Kommentar
19:48 Uhr, 19.04.2022

Wenn der Markt seine Meinung ändert

Jeder Anleger lernt zwar, dass der Markt immer Recht hat. Doch was wäre eine Regel ohne Ausnahme?

Wer neu an der Börse ist, zahlt häufig Lehrgeld. Man ist von einem Trade überzeugt und hält an diesem fest, selbst wenn sich die Verluste auftürmen. Das ist ein klassischer Fall. Anleger tun sich schwer, eine Fehleinschätzung einzugestehen, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und Verluste zu realisieren.

Wenn der Markt (=die meisten anderen Anleger) eine andere Meinung hat, stellt man sich am besten nicht dagegen. Die Mehrheit hat einfach mehr Kapital als man selbst und setzt ihre Meinung durch. Sich dagegenzustellen ist im besten Fall mutig, im Normalfall vergebens.

Als Anleger sollte man also auf den Markt hören und schnell auf die Mehrheitsmeinung umschwenken, wenn man feststellt, dass diese eine andere als die eigene ist. Der Markt hat eben immer Recht, weil er mehr Geld in Bewegung setzt und ein Privatanleger dagegen keine Chance hat.

Als Anleger muss man seine Meinung schnell ändern können. Dabei geht es nicht nur darum eingestehen zu können, dass man falsch lag, sondern auch darum, dass auch der Markt seine Meinung schnell und häufig ändert. Das jüngste Beispiel war eine Neubewertung der Geldpolitik und der Zinsentwicklung.

Die Inflationsrate stieg in den USA zwar im März auf ein neues Hoch, doch der Anstieg bei der Kerninflation verlor an Dynamik (Grafik 1). Der Preisindex stieg gegenüber dem Vormonat nur noch um 0,32 %. Das war weniger als erwartet und der niedrigste Wert seit September 2021.

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Das erweckt Hoffnungen, dass das Inflationshoch greifbar ist. Anleger belohnten dies mit steigenden Aktienkursen und fallenden Renditen bei Staatsanleihen. Persönlich bin ich mir nicht so sicher, ob die Reaktion vernünftig war. Die Kerninflation zeigte auch im Sommer 2021 nachlassende Dynamik.

Bedenklicher ist der Trend bei Dienstleistungen. Dienstleistungen machen den höchsten Anteil am Warenkorb aus. Hier beschleunigt sich der Trend noch (Grafik 2). Auch bei Produzentenpreisen, die früher oder später an Konsumenten weitergereicht werden, zeigt sich noch kein Trendwechsel.

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Anleger könnten sich zu früh gefreut haben. Das ändert nichts daran, dass der Markt seine Meinung änderte. Noch vor einer Woche wurde ein Hoch beim Leitzins bei 3,35 % erwartet. Die Inflationsdaten sorgten dafür, dass nun ein Zinsschritt weniger erwartet wird (Grafik 3). Ein Datenpunkt, der nur mit viel blindem Vertrauen zu der Schlussfolgerung führen kann, dass die Inflation vor einer Abschwächung steht, hat zu einer nennenswerten Meinungsveränderung geführt.

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Für Privatanleger ist das schwierig. So schnell wie der Markt eine Neubewertung vornahm, kann man sein Depot gar nicht anpassen. Zum Glück ist das auch nicht notwendig, zumindest wenn man einen mittelfristigen Anlagehorizont vor Augen hat. Kurzfristige Meinungsänderungen sind wenig robust und oft nicht nachhaltig. Am nächsten Tag kann es bereits wieder anders aussehen.

In diese Falle tappen viele Anleger. Sie rennen den Meinungsänderungen des Marktes hinterher und häufen dadurch Verluste an. Der Markt hat zwar in jedem Moment Recht, doch das heißt nicht, dass es morgen nicht anders ist. Die jeweilige Tagesmeinung bestimmt das Kursgeschehen. Je länger der Anlagehorizont ist, desto weniger wichtig ist es.

Blickt man auf die Erwartungen und Meinungen von Anlegern und Prognostikern zurück, stellt sich heraus, dass sie ohnehin selten Recht haben. Dass sie falsch liegen, ist wahrscheinlicher. Die Prognose der Rendite von dreimonatigen US-Anleihen ist nur eines von zahllosen Beispielen (Grafik 4). Tendenziell hat der Markt eher Unrecht. Ob kurzfristig Freude über das erwartete Ende der Inflation ein Kursfeuerwerk auslöst oder am nächsten Tag Zinsängste für Abgaben sorgen, als Anleger sollte man durch diese kurzfristigen Neubewertungen hindurchblicken.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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