzung auch gewinnen kann. Am An­fang schien das bei den handelspolitischen Maßnahmen des amerikanischen Präsidenten auch der Fall gewesen zu sein. Vollmundig verkündete er, dass ein Handelskrieg gut für Amerika sei und dass er leicht zu gewinnen sei. Inzwi­schen mehren sich aber Zweifel.


Die Erhebung von Zöllen schadet den USA mehr als sie ihnen nutzt.


Natürlich geht die Anhebung von Einfuhrzöllen schnell und bedarf keiner mühsamen Verhandlungen mit dem Kon­gress. Man kann auch leicht argumentieren, dass sie zu mehr Wachstum führt. Denn die einheimischen Firmen kön­nen mehr produzieren. Sie verdienen mehr und können auch neue Jobs schaffen. Das Handelsbilanzdefizit geht zu­rück, weil weniger importiert wird.

Das alles klingt überzeugend. Nur leider ist es nicht richtig oder besser: Nur ein Teil der Wahrheit. In den USA würde man das "Voodoo Economics" nennen. Wenn man das Gan­ze nämlich zu Ende denkt, kommt genau das Gegenteil her­aus: die Erhebung von Zöllen schadet den USA mehr als sie ihnen nutzt.

Erstens darf man nämlich nicht nur die Unternehmen be­trachten, sondern muss auch die Verbraucher berücksich­tigen. Dann sieht die Bilanz schlechter aus. Denn die ameri­kanischen Verbraucher sind bei einer Zollerhöhung keine Gewinner, sondern Verlierer. Die Güter, die sie kaufen, wer­den teurer. Ihre Kaufkraft verringert sich.

Volkswirtschaftlich gesehen kommt es zu einer Umvertei­lung zugunsten der Unternehmen und zu Lasten der Kon­sum­enten. Das kann nur dadurch ausgeglichen werden, dass die Unternehmen den Verbrauchern etwas von ihren Gewinnen abgeben, wie einige das zum Beispiel bei der jüngsten Steuerreform getan haben. Es könnte allerdings sein, dass die Zunahme der Beschäftigung für einige Ver­braucher wichtiger ist als der Verlust bei der Kaufkraft.

Zweitens geht das Leistungsbilanzdefizit der USA nicht zu­rück, sondern steigt. Denn makroökonomisch entspricht der Saldo der Leistungsbilanz immer der Differenz zwischen Investitionen und Ersparnis. Wenn der Fehlbetrag kleiner werden soll, dann geht das nur dadurch, dass mehr gespart beziehungsweise weniger investiert wird. Beides erfordert eine restriktive Finanzpolitik, also das Gegenteil von dem, was in den USA durch die riesige Steuersenkung gerade geschieht. Wenn die Wirtschaftspolitik bei ihrem expansiven Kurs bleibt (was ich glaube), dann wird das Defizit größer. Auch in den 80er Jahren – in den Zeiten Ronald Reagans – ging das Leistungsbilanzdefizit nach oben (siehe Grafik).

USA UND CHINA IM STREIT

Leistungsbilanzsaldo

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Quelle: IMF

Drittens wird das Wirtschaftswachstum durch die Erhebung der Zölle nicht größer, sondern kleiner. Denn wenn sich das Leistungsbilanzdefizit erhöht, dann gibt es mehr Importe und / oder weniger Exporte. Beides sind Abzugsposten vom Sozialprodukt. Da die Beschäftigung zunimmt, wird die Pro­duktivität der US-Industrie abnehmen oder sich nicht mehr so stark erhöhen.

Viertens: Noch schlechter sieht es für die USA aus, wenn man die Gegenmaßnahmen der von einer Zollerhöhung be­troffenen Staaten berücksichtigt. Wenn sie die Zölle erhö­hen, dann gehen dadurch die US-Exporte zurück. Arbeits­plätze fallen weg. Die Leistungsbilanz verschlechtert sich noch mehr.

Fünftens muss man natürlich auch die längerfristigen Wir­kungen berücksichtigen. Aus Erfahrung wissen wir, dass Branchen, die durch Zölle geschützt werden, in ihren An­stren­gungen zur Produktivitätssteigerung nachlassen. Sie werden träge. Das mindert das Wachstum und auf Dauer auch die Beschäftigung. Umgekehrt bemühen sich im Aus­land Unternehmen, die durch Zölle belastet werden, in be­sonderer Weise, um die Nachteile zu kompensieren.

Ich wäre daher nicht überrascht, wenn China seinen Struk­turwandel zugunsten der Hochtechnologie noch schneller vorantreibt. Es könnte sein, dass es am Ende in puncto Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit besser dasteht als ohne Trumps Zölle. Darauf deutet hin, dass sich das Land von dem Handelsstreit relativ unbeeindruckt zeigt. Es hat zwar auch Zölle angekündigt. Der chinesische Präsident Xi hat aber Anfang der Woche selbstbewusst eine weitere Öff­nung der Märkte seines Landes angekündigt und einen stär­keren Schutz des geistigen Eigentums. Das würde die ame­rikanischen Zölle ins Leere laufen lassen. Trump könnte es allerdings als einen Erfolg seiner Maßnahmen verkaufen.

Unabhängig von allen theoretischen Überlegungen nimmt der Widerstand der amerikanischen Wirtschaft gegen die handelspolitischen Maßnahmen zu. Zudem haben die US-Börsen negativ reagiert. Seit Anfang März hat sich der S&P 500 deutlich schlechter entwickelt als der EURO STOXX 50. Das hat es in diesem Ausmaß schon lange nicht mehr ge­geben.


Für den Anleger

Natürlich stellt die Gefahr eines Handelskrieges zwischen Amerika und dem Rest der Welt eine Belastung der Börsen dar. Sie nimmt zu, je länger sich der Streit hinzieht. Aber sie ist nicht so groß wie vielfach befürchtet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Trump mit seiner Zollpolitik eine stärkere Konjunkturabschwächung oder gar einen Aktien-Crash ris­kiert, schon gar nicht in einem Wahljahr. Positiv für die Eu­ropäer ist, dass die Amerikaner wieder EU-Aktien kaufen.


Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: martin.huefner@assenagon.com.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

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